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Die Siedlung von Lahnau-Waldgirmes wurde während der Germanienkriege des Augustus um die Zeitenwende errichtet und nach Aussage der Kleinfunde bereits im Jahre 9 n. Chr. nach der Niederlage des Varus wieder aufgegeben. Aufgrund der Architektur ist eine Zivilsiedlung anzunehmen, die eine zentralörtliche Funktion besaß bzw. nach dem Abschluss der Eroberung Germaniens erhalten sollte. Name und vorhandener bzw. geplanter Status der Siedlung sind allerdings aufgrund fehlender Belege in den Schriftquellen unbekannt.
Das östlich an die zivile Siedlung angrenzende Marschlager wurde wahrscheinlich erst nach deren Auflassung errichtet.
Die 7,7 ha große Anlage war von einer 3,2 m breiten Holz-Erde-Mauer
mit Toren und Zwischentürmen sowie zwei vorgelagerten Spitzgräben
umgeben. Die zwei nachgewiesenen Straßenzüge belegen eine Einteilung
der südlichen Hälfte des Areals in zwei Gebäudeblocks sowie
einem weiteren westlich des Forums.
Gesamtplan der römischen Befunde mit Ergänzungen
Im Zentrum der Anlage befand sich das Forum, das den ältesten Beleg für Steinarchitektur östlich des Rheins darstellt. Der Aufbau oberhalb eines steinernen Sockels bestand aus Holz-Fachwerkwänden. Das Bauwerk (54 x 45 m) wurde im Norden von einer zweischiffigen Basilika mit drei Apsiden sowie an drei Seiten von Gebäudeflügeln abgeschlossen. Die Aufstellung eines lebensgroßen bronzenen Reiterstandbildes ist durch Fragmente belegt. Das Forum gehörte nicht zur ersten Bebauung der Siedlung, da es ein älteres Wohnhaus (Gebäude 5) überlagert.
Grundriss des Forums mit Ergänzungen |
Rekonstruktion des Forums |
Als Getreidespeicher (horreum) mit einem erhöhten Boden (ca. 27 x 12,5 m) lassen sich die Pfostenstellungen südwestlich des Osttores (Gebäude 3) interpretieren.
Im Südosten der Siedlung (Gebäude 1a-c) sowie im Bereich des späteren Forums (Gebäude 5) befanden sich Bauten mit jeweils neun Raumeinheiten, wobei das Zentrum wohl als überdachtes Atrium zu deuten ist. An die Bauten schlossen sich Hof- oder Wirtschaftsteile (1a) bzw. Laubengänge (5) an.
Direkt südlich der West-Ost-verlaufenden Straße befand sich ein Baukörper (Gebäude 2) hinter einer Portikus mit ein bis zwei zum Umgang orientierten Räumen, die teilweise offen waren. Die gewerbliche Nutzung wird durch einen Töpferofen im nordwestlichen Raum unterstrichen. Eine vergleichbare Bebauung dürfte auch im westlich angrenzenden Gebäudeblock (Gebäude10, 14) vorherrschen.
Die Interpretation der östlich vom Forum liegenden Bebauung (Gebäude 7, 9, 13) ist weitgehend unklar. Es handelt sich wohl überwiegend um die ältere, mit Gebäude 5 gleichzeitige Bebauung. Ein Bau (Gebäude 8) entspricht mit seiner vorgelagerten Portikus der auf der anderen Straßenseite nachgewiesenen Häusern.
Die Zufuhr von Frischwasser ist durch den Abschnitt eines holzverschalten Kanals im Nordosten der Siedlung sowie durch Fragmente von bleiernen Wasserleitungen belegt.
Thomas Schmidts
A. Becker, Lahnau-Waldgirmes. Eine augusteische Stadtgründung in Hessen. Historia 52/3, 2003, 337-350.
A. Becker/ H.-J. Köhler, Das Forum von Lahnau-Waldgirmes. In: Archäologie in Hessen. Neue Funde und Befunde. Feschrift für F.-R. Herrmann. Studia hornoraria 13 (Rhaden/Westf. 2001).
A. Becker/G. Rasbach, Vortrag zur Jahressitzung 2001 der Römisch-Germanischen Kommission. Waldgirmes. Eine augusteische Stadtgründung im Lahntal. Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82, 2001, 591-610.
A. Becker G. Rasbach/S. Biegert, Die spätaugusteische Stadtgründung in Lahnau-Waldgirmes. Archäologische, architektonische und naturwissenschaftliche Untersuchungen. Germania 81/1, 2003, 147-199.
S. von Schnurbein, Augustus in Germania and his new ‘town’ at Waldgirmes east of the Rhine. Journal of Roman Archaeology 16, 2003, 93-107.