Grabbauten in Obergermanien

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Im Süden
Im Norden und in der Mitte


Grabbauten im südlichen Obergermanien

Unter dem Süden Obergermaniens werden die alten Stammesgebiete der Lingones und Sequani im heutigen Ostfrankreich sowie der Rauraci und der Helvetii am Hochrhein bzw. in der heutigen Westschweiz subsummiert. Das südliche Limesgebiet zeigt eine gewisse Affinität zu diesen Regionen.


Tumuli (Rundbauten und große Grabhügel)

Im Gegensatz zum Norden Obergermaniens hat man im Süden der Provinz nur wenige tumuli entdeckt. Eine ausgeprägte Grabhügeltradition gab es hier nicht. Folglich lassen sich nur wenige Einzelbeispiele herausheben. An erster Stelle ist der runde Grabbau von Augusta Raurica/Augst zu nennen, dessen Errichtung in flavische Zeit fällt. Mit rund 15 m Außendurchmesser (geplant waren wohl 50 römische Fuß) und einst annähernd 10 m Höhe gehört er zu den größten Rundgräbern am Rhein, fällt aber hinter vergleichbare Grabbauten bei gallischen coloniae zurück. So erreichte beispielsweise der tumulus „La Gironette“ bei Augustodunum/Autun fast doppelte Ausmaße, während ein Rundgrab vor den Toren von Arausio/Orange ihn nur geringfügig übertraf. Bedeutsamer als die schiere Größe ist jedoch die Lage des Monuments auf einem markanten Geländesporn unmittelbar vor dem repräsentativen Osttor der Augusta Raurica, an der Ausfallstraße nach Vindonissa. Erst jenseits davon begann die eigentliche Gräberstraße. Diese prominente Position legt trotz fehlender Inschrift den Rückschluss nahe, dass die hier bestattete Person Empfänger eines funus publicum, eines öffentlichen Begräbnisses, war. Darauf deuten noch weitere Indizien hin: im Inneren, an dezentraler Stelle, fand sich nur eine Bestattung, das bustum (Brandgrab an der Stelle des Scheiterhaufens) eines wohl ca. 35-40 jährigen Mannes. Das Bauwerk ist eindeutig später zu datieren als die Bestattung selbst. Demnach kann es nicht wie viele andere Grabbauten noch zu Lebzeiten errichtet worden sein, wohl aber infolge eines öffentlichen Beschlusses und auf öffentlichem Boden. Gerade der Typus des steinernen Rundbaus wurde zumindest im 1. Jahrhundert noch als „aristokratische“ Form und damit eines Ehrengrabmals für würdig erachtet. Eine Grabinschrift aus Avenches (s. u.) bezeugt ausdrücklich ein funus publicum für einen helvetischen „Adligen“ (s. u.). Im Falle von Augst lässt sich nur vermuten, dass der Verstorbene einer führenden Familie angehört haben mochte.
Kostbare Grabbeigaben fanden sich nicht, auch nicht unter den Verbrennungsrückständen des Scheiterhaufens. Erwähnenswert sind drei Amphoren, die rund 80 Liter Wein fassten. Ansonsten wirkt die Beigabenausstattung vergleichsweise bescheiden, was römisch-italischer Tradition entspricht. Die Konstruktion des Grabbaus mit kiesgefüllten Entlastungsbögen, versteifender Kreuzmauer und zentralem Massivsockel mit Pinienzapfen- oder Statuenbekrönung folgt klassischer Bautechnik. Schuttreste zeigen an, dass der Tambour und vielleicht auch die Umfassungsmauer mit Kalk- und Sandsteinen farblich gegliedert waren.
Ein Töpferofen zwischen dem tumulus und dessen Umfriedungsmauer zeigt allerdings den Verlust der sakralen Bedeutung als Grabanlage bereits um 200 n. Chr. an. Deren endgültiger Abbruch erfolgte um die Mitte des 4. Jahrhunderts (Schaub 1992, 77-102).

