Die colonia Augusta Raurica war 44 v. Chr. im Auftrag des Senats von Lucius
Munatius Plancus als Veteranenkolonie gegründet worden. Die zugehörige
Siedlung kann sich nicht im Bereich der späteren Stadt befunden haben,
da die Siedlungsaktivität erst im vorletzten Jahrzehnt v. Chr. einsetzt.
Möglicherweise befand sie sich vorher in Basel. Eine ältere einheimische
Siedlung ist ebenfalls nicht nachweisbar. Von Augustus war die Kolonie neu
gegründet worden und könnte den so rekonstruierten Namen geführt
haben: colonia Paterna Munatia Felix Apollinaris Augusta Emerita Raurica.
Der Ausbau der Stadt erfolgte vom 1. bis ins 3. Jh. n. Chr., ab ca. 40 entstanden die
ersten Gebäude in Stein. In der Kaiseraugster Unterstadt befand sich in
der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. (ca. 20-50) ein Militärlager. Phasen
intensiver Bautätigkeit können in der flavischen Zeit (ab 69 n. Chr.),
um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. und um das Jahr 200 beobachtet werden.
Die Stadtfläche von 106 ha fällt in zwei Siedlungsbereiche: die ältere
Augster Oberstadt mit 77 ha und die im frühen 2. Jh. n. Chr. für die Wohnbebauung
erschlossene Kaiseraugster Unterstadt mit 29 ha. Beide sind mit rechtwinkligem
Straßennetz versehen, allerdings mit abweichendem Vermessungsnetz. Zur
Oberstadt zählen 53 Gebäudeblocks (insulae) mit öffentlichen
Gebäuden und Wohnbauten, den westlichen Tempelbezirken und der and dem
an der südöstlichen Ausfallstraße orientierten Südquartier.
Die Stadt war teilweise von einer Befestigungsmauer umgeben, die in zwei Abschnitten,
dabei einmal mit einem Spitzgraben, nachgewiesen ist. Diese war nach der Mitte
des 1. Jh. n. Chr. entstanden. Die Mauer war nie als komplette Umwehrung fertig gestellt
worden. Statt eines Tores befand sich im Südwesten ein Durchlass mit zwei
Türmen.
Gesamtplan |
Insulaeinteilung |
Stadtansicht um 30 n. Chr. |
Stadtansicht um 240 n. Chr. |
Rekonstruktion des unvollendet gebliebenen östlichen Stadttores
während der Bauarbeiten |
Das Hauptforum (insula 11-12) war durch eine Straße zweigeteilt. Ein älteres Holzforum datiert um 20 n. Chr., der Ausbau in Stein erfolgte nach 70 n. Chr., ein Neubau nach 140. Am östlichen Ende des Platzes mit zwei flankierenden Kammerreihen lag die dreischiffige Basilia mit angebauter runder Kurie. Im westlichen Teil des Areals befand sich der Forumstempel mit einem Altar auf dem Vorplatz. Das Forum befand sich im Zentrum der Stadt. Hier fanden Gerichtsverhandlungen, Sitzungen des Rates des Dekurionen und wichtige geschäftliche Verhandlungen statt. Der Tempel war der Göttin Roma und Kaiser Augustus geweiht.
Grundrissplan des Hauptforums nach 140 n. Chr. mit
Ergänzung der
Mauerzüge |
Rekonstruktion des Innenraums der Forumsbasilika nach 140 n. Chr |
Forumstempel mit Grundriss und Rekonstruktion |
Das Südforum (insula 14) umfasste einen großen Innenhof mit Raumreihen, in denen Verkaufslokale untergebracht waren. Ein nordöstlich anschließender langrechteckiger Bau mit seitlichen Kammerreihen wird als Marktgebäude (macellum) gedeutet.
