grijs.gif
Am westlichen Rand des Wiener Beckens, auf dem Leopoldsberg, befand sich bis an den Beginn der augusteischen Zeit ein boisches Oppidum, weitere Siedlungsreste und Töpferöfen wurden im 3. Bezirk aufgefunden, wo sich später die römische Zivilsiedlung ausbreitete. Deren Name Vindobona geht vielleicht auf einen Kelten Vindo (Gutshof des Vindo) zurück. Der Raum um Vindobona gehörte seit der Niederlage der Boier gegen die Daker nach der Mitte des 1. Jh. v.Chr. bis in die frühe Kaiserzeit zum regnum Noricum, spätestens seit Claudius zu Illyricum bzw. Pannonien, ab Traian zur Provinz Pannonia superior.
Früheste Spuren römischen Militärs könnten aus augusteisch-tiberischer Zeit stammen, in den Jahren nach 80 n.Chr. wurden ein Legionslager und ein Reiterkastell im 1. Bezirk angelegt.
Von den sich ab dem ausgehenden 1. Jh. n.Chr. entwickelnden Canabae legionis im Südwesten, Süden und Osten des Legionslagers, deren bauliche Ausdehnung ca. 94 ha betragen haben dürfte, sind nur wenige Hausstrukturen am Michealerplatz und auf der Freyung punktuell ergraben, außerdem Töpferöfen am Neuen Markt. Die Gräberfelder sind besser, aber ebenfalls nur ausschnitthaft bekannt.
Die Zivilsiedlung Vindobona im 3. Bezirk (Wien-Landstraße) am Rennweg, der mit der Verbindungsstraße der Legionslager Vindobona und Carnuntum identisch ist, entwickelte sich seit dem mittleren bis ausgehenden 1. Jh. als Straßendorf. Nur eine, in der Renaissance aufgenommene und leider wieder verloren gegangene Inschrift bezeugt den Status der Siedlung als municipium. Nahm man früher eine formale Stadtgründung erst unter Kaiser Caracalla (211–217) an, deuten einige Indizien wie eine Städteliste der Provinz Pannonia superior aus Rom selbst eine Stadterhebung bereits unter Hadrian an.
Der Wiener Raum in römischer Zeit
Die früheste Anwesenheit von Militär in Vindobona bezeugt ein möglichweise noch vor Claudius gesetzter Grabstein eines aktiven Legionärs der legio XV Apollinaris. Das Legionslager im 1. Bezirk dürfte aber erst in domitianischer Zeit über älteren Siedlungsspuren errichtet worden sein. Bis 101 n.Chr. lag hier die legio XIII Gemina, dann vermutlich nur bis 114 die legio XIV Gemina Martia Victrix. Von beiden Legionen sind Bauinschriften für das Lager überliefert. Von spättraianischer Zeit bis zum Ende der Römerzeit in Pannonien im 5. Jh. diente Vindobona als Standlager der legio X Gemina.
Ein Hilfstruppenlager könnte schon vor dem Legionslager kurzfristig bestanden haben. Sicher ist, dass in domitianischer und frühtraianischer Zeit eine ala I Flavia Augusta Britannica milliaria civium Romanorum in Vindobona stationiert war, anschließend bis um 118/119 eine ala I Batavorum. Dieses Reiterlager könnte sich nach neuesten Forschungen am ehesten westlich vom Legionslager im Bereich Schottenring – Votivkirche befunden haben.
Übersichtsplan: Das Flusssystem
Als Mittelachse (decumanus maximus) des Municipiums diente sicher die mit der Linie Rennweg – Aspangstraße identische Fernstraße (sog. Limesstraße), Eine Straße zwischen Hausbauten beim Rennweg. An drei Stellen entdeckte Spitzgräben markieren die Siedlungsgrenzen. Zwei Gräben laufen ungefähr parallel zum Rennweg und beweisen eine Nord-Süd-Erstreckung der Siedlung von maximal 300 m. Die südöstliche Grabenecke liegt beim Aspangbahnhof. Die von hier am weitesten entfernt liegenden Hausreste im Westen (Rennweg 12–14) zeigen eine Mindestlänge der Stadt von etwa 1,4 km an, womit das geplante Siedlungsareal über 40 ha betragen haben dürfte. In der gesamten Osthälfte kamen bisher fast nur Gräber des Vicus des 1. Jh. zum Vorschein, allerdings liegen gerade hier vermutlich das Forum und eine Badeanlage. Die erwähnten, seit flavischer Zeit bewohnten Häuser liegen beidseits einer auf den Rennweg rechtwinkelig zulaufenden Straße, womit wenigstens ein Hinweis auf einen rechtwinkeligen Straßenraster vorliegt. Insgesamt ergibt sich, dass im westlichen Teil des Municipiums ein älterer Vicus vorhanden war, die Osthälfte aber erst nach der Stadterhebung besiedelt wurde; in diesem neuen Siedlungsraum konnten die öffentlichen Anlagen ohne besitzrechtliche Probleme errichtet werden.
Fundstellen des späten 1. Jh. n.Chr |
Ausdehnung des municipium Vindobonense |
Die Lage des Forums ist unbekannt. Nach dem Fundort von Teilen je einer bronzenen und marmornen Iuppiter- und Kaiserstatue beim Bau des Wiener Neustädter Kanals im 19. Jh. läge das Forum im östlichsten Teil der Stadt beim heutigen Ziakplatz.