Augst

 

Eine andere tumulus-Variante vertritt der Grabhügel von Friesen im südöstlichen Elsaß (Rauraker-Gebiet). Seine Umfassungsmauer aus opus reticulatum mit beachtlichen 25 m Außendurchmesser war bei der Ausgrabung 1964/65 noch 75 cm hoch erhalten. Statt der Stützbogenkonstruktion im Inneren wurde der Erddruck des Hügels von strahlenartig vorgebauten Stützpfeilern abgefangen. Möglicherweise trugen diese Ausleger Säulen oder Grabwächterfiguren. Insgesamt dürfte die Tambourmauer niedriger ausgefallen sein als die des Augster tumulus. Man rechnet mit einer ursprünglichen Hügelhöhe von 7-8 m. Das Monument datiert zwischen ca. 50 und 100 n. Chr. und bildete das Zentrum einer Gutshof-Nekropole (Landes 2002, 40 u. 70).

Ein 1985 bei Ellikon (Kt. Zürich) ausgegrabener Hügel ohne steinerne Umfassungsmauer enthielt mehrere römische Bestattungen (Hedinger 1996). Er soll in römischer Zeit aufgeschüttet worden sein. Daneben hat man auch römische Nachbestattungen in prähistorischen Hügelgräbern beobachtet, so z. B. in Lembach, Oberlauchringen und Tiengen. Möglicherweise handelt es sich um Einwanderer aus Regionen, in denen die Grabhügelsitte noch lebendig war (Trumm 2002, 173).


Mausoleen

Die beiden größten mehrstöckigen Mausoleen im Süden Obergermaniens sind an einer Nebenstraße nordöstlich des helvetischen Hauptortes Aventicum/Avenches ausgegraben worden (Castella 1998; Castella 1999; Castella 2002; Bossert 2002). Anhand dendrochronologisch ermittelter Fällungsdaten von Eichenpfählen unter dem nördlichen Fundament wurden sie um 30 n. Chr. errichtet. Das größere von beiden wird auf rund 25 m Höhe rekonstruiert. Ihr halbkreisförmiger Grundriss ist innerhalb der ganzen Provinz bislang einmalig, im Mediterraneum jedoch für Gräber hochrangiger Persönlichkeiten gebräuchlich. Es handelt sich um eine Kombination von Exedra (s. Grabbauten in Rätien) und Mausoleum vom Poblicius-Typ (s. Grabbauten in Niedergermanien), wie sich aus den zahlreichen Architekturteilen rekonstruiert lässt. In dem das Monument bekrönenden Tempel dürften die Statuen der Verstorbenen gestanden haben. Die Rekonstruktion vermittelt zugleich einen Eindruck von der einst bunten Bemalung römischer Grabmonumente.

Avenches

Die Mausoleen standen, wie bereits erwähnt, nicht an einer „großstädtischen“ Gräberstraße italischer Prägung. Sie überragten vielmehr einen aus drei aneinander grenzenden Grabbezirken bestehenden Privatfriedhof, der offenbar zu einer reichen Villa suburbana gehörte. Während die beiden südlichen Einfriedungen mit den Monumenten eine überschaubare Anzahl an Gräbern umfassten, war das nördliche Areal mit rund 200 Gräbern dicht belegt. Außer den Streifenfundamenten zweier kleiner Grabkapellen (?) standen hier keine Grabbauten. Möglicherweise handelte es sich hier um den „Gesindefriedhof“ in Nachbarschaft der herrschaftlichen Grablegen.

Zum Reliefschmuck der Basis des südlichen Monuments gehören mehrere Zierschilde (clipei). Dieses Motiv ist der Triumphalarchitektur entlehnt und findet sich beispielsweise am Augustusforum in Rom. In der Grabarchitektur Obergermaniens stellt diese Motivwahl eine Ausnahme dar. Häufiger dagegen zieren solche clipei Grabbauten in der südlich benachbarten Provinz Gallia Narbonensis, insbesondere im Raum Genf (Bossert 2002, 70).

