Römische Gräber waren – wie unsere heutigen – oberirdisch gekennzeichnet, zumindest durch eine Holztafel. Besser gestellte Familien konnten sich hingegen richtige Grabsteine, die in den meisten Fällen eine Inschrift und Bildnisse der verstorbenen Familie und/oder andere Reliefdarstellungen trugen, oder sogar Grabbauten leisten. Diese können wegen der meist nur isoliert gefundenen Bauelemente oft nur grob einem bestimmten Typ zugeordnet werden. Ein Glücksfall für die Wissenschaft war die Entdeckung der von der Savinja weggerissenen Grabbauten der Nekropole von Šempeter (bei Celeia/Celje, Slowenien), wo marmorne Grabdenkmäler verschidener Typen beinahe vollständig wieder aufgebaut werden konnten.
Aus dem italischen bzw. mediterranen Raum wurde das Tumulusgrab übernommen, wobei über dem Brandgrab ein von einer Mauer eingefasster Hügel aufgeschüttet wurde. Eine Sonderform stellen die so genannten norisch-pannonischen Hügelgräber dar, die ohne eine solche Stützmauer auskamen. Daraus entwickelten sich Mischformen mit eingebauten Grabkammern mit oder ohne Zugangskorridor bzw. äußerer Stützmauer.
Den einfachsten Typus des Grabmals stellt
die Grabstele dar. Diese ist in der Regel eine hochrechteckige Steinplatte, die optisch zumindest
in einen oberen und unteren Teil oder mehrere Felder geteilt ist und im bestausgearbeiteten
Fall eine Haus- bzw. Tempelfassade imitiert. Im obersten Bereich –dem Giebelfeld
– werden häufig mythologische Figuren, meist Grabwächter oder Seelengeleiter wie das Medusenhaupt, Delphine, Vögel oder Raubtiere, dargestellt, gerade im 1. Jh. auch gerne astrale Symbole.
Darunter befinden sich – oft in vertieften Nischen –Darstellungen des oder
der Verstorbenen oder Reliefs mit Berufsdarstellungen. Darunter steht die normalerweise
gerahmte Inschrift, die mindestens die Namen der Verstorbenen nennt. Weiters
können Alter, Ehrenämter und Beruf der Bestatteten genannt werden. Die Todesursache wurde in den
Inschriften fast nie erwähnt, aus Iuvavum kennt man aber als ein Beispiel die lues, eine nicht näher medizinisch benennbare Seuche (so genannte antoninische Pest, eingeschleppt
um 170 von der Armee aus Persien). Als Beispiel soll hier die Grabstele der
Familie der Cantier dienen (Graz/St. Leonhard, Steiermark). Im unteren
Bereich befindet sich die Grabinschrift. Darüber ist in einem Medaillon die Tochter dargestellt, links und rechts von zwei
kindlichen Figuren flankiert. In der Bildzone darüber ist in zwei Medaillons das verstorbene Ehepaar dargestellt, sie in einheimischer
Tracht, er in der toga. Die Frisur des Mannes lässt eine Datierung in das ausgehende 1. Jh. n.Chr. erschließen. Der Giebel zeigt ein geflügeltes Medusenhaupt, darüber schwimmen zwei Delphine.
Einfacher gestaltete Stelen wurden von den römischen Händlern bereits im 1. Jh. v.Chr. für ihre Gräber auf dem Magdalensberg verwendet.
