Brigantium-Bregenz, Vorort der Briganten (?)

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Gründung und Aufbau

Spätkeltisches Fundmaterial deutet eventuell auf eine Siedlung bereits in vorrömischer Zeit hin. Ob es sich dabei um ein Oppidum handelte, muss allerdings offen bleiben. Die frühesten römischen Funde aus Bregenz datieren ins letzte Jahrzehnt v. Chr. Sie werden als Beleg für einen möglicherweise nur kurzfristig besetzten römischen Militärposten angesehen, von dem allerdings bislang keinerlei Befunde bekannt sind. Als eigentlicher Beginn der Siedlung gilt das 2. Jahrzehnt n. Chr. Für die Zeit bis zur Mitte des 1. Jh. n. Chr. wird ein Militärlager angenommen.

Aussagen zur Entwicklung des Ortes sind nur schwer zu treffen, da nahezu alle relevanten Bauten im späten 19. Jh. n. Chr. ausgegraben wurden und somit ihre Chronologie bzw. mögliche Vorgänger unsicher sind. Mit dem Ausbau in Stein wird ab dem 2. Jh. n. Chr. gerechnet.

Der Status der Siedlung ist letztlich unklar. Als inschriftlichen Belege für die Existenz eines Zentralortes gelten zwei Meilensteine, die von Brigantium aus zählen sollen. Deren Lesung ist allerdings mittlerweile umstritten. Die bekannten Bauten mit einem stattlichen Forum würden allerdings gut zu einem Zentralort bzw. einer mit municipalem Recht ausgestattenen Siedlung passen. Letztlich wird man beim derzeitigen Kenntnisstand diese Frage allerdings offen lassen müssen. Ähnlich stellt sich die Situation in Cambodunum-Kempten dar.


Militärlager

Zu dem frühen Militärposten, dessen Identifikation sich auf Terra Sigillata-Funde augusteischer Zeitstellung stützt, liegen keine weiteren Erkenntnisse vor. Für das jüngere Militärlager gibt es einige Hinweise. So befanden sich im Süden der Siedlung ein Spitzgrabenabschnitt sowie Spuren von Holzbebauung, darunter ein als Stall identifizierter Bau, ein Teil einer möglichen Mannschaftsbaracke und ein Wasserbecken. Hinzu kommen zahlreiche Militariafunde. Über die Größe des Kastells oder auch stationierte Truppen können keinerlei Aussagen getroffen werden.


Stadtanlage

Der römische Stadtplan von Brigantium berücksichtigt ausschließlich die Steinbauten. Somit sind Aussagen zu älteren Holzbauten nicht möglich. Die Siedlung selbst befand sich auf dem Ölrain, einer Hochterrasse oberhalb des Bodensees. Am See lag noch der Hafen, von dem die Reste des spätantiken Kriegshafens ausgegraben wurden. Die bekannten bzw. rekonstruierten Straßenzüge weisen, soweit dies topographisch möglich war, auf eine Anlage mit rechteckigen Straßenzügen, die nach dem Abzug des Militärs, wohl noch im 1. Jh. n. Chr. angelegt wurden. Die wichtigste Achse bildete die weiter nach Kempten führende Hauptstraße, an der auch das Forum lag. Auffällig ist, dass sämtliche bekannten öffentlichen Gebäude und die besser ausgestatteten Privathäuser auf der dem Bodensee zugewandten Nordseite der Straße lagen. Eine Stadtmauer hat Brigantium nicht besessen. Die besiedelte Fläche auf dem Ölrain lässt sich derzeit nur schwer abschätzen; aufgrund der bekannten Strukturen dürfte sie jedoch nicht mehr als 20 ha betragen haben.

Brigantium-Bregenz. Plan der römischen Befunde mit Gräberfeld und Hafen.
Brigantium-Bregenz. Plan der römischen Befunde im zentralen Siedlungsbereich.
Brigantium-Bregenz. Modell der Siedlung. Blick von Norden.


Öffentliche Gebäude und Funktionsbauten

Das Forum (96,5 x 54,6 m) war von einer Mauer umgeben, die durch äußere Strebepfeiler gegliedert war (Gesamtplan Nr. 15). Den Hof umgaben an allen Seiten offene Säulenhallen. Im Inneren befanden sich drei große Fundamentplatten, auf denen sich Standbilder befanden. Aufgrund ihrer Größe kämen auch Reiterstandbilder in Betracht. Bronzene Fragmente von diesen Denkmälern wurden im Bereich des Forums gefunden. Ebenfalls im Innenhof lag ein unvollständig aufgedecktes zweiräumiges Gebäude, das als Kultbau gedeutete wird. Ein an der Rückseite des Forums gelegener Trakt mit mehreren beheizbaren Räumen diente wohl Verwaltungszwecken. Der repräsentativ gestaltete Eingang ist Ergebnis einer nachträglichen Baumaßnahme. Ansonsten sind zur Entstehung bzw. Umbauten keine näheren Angaben möglich.