Die pompösen Grabbauten bildeten die zentralen Markierungen zweier ummauerter Familienfriedhöfe. Innerhalb dieser Grabbezirke gruppierten sich mehrere Brand- und einzelne Köpergräber sowie Scheiterhaufendepots um die Monumente. Mit den Dimensionen geht wiederum die exklusive Lage der Grabmäler einher: auf der gegenüberliegenden Straßenseite bestand ein Heiligtum mit zwei gallorömischen Umgangstempeln, die ihrerseits von temenos-Mauern umgeben waren. Unter der cella einer der beiden Tempel stieß man auf das Brandgrab einer Frau aus augusteischer Zeit. Es sieht also so aus, als sei der Tempel für den Grabkult errichtet worden. Da hier bis in das 4. Jahrhundert hinein Münzopfer niedergelegt wurden, könnte es sich um mehr als einen rein privaten Familientotenkult gehandelt haben. Vielleicht pflegte man hier einen Gründer- oder Heroenkult nach mediterranem Vorbild. Die Nähe zu dieser potentiellen Ahnen-Kultstätte von zumindest lokaler Bedeutung unterstreicht die exklusive Lage der Grabgrundstücke zusätzlich. Leider sind die Inschriften nicht erhalten geblieben, so dass wir über den gewiss hohen sozialen Rang der hier Bestatteten nur spekulieren können. Er lässt sich jedenfalls aus der Größe und Position der Grabmale erahnen.

Aus Avenches liegen die Grabbauinschriften zweier Persönlichkeiten vor, die zweifellos der Elite von Stadt und civitas zuzurechnen sind. Da die Inschriftenträger in nachantiker Zeit verschleppt und an anderer Stelle verbaut wurden, ist ihr ursprünglicher baulicher Kontext nicht mehr zu ermitteln. Es besteht daher auch keine Handhabe, sie mit den Grabbauten von „En Chaplix“ in Verbindung zu bringen. Sie veranschaulichen aber, welcher Personenkreis für die Errichtung solcher Monumente in Frage kommt. Es handelt sich um folgende Denkmäler:

1. Inschriftplatte von 73 x 56 x 3-5 cm

[C(aio) I]ul(io) C(ai) f(ilio) Fab(ia) Camil/[lo s]ac(erdoti) Aug(usti)/ mag(no) / [trib(uno)] mil(itum) leg(ionis) IIII Maced(onicae) / [hast]a pura et cor(ona) aur(ea) / [dona]to a T(iberio) Claud(io) Caes(are) / [Aug(usto) ite]r(um) cum ab eo evocatus / [in Brita]nnia militasset Iul(ia) / [Ca]milli fil(ia) Festilla / ex testamen(to). – „Für Caius Iulius Camillus, Sohn des Caius, aus der Bürgertribus Fabia, Vorsteher des Kaiserkultes, Militärtribun der 4. Legion Macedonica, zweimal mit der Ehrenlanze und dem Goldkranz von Tiberius Claudius Caesar Augustus ausgezeichnet, als er von diesem (aus dem Veteranenstand) in den Dienst zurückgerufen wurde, um in Britannien zu dienen. Iulia Festilla, Tochter des Camillus, (hat) gemäß Testament (das Grabmal errichten lassen).“
(Walser 1979 Nr. 87).

2. Inschriftenblock von 75 x 72 x 27 cm

C(aio) Valer(io) C(ai) f(ilio) Fab(ia tribu) Ca/millo quoi publice / funus Haeduorum / civitas et Helvet(i) decre/verunt et civitas Helvet(iorum) / qua pagatim publice / statuas decrevit / I[u]lia C(ai) Iuli Camilli f(ilia) Festilla / ex testamento. (Walser 1979 Nr. 95)
– „Caius Valerius Camillus (gewidmet), dem Sohn des Caius, aus der Bürgertribus Fabia, für den die Stammesgemeinde der Haeduer und die (Gesamtheit der) Helvetier ein Begräbnis von Staats wegen beschlossen haben. Die Stammesgemeinde der Helvetier hat darüber hinaus auf Grundlage einer Abstimmung nach Gauen öffentlich beschlossen, ihm Statuen errichten zu lassen. Iulia Festilla, Tochter des Caius Iulius Camillus, (haben) laut Testament (das Grabmal errichten lassen)“.