Etwas aufwendiger und luxuriöser
waren die Grabaltäre. Sie besaßen einen stufenförmigen Sockel und darauf einen blockartigen Unterbau. Darauf befand sich der
altarförmige Grabstein mit der Inschrift. Als Abschluss dient in vielen Fällen ein pyramidenförmiger Aufsatz. Oft werden in Noricum auch Porträtmedaillons als abschließender Aufsatz für die Rekonstruktion der Grabaltäre herangezogen). Die Porträtmedaillons sind eine für diese Provinz typische Erscheinung, deren Rekonstruktion als Grabaltarabschluss
nicht hundertprozentig gesichert ist, da die meisten Exemplare ohne Fundzusammenhänge entdeckt wurden. Es handelt sich um kreisrund bzw. schildartig zugeschnittene
Steine (clipeus), in deren vertieften Innennischen die Verstorbenen im Brustbild dargestellt
wurden. Wahrscheinlich entwickelte sich dieser Typ des Grabmonuments aus den
im Hausheiligtum aufbewahrten Wachsbildern der Vorfahren (imago clipeata). Der Rahmen wurde wie ein geflochtener Lorbeerkranz gestaltet. Ein dachförmiger Aufsatz bekrönte die Medaillons und schützte sie vor Verwitterung. Ein Beispiel für diese Porträtmedaillons befindet sich in der Kirche von St. Marein im Greith nahe Neumarkt
in Kärnten . Dargestellt ist ein Ehepaar, die Frau links, der Mann auf der
rechten Seite. Die Frau ließ sich in der norischen Tracht darstellen. Sie berührt ihren in die toga gekleideten Gatten am rechten Oberarm. Auch diese Darstellung wird anhand der
Haar- und Barttracht des Mannes datiert – in die zweite Hälfte des 2. Jh. Die Grabaltäre wurden allgemein im 2. und 3. Jh. verwendet.
Die aufwendigste und teuerste Grabmalform
war die Aedicula, bei der mehrere Typen unterschieden werden. Gemeinsam ist allen Typen
der auf einem Sockel platzierte Unterbau, in dem die Urne beigesetzt wurde.
Er trug meistens die Grabinschrift und war in vertikale und horizontale reliefverzierte
Felder unterteilt. Das Obergeschoss konnte unterschiedlich gestaltet werden.
Eine Möglichkeit war eine tempelförmige Nische mit zwei vorgelagerten Säulen, auf denen das Dach auflag. In der Literatur wird dieser Typus als "distyle, prostyle Aedicula" bezeichnet (Abb. 7). Vor der Rückwand der Nische konnten entweder vollplastische Statuen der Verstorbenen aufgestellt
werden oder eine Platte mit Reliefs derToten angebracht werden.
Die Aediculae "in antis" besitzen
eine Reliefnische ohne vorgelagerte Säulen. Bei der Aedicula mit Relieffront ist die Unterteilung in Unter- und Obergeschoss
nicht deutlich erkennbar, da sich die Pilaster in den Ecken über den ganzen Mittelteil erstreckten (Abb. 8). Auf der Vorderseite teilte sich
das entstehende Feld in eine Inschriftenzone unten und eine Porträtzone oben. Die Seitenflächen bestanden jeweils aus einer einfachen hochrechteckigen Reliefplatte. Abgeschlossen
wurde das Denkmal mit einem Giebeldach. Grabaediculae finden sich zwar gelegentlich
schon vor der zweite Hälfte des 2. Jh. n.Chr., doch kamen sie wahrscheinlich erst gegen Ende des 2.
Jahrhunderts so richtig in Mode als die Hochkonjunktur der Severerzeit teurere
Grabmäler zuließ. Es handelte sich bei den Inhabern der Aedicula-Grabmäler allerdings ausschließlich um die Familien der honestiores, die bürgerliche Führungsschicht, die die städtischen Magistrate und die Versorgungsoffiziere der Legionen (tribuni) stellte, große Gutshöfe auf dem Land besaß und den Groß- und Fernhandel kontrollierte.