Brigantium-Bregenz. Grundriss des Forums.

Eine große öffentliche Thermenanlage (Gesamtplan Nr. 9) befand sich westlich des Forums an der Hauptstraße. Außer dem Grundriss ist wenig zu dieser Anlage bekannt. Innerhalb eines umschlossenen Areals befanden sich neun teilweise beheizbare Räume (ca. 40 x 40 m), die, ebenso wie ein Entwässerungskanal, eindeutig auf eine Badeanlage schließen lassen. Zur Datierung des Bauwerks sind keine Aussagen möglich. Direkt westlich schloss sich ein Areal mit einer zweischiffigen Halle und einem zur Straße hin gelegenen Hofbereich an, die als Wandelhalle interpretiert wird. Ein direkter Zugang von den Thermen fehlt. Ob überhaupt ein Zusammenhang zu diesen bestand, ist unklar.

Brigantium-Bregenz. Grundriss der öffentlichen Thermen.

Östlich des Forums lag innerhalb einer Ummauerung (32,5 x 25,9 m) ein Podiumstempel mit einer wohl dreigeteilten Cella, was auf die Verehrung der Staatsgötter Iupiter, Iuno und Minerva schließen lässt (Gesamtplan Nr. 19). Eine hier gefundene Inschrift war allerdings allen Göttinnen und Göttern geweiht. Wohl aus diesem Bereich stammt auch ein Depotfund mit etwa 80 Fibeln aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr., bei denen es sich um ein Bauopfer handeln dürfte. In östlicher Richtung der Hauptstraße folgend erreichte man dann einen kleinen Tempelbezirk, von dem Reste der Ummauerung sowie zwei Umgangstempel und eine Kapelle bekannt sind (Gesamtplan Nr. 38-41). Ob es sich bei der westlich des Forums festgestellten Ummauerung (Gesamtplan Nr. 75) um einen weiteren Kultbezirk handelte, ist unklar.

Brigantium-Bregenz. Tempel östlich des Forums.

Weitere mögliche öffentliche Komplexe sind in ihrer Deutung umstritten. Unmittelbar östlich des Forums befand sich ein nur teilweise bekanntes Gebäude (Gesamtplan Nr. 16), dessen Architektur mit seitlichen Hallen als Hinwies auf eine öffentliche Funktion gewertet wurde. Wahrscheinlicher ist jedoch eine Deutung als Wohnhaus (s.u.). Für drei Häuser am westlichen Ende der Hauptstraße (Gesamtplan Nr. 5-7) wurde eine Funktion als Rast- bzw. Unterkunftshäuser in Erwägung gezogen. Allerdings erscheint eine Deutung als öffentlicher Bau lediglich für das U-förmige Gebäude mit Innenhof und seitlichen Kammerreihen (Nr. 7) denkbar, da hier auch ein Eichblock gefunden wurde.

Brigantium-Bregenz. Fragment des steinernen Eichblocks. Die Vertiefungen dienten zur Berechnung von Hohlmaßen.


Wohnbebauung

Die in Bregenz nachgewiesenen römischen Wohnbauten verfügen über eine unterschiedliche Größe und Ausstattung. Dabei zeigt sich, dass einfachere Häuser von Händlern und Handwerkern mehrheitlich südlich der Hauptstraße lagen und die bislang bekannten, besser ausgestatteten Häuser nur nördlich der Hauptstraße nachgewiesen werden konnten. Am häufigsten sind langrechteckige Streifenhäuser bekannt. Die Schmalseite zur Straße hin wurde von einer Portikus abgeschlossen. Im vorderen Teil befanden sich Verkaufsräume, im hinteren Teil Werkstätten und Wohnräume. Die Baukörper erreichten dabei Längen von bis zu 55 m (z. B. Gesamtplan Nr. 5; 8; 23-34; 55). Daneben finden sich im römischen Stadtplan aber kleinere Häuser, die vom beschriebenen Schema abweichen.

Brigantium-Bregenz. Streifenhäuser südlich der Hauptstraße.

Nördlich der Hauptstraße bzw. der Siedlung befanden sich mehrere große, reich ausgestattete Häuser. Charakteristisch war dabei der Bezug zur Landschaft, wobei Höfe bzw. Wandelhallen nach Norden zum Bodensee hin ausgerichtet waren. So lagen im östlichen Teil der Siedlung zwei große Atriumhäuser (Gesamtplan Nr. 17-18). Bei dem bereits erwähnten, ebenfalls an das Forum angrenzenden Gebäude (Gesamtplan Nr. 16), dürfte es sich um ein reiches Wohnhaus handeln, das zum Bodensee hin mit einer Wandelhalle abschloss. Zumindest eines der beiden am westlichen Ende der Hauptstraße gelegenen Häuser (Gesamtplan Nr. 6) lässt sich wohl ebenfalls als Peristylhaus interpretieren. Gleiches gilt für ein weiteres Gebäude mit offenem Hof (Gesamtplan Nr. 7), falls es nicht eine öffentliche Funktion erfüllte (s.o.).