Die Camilli waren wohl der einflussreichste Clan aus Avenches. Der prominenteste Ahne hat als Parteigänger Caesars literarische Erwähnung gefunden, weil er an der Hinrichtung des Caesarmörders Decimus Brutus beteiligt war (Frei-Stolba/Bielman 1996, 2 u. 36-39). Die in den beiden Inschriften Genannten gehörten zu verschiedenen Familienzweigen, wie die anlässlich der Bürgerrechtsverleihung empfangenen Familiennamen Iulius bzw. Valerius anzeigen. Beide Grabmäler datieren in die Mitte des 1. Jahrhunderts. Neben der Grabbauinschrift des Tribuns C. Iulius Camillus existiert noch eine inhaltlich gleichlautende Basis für seine Ehrenstatue (Walser 1979 Nr. 86). Da sie im Mittelalter verschleppt wurde, ist ihr ursprünglicher Aufstellungsort unbekannt (neben dem Grabmal oder auf dem Forum?). Diese beiden Denkmäler stellen eine verblüffende Parallele zu denen des Ritters Cl. Paternus Clementianus aus Epfach dar (s. Grabbauten in Rätien). Der Einfluss des C. Valerius Camillus reichte bis in die westliche Nachbarprovinz Gallia Lugdunensis hinein, da die dort ansässigen Häduer gemeinsam mit den Helvetiern das Ehrenbegräbnis für ihn beschlossen haben.

Wegen seines U-förmigen Fundaments steht das Mausoleum von Wavre (Kt. Neuchâtel) den großen Monumenten von Avenches-„En Chaplix“ nahe. Seine Dimensionen bleiben jedoch weit hinter diesen zurück: auf der 3,6 x 3,5 m großen Basis erhob sich ein maximal 10 m hoher Aufbau. Möglicherweise befand sich im Inneren des Baus ein kleines Gewölbe oder eine Kammer zur Aufnahme von Bestattungsbehältern, z. B. einer repräsentativen Aschenkiste oder Steinurne. Ein zentrales Grab fehlt jedenfalls, was die Annahme einer obertägigen Grablege unterstützt. Ob die Frontseite durch eine Tür verschließbar oder offen einsehbar war, bleibt fraglich. Zahlreiche Architekturtrümmer erlauben jedenfalls die Rekonstruktion als zweistöckiges Mausoleum mit Giebel und Akroteren. Mehrere Bruchstücke bezeugen drei Totenstatuen von annähernd 1,4-facher Lebensgröße, die wahrscheinlich im Tempelgeschoss standen. Darunter befindet sich eine Hand mit Schriftrolle (volumen) wie sie für klassische toga-Statuen typisch ist. Das volumen gilt als Hinweis auf das römische Bürgerrecht. Das Grabmal stand innerhalb einer 13 x 13 m großen Umfriedungsmauer einer Gutshofsnekropole. Aufgrund stilistischer Kriterien wird es in die 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts datiert (Bridel 1976).

Wavre

Vergleichbare Dimensionen erreichte das Mausoleum von Delémont (Kt. Jura), wie aus der Gussmauerwerkbasis von 4 x 2,3 m und zahlreichen kleinteiligen Architektur- und Statuentrümmern zu erschließen ist. Auch dieses Denkmal markierte eine ummauerte Gutshofnekropole von 17 x 18,5 m (Légeret 2000, 235).

Schwieriger sind Reliefquader aus Basilia/Basel zu beurteilen, die außerhalb ihres ursprünglichen Kontextes gefunden wurden. Sie zeigen Soldaten und einen Gefangenen. Vergleichbare Szenen kennt man von verschiedenen Grabdenkmälern Obergermaniens, z. B. von den Seitenreliefs des Nischengrabmals von Nickenich oder von einem Grabpfeilerrelief aus Stuttgart-Zazenhausen (Klatt 1996; Meyer 1998). Die Zuweisung zu einem Grabmonument des 1. Jahrhunderts oder aber zu einem Triumphdenkmal des 1.-2. Jahrhunderts bleibt weiterhin umstritten (Neukom 2002, 114-117).