Frauen tragen auf den meisten Darstellungen
die einheimische norisch-pannonische Fibeltracht. Die Männer hingegen ließen sich schon relativ früh – vorausgesetzt, sie besaßen das römische Bürgerrecht – in der toga abbilden. Kinder wurden in der Regel in der gleichen Aufmachung dargestellt
wie ihre Eltern. Die erhaltenen Grabporträts zeigen uns die Verstorbenen von Angesicht zu Angesicht, eine Idealisierung
der Gesichtszüge fehlt. Dies entspricht dem Wunsch, den Nachfahren in Erinnerung zu bleiben
und als Vorbild für nachfolgende Generationen angesehen zu werden. Als Beispiel dient der Grabstein
aus Flavia Solva in Schloss Seggau aus der Zeit um 200 n.Chr.: Hier
ist ein Ehepaar mit seiner Tochter dargestellt. Mutter (links) und Tochter
(Mitte) tragen die einheimische Frauentracht, die an den Schulterfibeln, dem
Pectorale und der norischen Haube zu erkennen ist. Der Vater (rechts) ist in
eine toga gekleidet. In seiner linken Hand hält er eine (beschädigte) Buchrolle, die er mit Zeige- und Mittelfinger der Rechten berührt.
Die Außenflächen der Grabbauten wurden für Reliefdarstellungen unterschiedlichster Art verwendet, von denen im Folgenden einige für Noricum typische Beispiele gezeigt und erklärt werden sollen: Es handelt sich bei diesen Darstellungen entweder um Motive, die die magistratische oder private Repräsentation thematisieren oder in Verbindung mit den Jenseitsvorstellungen stehen.
Die stets leer gezeigte sella
curulis, der Amtssessel, auf Reliefs verweist auf die höchsten Ämter, die der Verstorbene inne hatte. Flankiert wurde der Amtssessel von Liktoren
und Schreibern, die die Befehle des Amtsinhabers entgegennahmen. Ein Relief
aus Bad Waltersdorf (Steirmark) zeigt eine derartige Szene. Hier wird die
in der Mitte stehende sella curulis von zwei knienden, geflügelten Figuren getragen. Zwei Diener halten einen Kranz über der Mitte des Stuhls und links und rechts stehen jeweils ein Liktor und ein
Schreiber.
Die wohl am häufigsten vorkommenden Reliefs sind Darstellungen von Dienerinnen- und Dienern. Diese sind im Gegensatz zu ihren verstorbenen Herrschaften meist stehend dargestellt und besitzen keine porträthaften Züge. Die Diener werden als Opferdiener, Schreibsklaven, Jagdgehilfen, Pferdeknechte und Boten dargestellt. Am häufigsten finden sich Reliefs mit Opferdienern und Schreibsklaven. Deshalb sollen an dieser Stelle zwei derartige Reliefs vorgestellt werden.
Auf der Schmalseite eines Grabaltares
aus Virunum wird ein in eine Tunika gekleideter Bursche gezeigt.
Er hat über die linke Schulter ein Tuch(mappa) hängen und hält in der rechten Hand einen Krug (urceus). Mit diesen Utensilien assistiert
er seinem Herrn bei Opferhandlungen. Die Darstellung soll ein Symbol für die pietas des verstorbenen Hausherrn, seine fromme Pflichterfüllung und Einhaltung aller Vorschriften, sein.
Als Beispiel für
einen Schreibsklaven, einen sogenannten librarius, soll ebenfalls ein Relief aus Virunum dienen. Es zeigt einen in eine
langärmelige Tunika und einen Kapuzenmantel gekleideten Mann. Er hat sein rechtes
Bein auf einen Behälter für Buchrollen gestellt. Die auseinander gerollte Buchrolle (volumen) ist auf den rechten Oberschenkel gelegt und er schreibt darauf. In der linken
Armbeuge hält er ein Behältnis, in dem Federn zum Schreiben sichtbar sind. Die Librarius-Darstellungen dienten wahrscheinlich als Symbol für die Befehlsgewalt seines Herrn.