Brigantium-Bregenz. Atriumhaus östlich des Tempels.
Brigantium-Bregenz. Häuser am westlichen Ortsrand.

An der Kante des Ölrainplateaus bzw. seinem Abhang lagen zwei villenartige Komplexe (Gesamtplan Nr. 14; 20). Das Gebäude nahe beim Forum (50 x 44 m) verfügte über einen großen Innenhof, an den sich Wohn- und Wirtschaftsräume sowie ein Badetrakt anschlossen. Von der hochwertigen Innenausstattung hatten sich noch Reste von Wandmalereien und Marmorverkleidungen überliefert. Bei der hangabwärts gelegenen, sogenannten Villa am Steinbühel umgab eine Raumreihe den zentralen Innenhof (10 x 22,8 m). Dieser Grundriss hatte auch zur Vermutung geführt, dass es sich um ein öffentliches Gebäude handelte (s.o.). Ein Gartenteil war von einer Wandelhalle eingefasst. Zu dem Anwesen gehörte auch ein separates Badegebäude.

Brigantium-Bregenz. Villa westlich des Forums.
Brigantium-Bregenz. Grundriss des Hauptgebäudes der sogenannten Villa auf dem Steinhübel.
Brigantium-Bregenz. Rekonstruktion des Hauptgebäudes der sogenannten Villa auf dem Steinhübel.


Hafen

Das am Bodensee gelegene Hafenviertel dürfte eine repräsentative Ausgestaltung erfahren haben. Allerdings ist unser Kenntnisstand bislang zu gering, um sichere Aussagen zu treffen. Mehrere Säulenstellungen wurden zu einer Säulenstraße rekonstruiert, ein Hafentempel aufgrund von Säulenfunden postuliert und Thermen wegen eines Gebäudeausschnitts mit Hypokaustheizung angenommen. Die Funde aus dem Bau selbst datieren in spätantike Zeit.

Brigantium-Bregenz. Stark ergänzter Plan des Hafenviertels.
Brigantium-Bregenz. Rekonstruktion des Hafenviertels.


Sichtbare Reste

Die Grundmauern der Villa auf dem Steinbühel sind konserviert und können besichtigt werden.


Museum

Funde aus dem römischen Bregenz sind im Vorarlberger Landesmuseum ausgestellt.

Thomas Schmidts


Literatur (Auswahl)

Das römische Brigantium. Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums 124 (Bregenz 1985).

Ch. Ertel, Landschaftsbezogenes Bauen in Brigantium. Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereins 134, 1990, 63-86.

Ch. Ertel, Das römische Hafenviertel von Brigantium/Bregenz. Schriften des Vorarlberger Landesmuseums Reihe A: Landschaftsgeschichte und Archäologie 6 (Bregenz 1999).

P. Gleischer, Topographisches zum antiken Brigantium. Montfort 37, 1985, 283-290.

G. Grabher, Bregenz/Brigantium. Archäologie Österreichs 5/1, 1994, 59-66.

N. Heger, Die Skulpturen der Stadtgebiete von Aguntum und von Brigantium. Corpus signorum Imperii Romani Österreich 3/4 (Wien 1987).

A. Hild, Brigantium und seine Vorzeit. Jahrbuch des Vorarlberger Landesmusvereins 95, 1952, 28-43.

M. Kandler, Bilddokumente zum Forum von Brigantium. In: Archäologie in Gebirgen. Festschrift E. Vonbank (Bregenz 1992) 131-136.

M. Konrad, Ein Fibel-Depotfund aus Bregenz (Brigantium): Weihefund in einem Tempel? Germania 72/1, 1994, 217-229.

M. Konrad, Neue archäologische Ergebnisse zum Beginn des römischen Bregenz. Jahrbuch des Vorarlberger Landesmusvereins 133, 1989, 19-25.

B. Overbeck, Geschichte des Alpenrheintals in römischer Zeit auf Grund der archäologischen Zeugnisse. Teil I: Topographie, Fundvorlage und historische Auswertung. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 20 (München 1982) 20-34.

H. Swozilek, Brigantium und Vorarlberg zur Römerzeit – kleine Bibliographie. Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereins 130, 1986, 53-58.

H. Swozilek (Hrsg.), Römische Villa auf dem Steinbühel (Bregenz 1991).