Wenden wir den Blick in das Stammesgebiet der ostgallischen Lingones im Südwesten Obergermaniens. An einer Fernstraße in der Nähe von Langres, dem Vorort der Lingonen, stand das dreigeschossige Mausoleum von Faverolles. Vermutlich gehörte es zur Nekropole eines größeren Landgutes. Ähnlich wie beim (nur etwa halb so großen) Kölner Poblicius-Mausoleum ist ein nennenswerter Teil, ca. ein Zwanzigstel, der einstigen Architektursubstanz erhalten geblieben. Diese Trümmer erlauben eine recht zuverlässige Rekonstruktion des turmartigen Grabmals nach dem Vorbild südgallischer Mausoleen (Walter 2000). Anzuführen sind das sog. Iulier-Denkmal von Glanum bei Saint-Rémy-de-Provence sowie gleichartige Monumente bei Orange, Aix-en-Provence und Nîmes (Landes 2002). Einst dürfte es 23,6 m hoch aufgeragt haben. Seine Bekrönung bildete ein säulengestützter Rundtempel (tholos). Die Grabbauten von Avenches-„En Chaplix“ und Faverolles gehören zu den nördlichsten Vertretern dieser dreigeschossigen, turmartigen Mausoleen.

Aus Monthureux-sur-Saône, unmittelbar an der Grenze zum Gebiet der belgischen Leuker gelegen, stammen vier annähernd lebensgroße Grabstatuen, die in einem Mausoleum, einem Grabgarten oder -tempel aufgestellt gewesen sein dürften. Der Baubefund selbst ist unbekannt (Castorio 2000, 118 f.). Möglicherweise lassen sich die Funde mit der Grabbauinschrift eines gewissen Sextus Iulius Senovir verbinden.

Pfeiler- und Nischengrabmale

Neben dem Vorkommen turmartiger Mausoleen südgallischer Prägung im Umfeld der Stammesmetropolen Avenches und Langres fallen noch weitere Unterschiede zur Grabbauarchitektur im Norden Obergermaniens auf. An erster Stelle ist das Ausdünnen an Pfeilergräbern vom Typ der „Igeler Säule“ zu nennen. Es fehlt zwar nicht an Einzelbeispielen, doch nehmen sie im 2. und 3. Jahrhundert nicht die dominante Stellung unter den Grabbauten ein wie im nördlichen und mittleren Obergermanien. Als Beispiel für einen Grabpfeiler lässt sich ein Reliefblock mit Familiendarstellung aus Avenches anführen (Bossert 1988, 81 f.). Stattdessen wurden Mausoleen mit Grabstatuen vom „Poblicius-Typ“ bis weit in das 2. Jahrhundert hinein erbaut.

Aus Dijon liegen mehrere Architekturblöcke mit Reliefszenen aus dem Alltag des Verstorbenen vor. In Analogie zu den rheinischen und treverischen Beispielen könnte man auch diese Einzelstücke Grabpfeilern zuschreiben.

Genauso gut könnten sie aber auch von übergroßen Stelen oder von aufwändigen, fassadenartigen Vorbauten von Grabgärten übrig geblieben sein. In dieser Hinsicht einzigartig ist das Grabmal in Ladenform eines Weinhändlers aus Til-Châtel bei Dijon. Ein weiteres Beispiel gibt es in Dijon, an Rhein und oberer Donau ist diese Grabbauform nicht bezeugt (Langner 2002, 329-337).

Monolithische Aufsatzgiebel von 1 m und mehr Breite dürften Großstelen, Kapellchen (aediculae) oder Nischengrabmäler bekrönt haben. Exemplare solcher Monumente wurden in Augst (Bossert-Radtke 1992, 100 f.) sowie im Lingonengebiet entdeckt. Den aus dem Norden der Provinz bekannten Nischengrabmalen fehlen solche Giebel meistens (erhaltungsbedingt?).