Im
Gegensatz zu den Dienerdarstellungen, die die pietas ihres Herrn symbolisieren, ist die Bedeutung der Darstellungen von Dienerinnen
umstritten. Ihre Attribute können sowohl Gegenstände zur Körperpflege als auch Opferutensilien. Sie halten Kästchen, Spiegel, Krüge, Kübel und Tücher in den Händen. Einen wichtigen Beitrag leisten diese Darstellungen für die Rekonstruktion der einheimischen Tracht in Noricum und Pannonien, da die
Dienerinnen in der sogenannten norisch-pannonischen Fibeltracht dargestellt
wurden. Als Beispiel soll ein Relief aus Virunum (Maria Saal) dienen, das ein
Mädchen auf einem Podest stehend, in der linken Hand einen Spiegel und in der Rechten
ein Kästchen haltend, darstellt. Sie trägt die einheimische Tracht, die aus einem Ober- und Unterkleid besteht, das an
den Schultern mit zwei Fibeln zusammengehalten und um die Hüfte gegürtet wird.
Zuweilen
finden sich Reliefs, auf denen Diener und Dienerin gemeinsam dargestellt wurden.
In der Regel steht die Dienerin
links, der Diener rechts und sind einander zugewandt, wie auf einem weiteren
Relief aus Maria Saal. Sie hält ein geöffnetes Kästchen in der Hand und greift gerade hinein, er hält einen Krug in der Rechten und hat ein Tuch über die linke Schulter gehängt. Es kann sich hier um eine häusliche Szene handeln, genausogut aber um ein Opfer (Weihrauchkästchen?) oder die Andeutung von Ritualen rund um das Begräbnis.
Neben diesen realistisch anmutenden Darstellungen sind für Noricum und Pannonien Reliefs mit einer Vielfalt von mythologischen Themen typisch, die häufig vom Tod oder der durch Götter verursachten Entführung oder Entrückung eine heroischen Figur und deren Rückkehr aus dem Jenseits oder einem anderen fernen Ort handeln. Damit sollte wohl der Hoffnung auf ein Weiterleben im Jenseits oder auf Rückkehr aus derUnterwelt Ausdruck gegeben werden.
Eine Reihe schöner
Beispiele hierfür bieten die Grabbauten in Šempeter bei Celeia. Einmal wird die Entführung der Jungfrau Europa durch den in einen Stier verwandelten Zeus gezeigt.
Auf mehrere, leider stark durch die Lagerung im Bett der Savinja verwaschene
Reliefs verteilt ist die Erzählung von der beabsichtigten Opferung der Iphigenie durch ihren eigenen Vater
Agamemnon in Aulis, deren Entrückung durch Artemis nach Tauris und schließlich ihre Heimholung durch ihren Bruder Orestes. Besonders einprägsam ist die Rückholung der freiwillig anstelle ihres Gatten Admetos gestorbenen Alkestis durch
Herakles/Hercules aus der Unterwelt.
Zu guter Letzt soll noch eines der schönsten
und besterhaltenen Reliefs aus Noricum vorgestellt werden, die "Schleifung des Hector" aus Virunum. Achilles schleift aus Rache mit seinem Streitwagen den
von ihm getöteten Trojaner Hector um den Grabhügel seines von Hector erschlagenen Freundes Patroklos. Von vielen Archäologen wird die Darstellung als Sinnbild für die ungebrochene Liebe über den Tod hinaus gesehen; aber auch die Unversehrtheit, mit der Hectors Körper diese Schleifung dank göttlichen Eingreifens überstand und seine spätere Auslösung und ordentliche Bestattung durch seinen Vater Priamos, mag bei der Wahl
der Szene eine Rolle gespielt haben.