Die Zentralthermen (insula 32) entstanden im letzten Viertel des 1. Jh. n. Chr. anstelle von Wohnbauten und wurden im 2. Jh. n. Chr. ausgebaut. Sie waren im Norden und Süden über die Grenzen der insula hinaus gebaut und mit Mosaiken ausgestattet. Die Frauenthermen (insula 17) entstanden Mitte des 1. Jh. n. Chr. und wurden ebenfalls im 2. Jh. n. Chr. ausgebaut.
Grundrissplan der Zentralthermen mit Ergänzung der Mauerzüge |
Rekonstruktion Zentralthermen |
Grundrissplan der Frauenthermen im 2. Jh mit Ergänzung der Mauerzüge |
Ein aufgrund von Inschriften als Heilbad gedeuteter Gebäudekomplex mit hypokaustierten Räumen und Becken lag in der Grienmatt (westl. von insula 14). Er lehnte sich an eine ummauerten Komplex an, in dessen Mitte sich ein aufwändig gestaltetes Heiligtum mit Brunnenanlage (Nymphäum) befand. Von der Ausstattung hat sich eine marmorne Türeinfassung erhalten.
Grundrissplan des Heiligtums in der Grienmatt und
des Heilbades mit Ergänzung
der Mauerzüge |
Rekonstruktion des Heilbades in der Grienmatt |
Der Tempel auf dem Schönbühl entstand an Stelle eines ummauerten Bezirks wohl um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. In römischer Bautradition stehend, kann er anhand eines Inschriftenfragmentes möglicherweise als Merkurheiligtum zu identifiziert werden. Er war von einer Doppelportikus eingefasst. Sein Eingang bildet als städteplanerische Einheit eine Achse mit dem szenischen Theater.
Grundrissplan des Schönbühl-Heiligtums in der älteren
Phase |
Grundrissplan des Schönbühl-Tempels mit Rekonstruktion in
der jüngeren Phase |
Drei einheimische Heiligtümer, jeweils mit einer Mauer umgeben und einem
gallorömischen Umgangstempel befanden sich in der Flur Sichelen westlich
und südwestlich der insula-Bebauung.
Südwestteil
der Stadt mit den Tempelbezirken auf Sichelen.
Das szenische Theater war auf den Schönbühltempel ausgerichtet. In der ersten Phase (ca. 65-110) handelt es sich um ein szenisches Theater, das in der zweiten Phase (ca. 110-200) zu einem Arena- bzw. Amphitheater wird und in der dritten Phase (ab ca. 200) zu wiederum zu einem szenischen Theater umgebaut wurde. Die Zuschauerkapazität wird auf 7.000 bis 8.000 Personen geschätzt.
Erstes Theater (ca. 65-110) |
Zweites Theater, Ausbau als Amphitheater (ca. 110-200) |
Drittes Theater (ab ca. 200) |
Das Amphitheater war in einen Taleinschnitt eingebaut. Der nordwestliche Eingang war monumental mit Bogenkonstruktionen ausgeführt. 5.000 bis 6.000 Besucher fanden auf den Rängen Platz. Die Anlage wurde um 200 erbaut. | Ein erodierter Rundbau auf der mit einer Brücke verbundenen Rheininsel Gwerd wird als mögliches Heroon oder als Siegesdenkmal bzw. Monumentalgrab interpretiert. | Eine Herberge (mansio) befand sich sich südlich von insula 48. Auf
drei Seiten gruppierten sich teilweise beheizte Zimmer und eine Badeanlage
sowie Remisen um einen Hof. Der endgültige Ausbau der Anlage erfolgte im 3. Jh. n. Chr. Eine mögliche weitere Herberge befand sich etwas westlich (Region 5b). Als mögliches staatliches Unterkunftsgebäude (praetorium) gilt ein Bauwerk (insula 7) mit großem Innenhof und seitlichen Raumreihen. |
|
Grundrissplan Amphitheater |
Rekonstruktion Amphitheater |
Rheinbrücke und Insel Gwerd |
Grundrissplan Herberge (mansio) |
Von der über große Flächen zum Teil schon durch ältere Ausgrabungen bekannten Wohnbebauung werden exemplarisch wichtige Befunde vorgestellt. Anhand der Grundrisspläne lassen sich teilweise Parzellierungsschemata nachweisen. Auffallend große und reich ausgestattete Bauten fanden sich an verschiedenen Stellen innerhalb der Stadt (insula 1, 30, 34). Die meisten insulae weisen 5-10 Wohneinheiten auf, in denen auch Werkstätten bzw. straßenseitig Verkaufsläden lagen. Handwerker aller Art ließen sich im Stadtgebiet (insula 5, 16, 23, 24, 31) nachweisen, wobei die Töpfereien als feuergefährliche Betriebe in der Peripherie lagen (insula 52, 53). In der ab ca. 100 zivil bebauten Kaiseraugster Unterstadt befanden sich Streifenhäuser mit Wohn- und Gewerbebebauung.