Grabgärten

Im Gegensatz zum Rheinland und zu Rätien scheinen Grabgärten/Einfriedungsgräben im Helvetiergebiet während des 1. Jahrhunderts nicht allerorts üblich gewesen zu sein (Hintermann 2000, 44). So gab es neben den Ummauerungen der bereits angesprochenen Mausoleen zwar Hecken- oder Gräbcheneinfassungen von Friedhöfen, wie z. B. in Weil am Rhein (Kr. Lörrach; Asskamp 1989, 16 f.), aber wesentlich seltener von Einzelgräbern. Beispiele für „individuelle“ Grabeinfriedungen fanden sich in Vindonissa.
Die an der südlichen, westlichen und nördlichen Ausfallstraße Vindonissas erforschten Friedhöfe weisen insgesamt deutliche Unterschiede auf: die Gräberfelder im Süden und Westen vereinen eher bescheidene Bestattungen und nur wenige Grabbauten. Lediglich die nördliche Gräberstraße verdient diese Bezeichnung im klassisch-italischen Sinne. Hier lag offenbar der bevorzugte, vornehme Bestattungsplatz Vindonissas. Mehrere rechteckige, 40-50 cm starke Streifenfundamente stammen von Grabkapellen (aediculae) oder Umfriedungsmauern. Die meisten dieser Bauten sind während des letzten Drittels des 1. Jahrhunderts mutwillig zerstört worden. Dieser unerhörte Frevel muss einen ganz bestimmten Grund gehabt haben. Vermutlich besteht ein Zusammenhang mit der mehrfach belegten Verdammung (damnatio memoriae) der 21. Legion als Konsequenz ihres schändlichen Verhaltens während des Vierkaiserjahres 70 n. Chr. Von den Zerstörungen zeugen unter anderem Bruchstücke von Grabwächterfiguren, z. B. das Köpfchen einer Sphinx (?) oder der Torso eines Triton (?) (Bossert 1999, Nr. 18-19).
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sämtliche Gräberfelder von Vindonissa mit Männern und Frauen gemischt belegt waren. Auch der Nordfriedhof war also nicht ausschließlich für Soldaten reserviert.

Anders stellt sich die Situation im Lingonen-Gebiet dar. Dort liegt sogar eine inschriftliche Quelle vor, die explizit die Anlage eines Grabgartens vorsieht. Gemeint ist das sog. „Lingonentestament“, eine ausführliche Grabinschrift, die nur als mittelalterliche Abschrift erhalten blieb. Sie überliefert den letzten Willen eines reichen Galliers bezüglich der Modalitäten seines Begräbnisses, des Grabbaus und der Beigaben (Le Bohec 1991).

Die Grabgartenmauern des Gutshof-Gräberfeldes von Nod-sur-Seine, bei Châtillon-sur-Seine (Burgund) gelegen, stellen ein archäologisches Pendant zu dieser Quelle dar: Die 10 x 12 bzw. 10 x 8 m weiten Einfriedungen sind um nischenartige Annexe erweitert. Möglicherweise waren diese als kleine Kapellen (aediculae) überdacht, aber auch eine offene Rekonstruktion kommt in Frage. Bei den Ausgrabungen stieß man auf zahlreiche Skulpturentrümmer, darunter eine Statue, die vermutlich den Toten darstellte (Renard 1993; Landes 2002, 48 f.). Die Aufstellung der Totenstatue in einer Nische innerhalb eines Grabgartens wird im „Lingonentestament“ beschrieben.


Grabaltäre

Grabaltäre (arae) hingegen sind im Süden der Provinz genauso vertreten wie im Norden, vor allem im Bereich von Avenches. Wie im Rheinland und in Rätien lassen sie sich auch hier nicht vor der Mitte des 2. Jahrhunderts belegen, vielleicht mit einer Ausnahme am Legionsstandort Vindonissa/Windisch: sofern die Datierung eines pulvinus-Bruchstücks ins späte 1. Jahrhundert n. Chr. zutrifft, kann das Grabmal eigentlich nur auf den Geschmack eines Legionärs aus Italien zurückgehen (Bossert 1999, 51 f.). Ein anderer altarförmiger Grabstein aus Avenches wurde Angehörigen einer Goldschmiedfamilie aus der kleinasiatischen Landschaft Lydien gesetzt (Walser 1979 Nr. 117).