Auch Szenen aus dem Sagenkreis um den
Gott Bacchus-Liber-Dionysos, der für die Menschen Sorglosigkeit, Gelöstheit und unbeschwerte Lebensführung bedeutete, wurden häufig dargestellt. Der Gott selbst wurde dabei selten selten gezeigt, aber sein
Gefolge, das berauscht durch die Wälder zog, die Mänaden und Satyrn. Die Mänaden sind bekleidet oder nackt, tanzen zum Rhythmus ihres Tamburins und schlagen
Schallbecken. Die Satyrn tragen Fruchtkörbe und erlegte Vögel und Hasen oder spielen auf der Flöte. Neben Einzeldarstellungen finden sich auch solche, mit Satyr und Mänade gemeinsam wie auf einem Relief aus Virunum. Der Satyr schleicht
sich an eine Mänade heran und will ihr das Gewand vom Leib reißen. Sie versucht den Satyr mit der rechten Hand abzuwehren und hält mit der Linken gerade noch ihr Kleid fest.
Häufig finden sich in Noricum
aber auch so genannte Trauergenien. Diese werden frontal, mit gekreuzten
Beinen und auf eine Fackel gestützt, dargestellt. Die Fackel ist mit dem brennenden Ende auf den Boden gestellt,
als Symbol für das ausgelöschte Leben. Die Trauergenien rufen zum Gedenken an den Verstorbenen auf und
zeigen die Trauer der Hinterbliebenen.
Sowohl die vorgestellten Reliefs als auch deren Interpretation stellen nur einen Bruchteil des vorhandenen Materials dar, da hier nur Aspekte des Grabbrauchtums, die einen Überblick verschaffen sollen, vorgestellt werden können.
Neben den reich verzierten Grabbauten ist für weite Teile von Noricum und Pannonien eine andere Bestattungsform charakteristisch: die deshalb so genannten norisch-pannonischen Hügelgräber.
Die norisch-pannonischen Hügelgräber
finden sich vor allem im südostnorischen und westpannonischen Raum (Steirisch-südburgenländische und nordburgenländische Gruppe), aber auch im westlichen Niederösterreich (Wienerwald-Dunkelsteinerwald-Gruppe) und im Salzburger Land bzw. dem
benachbarten bayerischen Chiemgau. Bei den typisch norischen Hügelgräbern handelt es sich um über einer Brandbestattung aufgeschüttete Erdhügel ohne äußere Stützmauer.
Auch
hier finden sich unterschiedliche, im Laufe des 1. und 2. Jh. n.Chr. im weiter
differenzierte Bestattungsmöglichkeiten. In den einfachen Hügelgräbern ohne Einbauten gab es Brandflächengräber und Brandgrubengräber. Bei Brandflächengräbern wurde der Leichenbrand über eine größere Fläche verteilt und kam schutzlos unter der Hügelaufschüttung zu liegen. Bei den Brandgrubengräbern wurde der Leichenbrand in Gruben im gewachsenen Boden beigesetzt. Außerdem konnte der Leichenbrand auch in einer Urne oder Steinkiste (Abb. 21) beigesetzt
oder die Brandgräber mit einer Steinabdeckung oder einer Steinumstellung versehen (Abb. 22) werden.
Viel aufwendiger waren die typologisch jüngeren Hügelgräber mit Grabkammern, die runde, quadratische oder rechteckige Form besitzen konnten.
Hügelgräber, die eine Grabkammer mit Zugang (dromos) besitzen werden als Dromosgräber bezeichnet.
Bezüglich der in den Grabhügeln gefundenen Beigaben unterscheidet man in der Forschung zwischen mitverbrannten und mitbestatteten Beigaben. Die mitverbrannten Grabbeigaben weisen Brandspuren auf und sind in den meisten Fällen Münzen, Trachtzubehör wie Fibeln, Gürtelschließen und –beschläge, und Trink- und Speisegefäße. Bei den mitbestatteten Beigaben handelt es sich zum größten Teil um Gefäße, die vermutlich dem üblichen Totenmahl dienten, und in denen ein Teil des Essens dem Toten ins Jenseits mitgegeben wurde. Wertvolle Gegenstände wie Gold- und Silberschmuck, aber auch Waffen und Werkzeug finden sich sehr selten in derartigen Gräbern. Die Formen der Keramik und der Trachtbestandteile folgen in der Regel einheimischen Traditionen. Vereinzelt wurde den Toten auch importierte Waren wie zum Beispiel Terra Sigillata oder rätische Keramik mitgegeben. Aufgrund der Fundensemble werden die meisten norisch-pannonischen Hügelgräber in das 1. und 2. Jh. n.Chr. datiert. Man geht jedoch davon aus, dass diese Bestattungssitte in manchen Gegenden noch bis in das 3. Jahrhundert fortbestand.
