Die erste römische Siedlung entstand im Zuge der Stationierung des Militärs ab ca. 72 n. Chr. Die Gründung des municipium Arae Flaviae wird entweder in die Regierungszeit Kaiser Domitians (81-96) datiert oder mit dem Abzug der Truppen um 110/115 n. Chr. in Verbindung gebracht. Während das Gelände der Militärlager westlich des Neckars auf dem Nikolausfeld frei blieb, wurden die übrigen Kastelle überbaut. Der Ausbau der Siedlung erfolgte vor allem im 2. Jh. n. Chr. Die Ortsbezeichnung Arae Flaviae kann als „flavische Altäre“ übersetzt werden. Daraus lässt sich ableiten, dass hier ein Heiligtum für Angehörige der flavischen Kaiserhauses (69-96 n. Chr.) bestand. Dieses konnte allerdings bislang nicht lokalisiert werden.
In Rottweil sind 5 Militärlager nachgewiesen. Westlich des Neckars lagen
die Kastell I und II, die auf einander folgten. Östlich des Neckars die
Kastelle III-V, die sich ebenfalls ablösten. Es ist die Anwesenheit von
Legions- und Auxiliartruppen belegt. Die militärische Besatzung endete
im frühen 2. Jh. n. Chr. Lediglich von Kastell III aus scheint sich ein zugehöriger
Vicus entwickelt zu haben.
Militärlager mit nachfolgender Bebauung
Das Straßennetz nahm die Wegeführung von Kastell III auf. Mit dem
Abzug des Militärs wurden in südlicher Richtung 200 m des ehemaligen
Kastellvicus aufgegeben. Dafür entstand eine parallele zweite Straßenachse
westlich der Hauptstraße. Es ergaben sich Gebäudeblocks von ca.
80 x 50-60 m. Das Municipium erhielt keine Stadtmauer. Seine besiedelte
Fläche betrug ca. 25 ha.
Gesamtplan der römischen Siedlung östlich
des Neckars
Das Forum lässt sich nicht sicher lokalisieren. Es könnte sich bei
dem als Villa A bezeichneten Komplex um eine Basilika (L. 50 m) mit anschließendem
Hof mit seitlichen Raumreihen handeln. In diesem Fall sollte allerdings der
auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegende Baukomplex zum Forum
gehören, da die Anlage ansonsten zu klein wäre. Der Baubeginn der
Anlage soll noch ins 1. Jh. n. Chr. datieren. Die südlich daran anschließende
Fläche (sog. forum) war nach geophysikalischen Untersuchungen
dicht mit Streifenhäusern bebaut. Eine Interpretation als öffentlicher
Komplex kann deshalb ausgeschlossen werden.
Modell des Stadtzentrums mit öffentlichen
Gebäuden
Innerhalb des ehemaligen Kastells III befand sich ein langrechteckiger Bau (48 x 16 m) mit Mittelgang und seitlichen Kammern, der sich als Marktgebäude (macellum) interpretieren lässt. Ein ebenfalls auf dem ehemaligen Kastellgelände befindlicher Bau (46 x 54 m), der als Villa C bezeichnet wird, bestand aus einem mit vier Flügeln eingefassten Innenhof. Zu diesem Bau gehörte wohl auch ein separates Badegebäude. Das Ensemble wird als Herberge (mansio) gedeutet.
Rekonstruktionszeichnung mit Herberge (links) und
Marktgebäude (rechts) |
Grundriss des Marktgebäudes |
Eine öffentliche Thermenanlage (42 x 40 m) lag im Westen der Stadt im
Bereich der heutigen Palagiuskirche. Die Datierung ist unklar, es könnte
sich um das weiter genutzte Bad von Kastell III handeln.
Grundriss
der Thermen bei der Pelagiuskirche
Eine sakrale Zone befand sich im Osten der Stadt. In deren südlichen Teil ist ein Tempelbezirk mit drei gallorömischen Umgangstempeln nachgewiesen. Auch beim dem nördlich davon gelegenen, als Villa B bezeichneten Baukomplex handelt es sich wohl um einen Umgangstempel. | Ein römisches Theater lässt sich aufgrund weniger Reste am Abhang der Prim in unmittelbarer Nähe zum zuvor genannten Umgangstempel vermuten. Ob er mit diesem eine Achse bildete, ist unklar. |
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Grundriss eines Umgangstempels (Villa B) |
Grundriss zweier gallorömischer Umgangstempel |
Mauerbefunde im Bereich des vermuteten Theaters |
In der Wohnbebauung herrschten Streifenhäuser vor. So ließ sich im Bau M eine Einteilung in fünf Parzellen nachweisen. Die Bauten mit gemeinsamen Zwischenwänden waren 15-23 m breit und bis zu 60 m lang. Zur Straße hin befand sich eine durchlaufende Portikus. Einer der Parzellen war mit einem Peristylhaus bebaut. Die Steingebäude wurden wohl im frühen 2. Jh. n. Chr. errichtet.
Grundrisse von Streifenhäusern mit ca. 10-15 m Breite und ca. 30 m Länge wurden südlich von Bau M wurden nachgewiesen. Südlich der ebenfalls als Streifenhäuser zu deutenden Villa G folgten nur noch Holzbauten, die maximal bis ins frühe 2. Jh. n. Chr. datieren und somit am ehesten dem Kastellvicus zuzurechnen sind. Der Übergang von der Holz- zu Steinbauweise in der Wohnbebauung erfolgte in Rottweil im 2. und 3. Jh. n. Chr. | |
Mauerbefunde südlich von Bau M nach Erdwiderstandsmessung |
Als repräsentativer Wohnbau der lokalen Oberschicht ist die nach einem Mosaikfund bezeichnete Orpheusvilla zu deuten. Der über sich über einen Gebäudeblock erstreckende Bau ist gut vergleichbar mit ähnlichen Gebäuden in den römischen Kolonien, etwa dem Peristylbau mit Dionysosmosaik in Köln.
Sichtbare Reste
Die Grundmauern der Thermen auf dem Nikolausfeld innerhalb des Kastells II
wurden konserviert. Im Untergeschoss der Palagiuskirche können die Hypokausten
der dort befindlichen Thermenanlage besichtigt werden. Vor der Kirche steht
ein römischen Wasserbecken.
Museum
Die römischen Funde sind im Dominikaner-Museum in Rottweil ausgestellt.
Thomas Schmidts
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Laufende Berichte zu den Ausgrabungen in Rottweil in:
Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1981 ff.