Municipium Aelium Augustum- Augsburg

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Gründung und Aufbau

Augsburg, dessen antiker Ortsname auch als Augusta Vindelicum überliefert ist, wurde von Kaiser Hadrian zum Municipium erhoben. Dies könnte anlässlich seiner Inspektionsreise durch die Provinz Raetien im Jahr 121 n. Chr. geschehen sein. Das municipium Aelium Augustum war die einzige mit einem Stadtrecht versehene Siedlung in der Provinz Raetien. Ob sie bereits zuvor bereits den Status eines Civitas-Vororts besaß, ist ungewiss. Zusätzlich erfüllte Augsburg auch die Aufgabe als Provinzhauptstadt Raetiens spätestens seit dem frühen 2. Jh. n. Chr. Zumindest eine Zeit lang könnte Cambodunum-Kempten zuvor als Hauptstadt gedient haben. Der Ausbau der Siedlung geschah insbesondere im 2. Jh. n. Chr.


Militärlager

Ein seit dem 2. Jahrzehnt n. Chr. existierendes Kastell mit einem Areal von 10-12 ha wurde in der Altstadt nachgewiesen. Als Besatzung werden Legionssoldaten und thrakische Hilfstruppen angenommen. Von der Innenbebauung kennen wir bislang lediglich Ausschnitte einer Baracke und eines Speicherbaus. An der Süd- und Westseite schlossen sich die Streifenhäuser des Kastellvicus an. Im Krisenjahr 69 n. Chr. wurden das Kastell und die zugehörige Zivilsiedlung großflächig zerstört. Das Militärlager wurde dann nicht wieder aufgebaut. Lediglich durch eine Vielzahl von Funden aus dem Lech in Augsburg-Oberhausen konnte ein möglicher weiterer Militärplatz (ca. 10-16 n. Chr.), eventuell ein Uferkastell, nachgewiesen werden. Im Westen der Stadt ist in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. auch ein Kleinkastell nachgewiesen.

Augusta Vindelicum-Augsburg. Grundriss des Militärlagers mit Ergänzungen.


Stadtanlage

Die besiedelte Fläche betrug vor dem Bau der Stadtmauer insgesamt 80 ha, danach 65 ha. Anhand der Straßenzüge lassen sich unterschiedliche Vermessungsnetze nachweisen. Innerhalb des ehemaligen Kastells behielt man die vorgegebene Verkehrsführung auch später bei. Die Orientierung später neu erschlossener Areale wich allerdings von diesem Schema ab. Die Aufsiedlung innerhalb des ehemaligen Kastells mit hölzernen Wohnbauten geschah bald nach der Aufgabe des Militärlagers. Im 2. Jh. n. Chr. begann der Ausbau mit öffentlichen Gebäuden und eine Erweiterung der Siedlung.

Die Stadtmauer entstand in den 60er Jahren des 2. Jh. n. Chr. Tuffquader verblendeten das Gussmauerwerk, davor lagen zwei Spitzgräben. Die vorspringenden Türme waren erst im 4. Jh. n. Chr. angebaut worden. Von den Toren ist lediglich das westliche bekannt. Abschnitte älterer Umwehrungen fanden sich im Norden der Stadt (Pfannenstiel).

Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Plan der römischen Stadt mit ergänztem Straßennetz.
Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Schnitt durch die römische Stadtmauer und einen rückwärtigen Verstärkungspfeiler.


Öffentliche Gebäude und Funktionsbauten

Vom Forum, das am Schnittpunkt der Hauptstraßen innerhalb des ehemaligen Kastells lokalisiert werden konnte, sind nur wenige Mauerzüge bekannt (Gesamtplan Nr. 5). Im Norden wurde es von einer zweischiffigen Basilika abgeschlossen. Aus dem Bereich eines vermuteten Vorbaus stammt rot bemalter Säulenputz. Als Größe des Forums würde sich bei der jetzigen Rekonstruktion ca. 125 x 75 m ergeben.

Auch die Bebauung nördlich und südlich des Forumsbereichs muss als unsicher gelten. Der nördlich der Basilika gelegene, unvollständig untersuchte Bau wurde als Tempel oder auch als Gebäude mit Amtsräumen gedeutet (Gesamtplan Nr. 16). Südlich des Forums befand sich ein weiterer, in Ausschnitten bekannter Gebäudekomplex. Der innerhalb eines Säulenumgangs gelegene Bau wird als mögliches Unterkunftshaus des Statthalters (Prätorium) angesehen. Diese Deutung beruht auch auf der nachgewiesenermaßen hochwertigen Ausstattung mit Mosaiken, Fresken und Marmorplatten (Gesamtplan Nr. 7).

Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Befunde im Bereich des Forums mit Ergänzungen und angrenzende Bauten.

Nordwestlich des Forums lag ein Großbau (72,5 x 44,5 m) aus dem 2. Jh. n. Chr.  mit einem lang gestreckten Innenhof (Gesamtplan Nr. 11). Der Innenraum war in vier Schiffe unterteilt. Das Gebäude diente als Markthalle (macellum). Es unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung der raetischen Provinzhauptstadt.

Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Gesamtplan des Marktgebäudes mit Ergänzungen.
Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Rekonstruktion des Marktgebäudes.

Öffentliche Thermenanlagen konnten bislang an drei Stellen in der Stadt nachgewiesen werden. Nordwestlich des Forums befand sich ein großes, mindestens zweiphasiges Badegebäude (Pettenkoferstraße; Gesamtplan Nr. 8). Aufgrund der dort entdeckten Wandmalerei wird die Entstehung ins frühe 2. Jh. n. Chr. datiert. Zur zweiten, südwestlich davon gelegene Badeanlage (Georgenstraße; Gesamtplan Nr. 9) liegen außer dem Grundriss keine Informationen vor. Westlich des Forums wurde in jüngerer Zeit der Ausschnitt eines Großbaus aus dem 2. Jh. n. Chr. untersucht (Äußeres Pfaffengässchen; Gesamtplan Nr. 4), der zunächst als Sitz des Statthalters galt, jetzt aber überwiegend als Bad angesehen wird.

Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Gesamtplan des Thermengebäudes (Pettenkoferstraße).
Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Gesamtplan des Thermengebäudes (Georgenstraße).

Nur wenige sichere Anhaltspunkte liegen für Sakralbauten vor. Ein Gebäude, dessen Grundriss auf einen Tempel schließen lässt, wurde vor dem ehemaligen Südtor des Lagers errichtet. Es könnte sich hier um einen Podiumstempel handeln (Gesamtplan Nr. 12). Da er ältere Fachwerkbauten überbaute, dürfte die Anlage noch nicht ins 1. Jh. n. Chr. gehören. Als unsicher gilt die Existenz eines Mithräums (s.u.). Ein geschotterter und wohl von einer Mauer eingefasster Platz lag am zentralen Schnittpunkt der Fernstraßen beim westlichen Tor des ehemaligen Lagers (Gesamtplan Nr. 21). Dort konnten Postamente für Statuen, jedoch keine weitere Bebauung nachgewiesen werden. Dieser Platz wird, ohne dass sich dies anhand von Funden bestätigen ließe, als heiliger Bezirk interpretiert. Da auch Spuren von Holzbauten fehlen, könnte er bereits im 1. Jh. n. Chr. errichtet worden sein. Eine Inschrift belegt die Wiederherstellung eines Tempels für Mars und Victoria.

Im Süden der Stadt (Hinteres Schwalbeneck; Gesamtplan Nr. 15) lag ein Ensemble aus drei Gebäuden, die ab dem späten 1. Jh. n. Chr. errichtetet wurden. Dazu gehörten ein Wohnbau, der zunächst als Fachwerkbau errichtet worden war, ein Badegebäude sowie ein weiterer, bereits oben als mögliches Mithrärum genannter Bau. Diese wurden als Herberge (mansio) oder auch aufgrund einer später als Spolie verbauten Inschrift als Benefiziarierstation gedeutet.

Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Plan der Herberge(?).


Wohnbebauung

Obwohl Wohnbauten an verschiedenen Stellen der Stadt untersucht wurden, ist die Kenntnis des Siedlungsgefüges noch lückenhaft. Der zum Kastell gehörige Vicus war an der Süd- und Westseite des Lagers gelegen. Dort befanden sich Streifenhäuser von Handwerkern und Händlern. Nach der Brandzerstörung im Jahr 69 n. Chr. erfolgte eine Neubebauung. Ab diesem Zeitpunkt entstanden auch Wohnbauten innerhalb des ehemaligen Kastells, das nun das Zentrum der Stadt mit dem im 2. Jh. n. Chr. entstandenen Forum bildete. Zusätzlich erschloss man im Norden und Westen neue Siedlungsareale. Dort entstanden im Gegensatz zur sonst üblichen Streifenbebauung auch breite Häuser mit komplexer Innengliederung. Die Holzbauweise wurde mindestens bis in das frühe 2. Jh. n. Chr. beibehalten, in Norden der Stadt wurden Steinbauten erst im 3. Jh. n. Chr. üblich.

Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Wohngebäude mit hypokustierten Räumen und Wasserbecken (Kilianstraße).

Ein großes, reich ausgestattetes Perstylhaus befand sich im Bereich des Domvorplatzes im Süden der Siedlung. Es entstand im 2. Jh. n. Chr. Im Stadtgebiet gibt es Hinweise auf weitere Wohnhäuser mit Hypokaustheizungen und einer Dekoration mit Wandmalerei und Mosaiken, so auch im nördlichen Stadtgebiet (Gesamtplan Nr. 17).

Municipium Aelium Augustum-Augsburg. Fachwerkbau vom Ende des 1. Jh. n. Chr. (Äußeres Pfaffengäßchen).


Hafenanlage

Eine römische Kaianlage des 1. bis 3. Jh. n. Chr. am Lech befand sich ca. 350 m östlich der Römerstadt. Die Untersuchung der Bauhölzer lieferte die Eckdaten für die Datierung.


Wasserversorgung

Eine Frischwasserleitung ist bislang nicht im Befund nachgewiesen, wird aber aufgrund von Luftbildern aus südlicher Richtung vermutet. Im Bereich des Westtores verliefen Holzkanäle mit ca. 0,9-1,5 m Querschnitt.


Museum

Römische Steindenkmäler und Funde aus Ausgsburg sind im Römischen Museum ausgestellt.

Thomas Schmidts


Auswahlbibliographie

L. Bakker, Die Provinzhauptstadt Raetiens: Augusta Vindelicum. In: Die Römer in Schwaben. Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 27 (München 1985) 86-90.

L. Bakker in: Die Römer in Bayern (Stuttgart 1995) 419-425.

L. Bakker, Augusta Vindelicum. Augsburgs Weg vom römischen Garnisonsort zur Hauptstadt Raetiens. In: Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer (Mainz 2000) 88-94.

G. Gottlieb, Das römische Augsburg. Mit einer Bibliographie von G. Rupprecht. Schriften der Philosphischen Fakultäten der Universität Augsburg 21 (München 1981).

G. Gottlieb (Hrsg.), Geschichte der Stadt Augsburg. 2000 Jahre von der Römerzeit bis zur Gegenwart (Stuttgart2 1985).

H.-J. Kellner, Augsburg, Provinzhauptstadt Raetiens. In: Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt II,5.2, 1976, 690-717.

L. Ohlenroth, Zum Stadtplan von Augusta Vindelicum. Zusammenfassender Vorbericht. Germania 32, 1954, 76-85.

S. Ortisi, Die Stadtmauer der raetischen Provinzhauptstadt Aelia Augusta-Augsburg. Die Grabungen Lange Gasse 11, Auf dem Kreuz 58, Heilig-Kreuz-Str. 26 und 4. Augsburger Beiträge zur Archäologie 2 (Augsburg 2001).

A. Schaub, Topographie und Stratigraphie des römischen Augsburg aufgrund neuerer Ausgrabungen. In: Römische Besiedlung zwischen Oberrhein und Enns. Schriftenreihe der Archäologischen Staatssammlung 3 (Grunbach 2002) 109-120.

A. Schaub, Zur Lokalisierung des Forums von Augusta Vindelicum. Archäologische Aspekte zur Diskussion über die Provinzhauptstadt Raetiens. In: Augsburger Beiträge zur Archäologie 3 (Augsburg 2001) 27-41.

A. Schaub/L. Bakker, Zur Stadtentwicklung des römischen Augsburg. In: Genese, Struktur und Entwicklung römischer Städte. Xantener Berichte 9 (Mainz 2001) 177-189.

J. Schumann/V. Rosenberger, Bibliographie zum römischen Augsburg. Jahresbericht Heimatverein Augsburg 1993/94, 125-132.

Laufende Berichte zu den Ausgrabungen in Augsburg:

Archäologisches Jahr in Bayern 1980 ff.