Ein Problem, das die Forschung schon seit dem Beginn des 20. Jh. beschäftigt, ist die Herkunft dieser Bestattungssitte, die anscheinend in den Jahren um die Zeitenwende, also knapp nach der Okkupation von Noricum durch Rom, plötzlich auftaucht. Da spätlatènezeitliche Gräber in Noricum kaum bekannt sind, kann man zu vorrömischen Bestattungsbräuchen keine genauen Aussagen tätigen. Sicher weiß man, dass vom 6. bis zum 4. Jh. v.Chr. die Körperbestattung vorherrschte und ab dem 3. Jh. v.Chr. wieder vermehrt Brandbestattung verwendet wurde. Deshalb wird allgemein angenommen, dass bis zur römischen Okkupation diese Bestattungsart vorherrschte, Einzelbeispiele wie das Körpergrab eines Schmiedes der Spätlatènezeit (Ende 2. Jh. oder frühes 1. Jh. v.Chr.) nahe von St. Pölten mahnen jedoch diesbezüglich zur Vorsicht.
Auch die für römerzeitliche Hügelgräber mehrfach nachgewiesene Wiederverwendung von Grabhügeln aus der Hallstattzeit (8.–5. Jh. v.Chr.) lässt keineswegs den Schluss zu, dass hier eine Kontinuität im Grabbrauchtum geherrscht haben könnte, höchstens dürfte man von einer bewussten Tradierung, einer Wiederaufnahme für typisch gehaltenen örtlichen Brauchtums ausgehen.
Die frühesten Hügelgräberfelder in Noricum stammen aus dem Gebiet um das spätere Municipium Flavia Solva (Wagna, Stmk.). Sie werden in spätaugusteische Zeit (beginnendes 1. Jh. n.Chr.) datiert und weisen einheimischen Charakter auf, was anhand der Grabbeigaben, zum Beispiel den Keramikformen und dem Trachtzubehör, erkennbar ist. In claudischer Zeit (Mitte 1. Jahrhundert n. Chr.) wird bei den Grabbeigaben schon langsam römischer Einfluss sichtbar. Die einheimischen Beigabenbräuche bleiben jedoch trotz der römischen Importe (Terra Sigillata, Fibeln, Gläser etc.) erhalten. Erst ab der Regierungszeit des Vespasian (69-79) erscheinen italisch-römischen Bestattungsformen und Beigabensitten. Diese zeigen sich in der Verwendung von gemauerten Grabkammern, der Beigabe von Münzen und insgesamt wenigeren Grabbeigaben als zuvor.
Die Lage der Gräberfelder abseits der römischen Straßen und somit abseits des direkten römischen Einflusses, ließ vermuten, dass hier altes einheimisches Brauchtum wieder auflebte. Das Namensmaterial, das in den wenigen bei den Grabhügeln gefundenen Inschriften gefunden wurde, weist keltisch oder keltisch-römisch stämmige Namen auf, und zeigt, dass einheimische Bevölkerungsteile in den Grabhügeln bestattet wurden. Auch die Seltenheit von Grabinschriften, die mit Sicherheit einem Hügelgrab originär zugeordnet werden können und deren innerhalb der Hügelgräber sicher nicht frühe Stellung, zeigen, dass dieser typisch römische Grabbrauch für die in Hügeln bestattenden Bevölkerungsteile weitgehend unbekannt war oder sogar bewusst abgelehnt wurde.