Insula 24 Grabungsplan, Schematisierung und mögliche
Parzelleneinteilung (unten) |
Grundriss insula 23 mit Werkstätten und Wohnräumen |
Streifenhäuser in der Kaiseraugster Unterstadt mit mutmaßlicher
Parzelleneinteilung |
Im Norden der Augster Oberstadt (insula 1-2) begann die im Grundriss nicht nachvollziehbare Holzbebauung um 20 n. Chr. Eine Stichstraße zwischen den beiden Gebäuden wurde überbaut. Die Steinbebauung setze Ende des 1. Jh. n. Chr. ein. Anfangs noch mit seitlichen Tabernen ausgestattet, entstand in der jüngeren Steinbauphase (ab Mitte 2. Jh. n. Chr.) auf insula I ein villenähnliches Gebäude in einer Gartenlandschaft. Es handelt sich um ein Beispiel für eine gehobene Bebauung.
Grundriss der Mauerbefunde von insula 1 und dem Ostteil von insula 2 |
Rekonstruktion von Insula 1 und Ostteil von 2 in
der ersten Hälfte
2. Jh. n. Chr. Ansicht von Nordosten |
Rekonstruktion von Insula 1 und Ostteil von 2 ab der Mitte 2. Jh. n. Chr. Ansicht
von Nordosten |
Für das Gebäude auf der insula 30 ist die Funktion als Privathaus
oder als Unterkunfts- bzw. Vereinhaus umstritten. In seiner jüngsten Ausbaustufe
um 200 gruppierten sich prachtvoll ausgestattete Räume mit Mosaiken und
eine Badeanlage um einen großen Innenhof. Der Gebäudeblock hatte
im 1. Jh. n. Chr. aus zehn Holzbauten und später aus zwei bis drei Wohneinheiten
bestanden. Eine abweichende Entwicklung nimmt die benachbarte insula 31, die
in fünf Einheiten aufgeteilt war und als gewerbliche Einrichtungen
eine Metzgerei und eine kleine Markt(?)halle aufwiesen.
Im Südquartier (Region 4 und 5) entlang der Westtorstraße arbeiteten in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. Töpfereien. Gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. entstanden nördlich der Straße Streifenhäuser mit einer vorgelagerten Portikus und südlich der Straße im frühen 2. Jh. n. Chr. ein Hallenabau und innerhalb einer ansonsten unklaren Steinbebauung. Im fortgeschrittenen 2. Jh. n. Chr. blieb die Parzellierung nördlich der Straße weiterhin bestehen. Südlich davon entstand im westlichen Teil eine gut ausgestattete domus und östlich ein Bau mit zwei Innenhöfen und Bad, der als mögliches Unterkunftshaus gilt.