Eine kleine Thermenanlage (Breite ca. 26 m, ergrabene Länge 23 m) des 2./3. Jh. wurde bereits zu Beginn des 20. Jh. an der Oberzellergasse nördlich des Hauses Rennweg 87 untersucht.
Badeanlage
An mehreren Stellen im 12. und 23. Bezirk, also im. Südwesten Wiens (z.B. Wundtgasse, Rosenhügel), wurde eine gemauerte Fernwasserleitung angeschnitten, deren Zielort (Legionslager oder Municipium) unbekannt ist.
Im modernen Stadtgefüge waren bisher nur selten größere zusammenhängende Grabungsflächen möglich, in denen ganze Hausgrundrisse erforscht werden hätten können. Entlang des Rennwegs und seiner Seitengassen sind seit dem 18. Jh. an mehreren Stellen Ausschnitte von Häusern, meist in Verbindung mit Handwerksbetrieben, vor allem Töpferöfen, aufgedeckt worden. Die meisten Wohnbauten wurden als Fachwerkhäuser, mit oder ohne Steinmauersockel errichtet. Soweit erkennbar, handelt es sich teilweise um langegezogene Streifenhäuser, teilweise, vor allem bei der Ausführung mit Stein(grund)mauern um blockförmige Grundrisse mit meist zwei parallelen Raumreihen.
Häuser des 1./2. Jh. n.Chr. am Rennweg 12–14
Vom Legionslager sind unter dem Hohen Markt kleine Teile zweier Tribunenhäuser, Architekturstücke, Inschriften und gestempelte Ziegel zu besichtigen, im Haus Am Hof 9 ist ein Stück des Abwasserkanals unter der via sagularis erhalten. Im Keller des Hauses Naglergasse 26 ist ein Teil des Lagersüdwestturms verbaut. Von den canabae legionis und dem Municipium gibt es keine zugänglichen Befunde in Originallage. Auf der Freyung stehen Vitrinen mit römischen Funden, hauptsächlich Keramik, aus der dortigen Grabung.
Die meisten Funde aus Wiener Boden werden im Wien-Museum (Karlsplatz) aufbewahrt, einige herausragende Fundstücke, vor allem Steindenkmäler, im Kunsthistorischen Museum (Burgring).
P. Donat – E. Pichler, Überlegungen zur Entstehung der Zivilsiedlung von Vindobona, in: Akten des 9. Österreichischen Archäologentages am Institut für Klassische Archäologie der Paris-Lodron-Universität Salzburg vom 6. bis 8. Dezember 2001, hrsg. v. B. Asamer – W. Wohlmayr (Wien 2003) 27f., Taf. 5 Abb. 21.
P. Donat – E. Pichler – H. Sedlmayer, Aspekte spätkeltischer und frührömischer Siedlungsentwicklung in Wien-Landstraße, Fundort Wien 5, 2002, 76–100.
P. Donat – S. Sakl-Oberthaler – H. Sedlmayer et al., Die Wohnbereiche der canabae legionis von Vindobona. Befunde und Funde der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), Fundort Wien 8, 2005, 3–90.
R. Gietl – M. Kronberger – M. Mosser, Rekonstruktion des antiken Geländes in der Wiener Innenstadt, Fundort Wien 7, 2004, 32–53 (= Forum Archaeologiae 28/IX/2003; http://farch.net).
M. Großmann, Untersuchungen zum Iuppiter- und Kaiserkult im municipium Vindobonense – ein Diskussionsbeitrag, Fundort Wien 7, 2004, 198–210.
O. Harl, Vindobona. Das römische Wien, Wiener Geschichtsbücher 21/22 (1979).
F. Krinzinger (Hrsg.), Vindobona – Beiträge zu ausgewählten Keramikgattungen in ihrem topographischen Kontext, Archäologische Forschungen 12 (2005).
M. Kronberger, Siedlungschronologische Forschungen zu den canabae legionis von Vindobona. Die Gräberfelder, Monografien der Stadtarchäologie Wien 1 (2005).
M. Kronberger – M. Mosser, Vindobona – legionary fortress, canabae legionis and necropolis, in: Ph. Freeman – J. Bennett et al. (Hrsg.) Proceedings XVIIIth Internat. Congress of Roman Frontier Studies (Sept. 2000), British Archaeological Reports, Internat. Ser. 1084, II (2002) 573–584.
I. Mader, Vindobona. Die zivile Siedlung, in: M. Šašel Kos – P. Scherrer (Hrsg.), The Autonomous Towns in Noricum and Pannonia – Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien: Pannonia II, Situla 42 (2004) 67–74.
M. Mosser, Zivile und militärische Aspekte in der Nutzung des Legionslagerareals von Vindobona, in: Die norisch-pannonischen Städte und das römische Heer im Lichte der neuesten archäologischen Forschungen. II: Internationale Konferenz über norisch-pannonische Städte, Budapest-Aquincum 11.–14. September 2002, Aquincum Nostrum II 3 (2005) 159– 178.
M. Mosser, Zur Präsentation des Legionslagers Vindobona im Rahmen der Science Week 2002; in: Forum Archaeologiae 24/IX/2002; http://farch.net.
A. Neumann, Die Skulpturen des Stadtgebietes von Vindobona, CSIR Österreich I 1 (1967).
I. Piso, Municipium Vindobonense, Tyche 6, 1991, 171–177.
I. Weber-Hiden, Die reliefverzierte Terrasigillata aus Vindobona, Wiener Archäologische Studien 1 (1996).
Grabungsberichte und Studien seit 1998 jährlich in: Fundort Wien, Berichte zur Archäologie.