Römisch-germanische ländliche Niederlassung des "Typs Villa Rustica" in Bratislava-Dúbravka

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Nur 4 km von der Kreuzung zweier transeuropäischer Handelswege - Des Bernstein- und Donauweges, am Zusammenfluß der Donau mit der March, befindet sich in Bratislava-Dúbravka (200 m. u. M.) eine der bedeutsamsten archäologischen Fundstellen des mittleren Donauraums. Die Fundstelle befindet sich in einem Tal das von den bewaldeten Hängen der südlichsten Ausläufer der Kleinen Karpaten umgeben ist. Das Tal ist nur in Richtung Norden und Nordwesten geöffnet und bietet so Schutz vor den Winden die über das Bratislavaer Tor blasen. Die Fundstelle umfließt von der südlichen und östlichen Seite ein Bach. Etwa in der Mitte des Tales befindet sich eine mit Schilf bewachsene Depression, vielleicht in der Vergangenheit ein kleiner Teich. Im südlichen Teil des Tales befindet sich eine starke Wasserquelle. Genügend Trinkwasser, Ackerland, der nahe Wald mit genügend Holz und ausreichend Weideland boten seit jeher außerordentlich günstige Lebensbedingungen. Die Besiedlung der Fundstelle war seit dem späten Palaeolithikum (10 000-8 000 v.Chr.) mit Unterbrechungen bis ins Mittelalter (13.Jhrt n.Chr.) besiedelt gewesen.

Kurz nach dem Bruch der Zeitrechnung kommen in den Raum des Bratislavaer Tores die Germanen, welche die Reste der keltischen Bevölkerung assimilierten. Es beginnt die Römerzeit und die Germanen siedelten hier seit dem 1. bis zum Anfang des 5. Jahrhunderts n.Chr. In Bratislava-Dúbravka konnten während der Römischen Kaiserzeit drei Hauptbesiedlungsphasen festgestellt werden (1., 3. und 4. Jhrt).

Während der ersten Zeitphase, die in ältere römische Zeit gehört (2.Hälfte des 1.Jahrhunderts), dienten als Wohnhäuser eingetiefte Grubenhäuser mit zwei- oder sechspfosten Konstruktion. Ihre Wände waren aus Ästen geflochten und mit Lehm verputzt. Die Dächer wurden mit Schilf- oder Strohbündeln abgedeckt. Bestandteil der Siedlung war auch eine Eisenverhüttungswerkstatt mit mehreren Rennöfen.


Während der Grabung konnte die am besten und kompaktesten erhaltene römische Architektur vom slowakischen Gebiet untersucht werden. Die Grundmauern mit Teilen des Oberhalb der Oberfläche erhaltenen Mauerwerks erreichen bis 150 cm und bilden einen viereckigen Grundriß von 13x11 m. Zum Bau gehören auch drei ungleich große Apsiden. Die Grundmauern mit einer Mauerstärke von 56-62 cm waren nach römischer Bauart aus drei Schichten von schräggelegten Bruchsteinen gefertigt (opus spicatum), jede Schicht war etwa ein römische Fuß dick. Als Verbindung diente qualitätvoller römischer Mörtel. Nach den Analogien vom Bereich der römischen Provinzen, ist es möglich den Bau als ein römisches Bad vom Kreistyp zu interpretieren. Die Apsiden sollten als Bassins für kaltes (Frigidarium), warmes (Tepidarium) und heißes (Caldarium) Wasser dienen. Zwei an die Bassins anschließende rechteckige Räume waren für warme und heiße Luft bestimmt. Der Raum in L-Form könnte als Ablege- oder Umkleideraum dienen. (Abb. 3 u. 4)

Aus den Gebäuderuinen konnten neben den Bausteinen auch Tausende Dachziegelbruchstücke und farbige Mörtelbruchstücke, die vom Innenverputz der Wände stammten, geborgen werden. Die Dachziegelbruchstücke (tegulae und imbrices) wurden in Privatwerkstätten Pannoniens erzeugt, die Analogien mit den Namen der Hersteller: SEP(timii) VITa(lis) a CENT KARVS stammen aus Carnuntum-Petronell und Vindobona-Wien. Eine interessante Tatsache ist, das im Bad die Bodenheizung des Tepidariums und Caldariums fehlt, die Heizung war in Bädern der römischen Provinzen allerdings immer vorhanden. Der römische Architekt änderte wahrscheinlich das Projekt und die Funktion des Bades, er hat das Objekt zu einem Steinbau mit nur der Inbetriebnahme des kalten Bades umfunktioniert. Von den Innenräumen stammen zahlreiche Funde: römische Keramik, mehrfarbiges Mosaikglass, Bronzefibeln, Bruchstücke von keramischen Weinbechern aus Trier (Augusta Treverorum), Münzen der römischen Kaiser Alexander Severus (222-235) bis Gallienus (253-268) usw. (Abb. 5 u. 6)

Ähnliche Bauten, welchen in den Provinzen als römische Bäder dienten, waren am Lande ein Bestandteil der zivilen Niederlassungen des Typs "Villa Rustica". Diese römischen Gutshöfe waren produktive selbstständige Einheiten. Zu ihrem Bestandteil gehörten neben dem Bad meistens auch: der Wohnsitz des Eigentümers und seiner Familie, mehrere Wirtschaftsgebäude, ein Heiligtum usw.