Andererseits ist eine Ableitung der Hügelgräbersitte aus einem einheimischen norischen Grabbrauch wegen der zeitlich langen Lücke zwischen hallstattzeitlichen und römerzeitlichen Hügelbestattungen nicht wirklich stichhaltig. Das plötzliche Auftreten fast unmittelbar nach der Okkupation durch Rom könnte auch zu einer antirömischen Reaktion geführt haben, als deren mögliche Ausdrucksform das Hügelgrab entstand. Eine bisher wenig beachtete Tatsache ist, dass die norisch-pannonischen Hügelgräber – trotz ihres von der Forschung eingeführten und sogar etwas irreführenden Namens – eben gerade im Kerngebiet des regnum Noricum unbekannt sind. Im gesamten Mittel- und Westkärntner Raum (Gebiete von Virunum und Teurnia), dem slowenischen Gebiet westlich von Celeia, Osttirol (Aguntum)und das südliche Salzburg sind bisher keine Hügelgräber bekannt. Diese finden sich nur im ursprünglich tauriskischen und boischen Gebiet und anderen peripheren Regionen des regnum Noricum nach dessen plötzlicher Erweiterung in der zweiten Hälfte des 1. Jh. v.Chr. Die mit Rom seit eineinhalb Jahrhunderten befreundeten Norici und ihre verbündeten civitates haben demnach diese Sitte nie gepflogen, eher die Rom und Noricum feindlichen Stämme ringsum.
Vor kurzem wurde deutlich darauf hingewiesen,
dass die bisherigen Kartierungen, vor allem die bisher angenommene Ausbreitung
der Hügelgräber geringer Dichte in das mittel- und ostpannonische Gebiet und innerhalb städtischer Friedhöfe in der Limeszone, möglicherweise auch in die Irre führen. Von den von den Einheimischen errichteten einfachen Erdgrabhügeln sind nämlich Tumulusgräber italisch-mediterranen Typs abzusondern, die sich durch eine Umfassungsmauer
auszeichnen. Solche Grabbauten, wie sie am besten das Augustusmausoleum
in Rom verkörpert, sind in Noricum vor allem in den städtischen Siedlungen entlang der oder nahe der Militärgrenze, in Cetium (St. Pölten) und Lauriacum (Lorch bei Enns), außerdem in Nordwestpannonien in Carnuntum nachgewiesen worden. Dies würde das ältere Gegenargument entkräften, das gerade wegen dieser Verbreitung von Grabhügeln auch in römischen Städten oder stadtartigen Siedlungen eine vorrangige Beeinflussung bei der Entstehung
der Hügelgrabsitte von römischer Seite sehen wollte.
Zusammenfassend möchte man feststellen, dass die für Noricum typischen Ausformungen des Bestattungswesens neben dem allgemein verbreiteten Wunsch bei der Nachwelt nicht vergessen zu werden und im Falle eines Lebens nach dem Tod für dieses gerüstet zu sein, noch viele Fragen offen lassen. Bei den Grabbauten zeigt sich der römische Einfluss viel deutlicher als bei den Grabhügeln. Trotzdem finden sich auch bei der Ausstattung und Gestaltung der Grabbauten und Grabstelen einheimische oder – neutraler gesprochen – lokale Elemente, wie zum Beispiel die Darstellung der weiblichen Verstorbenen in der einheimischen Tracht oder die vor allem ab der Mitte des 2. Jh. n.Chr. auftretende Zierform des norisch-pannonischen Kymations, einer geschwungenen, mit Endvoluten gestalteten, fast barock anmutenden Zierleiste auf der Oberseite von Feldumrahmungen (Abb. 18 und 19). Dies kann einerseits als Hinweis auf mangelnder "Romanisierung", aber andererseits auch als stolzer Ausdruck lokaler, auf nostalgische Weise mit pseudokeltischen Traditionalismen unterfütterter Identität innerhalb der römischen Welt gedeutet werden.
Julia Stundner
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