Die Südstadt in der ersten Hälfte 2. Jh |
Die Südstadt in der zweiten Hälfte
2. und ersten Hälfte 3. Jh |
Am Südrand der Bebauung der Kaiseraugster Unterstadt (Flur Schmidmatt) befand sich ein Bau mit kleinem Innenhof und zahlreichen gewerbliche Einrichtungen. So konnten Teile einer Gastwirtschaft (Raum 1-9) mit Lebensmittelkammer und Fleischsiederei sowie eine Tuchwalkerei (Raum 10-11) nachgewiesen werden. Der Baukomplex entstand im 2. Jh. n. Chr.
Grundriss des Gebäudes von Kaiseraugst-Schmidmatt |
Rekonstruktion des Gebäudes von Kaiseraugst-Schmidmatt |
Eine 6,5 km lange, gemauerte Wasserleitung führte das Wasser aus Liestal heran. Ein Verteiler befand sich im Süden der Stadt, von dem aus hölzerne und bleierne Druckwasserleitungen ausgingen. In der Unterstadt konnten Sodbrunnen nachgewiesen werden.
Sichtbare Reste
Ein Großteil der Stadt liegt innerhalb eines archäologischen Parks.
Dort sind zahlreiche Gebäude als Fundamente bzw. Teilrekonstruktionen
zu besichtigen. Das Theater wurde wieder aufgebaut.
Archäologischer Park in Augst. Luftbild des Ratsgebäudes
am Forum.
Museum
Funde aus Augusta Raurica werden im Römermuseum und Römerhaus in
Augst präsentiert.
Thomas Schmidts
W. Drack/R. Fellmann, Die Römer in der Schweiz (Stuttgart 1988) 323-337.
J. Ewald/M. Hartmann/Ph. Rentzel, Die römische Wasserleitung von Liestal nach Augst. Archäologie und Museum 36 (Liestal 1997).
A. R.Furger, Kurzführer Augusta Raurica. Führer durch Augst und Kaiseraugst 5 (Augst 1999).
A. R. Furger, Die urbanistische Entwicklung von Augusta Raurica vom 1. bis zum 3. Jahrhundert. Jahresbericht aus Augst und Kaiseraugst 15, 1994, 29-38.
A. R. Furger, Zur Wasserversorgung von Augusta Raurica. In: Mille fiori. Festschrift für Ludwig Berger (Augst 1998) 43-50.
Th. Hufschmid, Kastelen. 3. Die jüngeren Steinbauten in den Insulae 1 und 2 von Augusta Raurica. Untersuchungen zur baugeschichtlichen Entwicklung einer römischen Domus im 2. und 3. Jahrhundert n.Chr. Forschungen in Augst 23 (Augst 1996).
Th. Hufschmid/H. Sütterlin, Das Nebenforum von Augusta Raurica, ein macellum? Überlegungen zur Interpretation der "Forumsanlagen auf dem Neusatz". In: Mille fiori. Festschrift für Ludwig Berger (Augst 1998) 77-86.
L. Laur-Belart, Führer durch Augusta Raurica (Augst, 5. Aufl. 1988).
M. Martin, Bibliographie von Augst und Kaiseraugst 1911-1970. In: Beiträge und Bibliographie zur Augster Forschung, 1975, 289-371.
Out of Rome. Augusta Raurica/Aquincum. Das Leben in zwei römischen Provinzstädten. Ausstellungskatalog Augst/Budapest (Augst, Budapest 1997).
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M. Schaub/A. R. Furger, Panorama Augusta Raurica. 700 Jahre Stadtgeschichte in Rekonstruktionsbildern. Augster Museumshefte 31 (Augst 2001).
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K. Stehlin, Ausgrabungen in Augst 1890-1934. Forschungen in Augst 19 (Augst, 1994).
H. Sütterlin, Kastelen. 2. Die älteren Steinbauten in den Insulae 1 und 2 von Augusta Raurica. Forschungen in Augst 22 (Augst 1999).
Mit laufenden Berichten zu den Forschungen in Augst:
Forschungen in Augst 1, 1977 ff.
Jahresbericht aus Augst und Kaiseraugst 1,1980 ff.
Augster Museumshefte 1, 1976 ff.