Die Römer wurden sich in der Zeit der außerordentlichen Prosperität Pannonies unter den Severern (Septiums Severus war im Jahre 193 n. Chr. in Carnuntum zum Kaiser ausgerufen) der Tatsache bewußt, das es nötig ist genügend Lebensmittel für die Provinzhauptstatt Carnuntum zu sichern. Das war wahrscheinlich der Hauptgrund für die geplante Nützung des Limesvorfelds für landwirtschaftliche Zwecke. In Bratislava-Dúbravka, die nur 5 km von Carnuntum entfernt lag, waren günstige Bedingungen für die Entstehung des Gutshofs vom Typ "Villa Rustica". Wahrscheinlich entstand hier die Niederlassung des genannten Typs im Laufe des 1.Drittels des 3.Jhrts. Neben der Architektur des Bades bezeugen das die Reste eines vom Bad 80 m östlich sich befindenden Hallenpfostenbaues. Der Grundriß nahm eine Fläche von 14x12 m ein. Das Dach des Gebäudes war ähnlich wie das Dach des Bades mit römischen Dachziegeln abgedeckt. Das bezeugen Dachziegelfragmente aus den Verfüllungen der mächtigen Pfostenlöcher von etwa 1 m Durchschnitt. Zur Datierung des Baues ins 3.Jhrt trägt auch eine Münze des Alexander Severus (222-235 n. Chr.) und Sigillaten bei. Er diente wahrscheinlich für landwirtschaftliche Zwecke, vielleicht als ein Getreidedepot. Im 2.Drittel des 3.Jhs kommt es in der unruhigen Zeit der römischen Militärkaiser zur einen Verschlechterung der römisch-germanischen Beziehungen und kurz darauf zum Untergang der ländlichen Niederlassung. Zu den bisher ungelösten Fragen gehört die Frage wer die ländliche Niederlassung errichten ließ. Es ist möglich, das es kein Römer, sondern ein vom Militärdienst zurückgekehrter Veteran war, der ursprünglich vom barbarischen Limesvorland stammte. Dieser Germane (?) errichtete die ländliche Niederlassung nach römischem Vorbild.

Die außerordentliche Bedeutung der Architektur - des Bades besteht nicht nur in dem sehr guten Erhaltungsgrad, sondern vor allem in den kultur-historischen Zusammenhängen. Faßt die ganze Slowakei, mit Ausnahme eines kleinen Teiles das zur Provinz Pannonien gehörte (Gerulata-Rusovce), lag schon hinter der festen Grenze des Römischen Reiches (Limes Romanus).

Kristian Elschek

 

Literaturverzeichnis

Elschek, K.: Die germanische Besiedlung von Bratislava-Dúbravka während der älteren römischen Kaiserzeit. In: Kelten-Germanen und Römer im Mitteldonaugebiet. Brno-Nitra 1995, 39-52

Elschek, K.: Römisch-germanische villae rusticae im Limesvorfeld von Carnuntum?. Ergebnisse systematischer Grabung und Prospektion. In: Roman Frontier Studies 1995. Oxbow Monograph 91. Oxford 1997, 225-232

Elschek, K.: Eine Eisenverhüttungswerkstatt der älteren römischen Kaiserzeit aus Bratislava-Dúbravka. In: Metallgewinnung und -Verarbeitung in der Antike (Schwerpunkt Eisen). Nitra 2000, 33-46

Elschek, K.: Rímsko-germánska vidiecka usadlosť s kúpeľom v Bratislave-Dúbravke (Resume: Das römisch-germanische ländliche Anwesen mit Bad in Bratislava-Dúbravka). In: Pamiatky a múzeá 3/2000. Bratislava 2000, 27-29

Elschek,K/Kolník,T.: Praveké osídlenie a rímsko-germánska usadlosť v Dúbravke. Pamiatky-súčasnosť, 22, 1991, č.1, 10-12

Kolník,T.: Römische Stationen im slowakischen Abschnitt des nordpannonischen Limesvorlandes. Archeologické rozhledy 38, 1986, 411-434, 467-472