Nekropolen und Heiligtümer

Ein weiteres Charakteristikum des Helvetier- und Sequanergebietes ist die öfter zu beobachtende Nachbarschaft oder sogar Kombination von Nekropolen und Heiligtümern. Dieses Phänomen begegnet vereinzelt bereits im südlichen Limesgebiet, z. B. in Stuttgart-Bad Cannstatt und Rottenburg: an beiden Orten wurden im Bereich von Gräberfeldern Depots von Grabskulpturen und –architektur entdeckt, die in nachrömischer Zeit zusammengetragen worden waren. Darunter befanden sich auch Weihungen an die Unterweltsgöttin Herecura, deren Heiligtümer offenbar in der Nähe der Gräberfelder zu suchen sind (Meyr 2000).

Neben Avenches kann auch das Mausoleum von Chavéria im Sequanergebiet (Dep. Jura, F) als Beispiel herangezogen werden. Aufgrund seiner Fundamentmaße von 5,2 x 4,4 m dürfte es etwas größer gewesen sein als die Mausoleen von Ware und Délemont. Den Oberbau bildete vermutlich ein allseitig offener Vierecktempel (tetrastylos). Es stand in einer ummauerten Nekropole von 17,5 x 11,1 m Ausdehnung neben einem Heiligtum und einer kleinen Siedlung, die wahrscheinlich zu dessen Bewirtschaftung diente (CAG 39, 294 f.). Das Mausoleum wurde erst nachträglich, gegen Ende des 2. Jahrhunderts, innerhalb der bereits bestehenden Nekropole errichtet. In welchem chronologischen Verhältnis diese zum benachbarten Heiligtum steht, ist einstweilen unklar.

Ein anderes Beispiel bietet die Gutshofnekropole von Poligny im Sequanergebiet östlich von Dole (33,5 x 26,5 x 32 x 22,5 m). In der Ecke des ummauerten Gräberfeldes befanden sich die 4,65 m langen Streifenfundamente eines quadratischen Grabbaus, der am ehesten als Tempel o. ä. rekonstruiert werden kann. Auch dieser Friedhof lag in unmittelbarer Nachbarschaft eines Heiligtums mit pronaos-Tempel (CAG 39 Jura, 570).

Durch seine ungewöhnliche Position fällt ferner der kleine, mit einer Mauer eingefriedete Familienfriedhof des Gutshofs von Biberist-Spitalhof (Kt. Solothurn) auf (Schucany 1995; Schucany 2001). Er lag nämlich mittig im großen zentralen Innenhof des Latifundiums, ca. 70 m von der pars urbana entfernt, und nicht wie eigentlich üblich außerhalb des ummauerten Gutshofareals. Ein Verstoß gegen altrömisches Bestattungsrecht? Streng genommen ja, doch finden sich auch in anderen helvetischen Gutshöfen Gräber in der Nähe von Herrenhäusern. Das römische Grabrecht wurde hier also flexibel ausgelegt. Am Westrand der Nekropole fand sich ein bustum mit drei zum gleichen Zeitpunkt bestatteten Individuen (ca. 50jähriger Mann, Frau und Neugeborenes), das durch eine 2,13 m hohe, halbsäulenartige Stele gekennzeichnet war. Die Lage inmitten der Hofanlage lässt an ein „Gründergrab“ vielleicht ähnlich wie in Avenches-„En Chaplix“ denken. Hinweise auf eine spätere Exhumierung (und Umbettung) stehen vielleicht im Zusammenhang mit einem Besitzerwechsel nach dem 3. Viertel des 2. Jahrhunderts. Eine steinerne Urne zeigt Einflüsse aus Gallien an, wo sie häufig sind. Aus Bierbach in der Pfalz, im Gebiet der Mediomatriker in der Provinz Gallia Belgica gelegen, stammt das eindrucksvollste Beispiel für einen Grabbau unmittelbar vor der Hauptfassade eines Gutshofs.


Hauptsache „Pyramide“ – pyramidale Grabmonumente

Eine eigentümliche, weitgehend auf den Südwesten Obergermaniens beschränkte Art der obertägigen Grabmarkierung stellen monolithische, selten mehr als mannshohe Grabsteine in Gestalt schlanker Pyramidenstümpfe dar. Das Zentrum ihrer Verbreitung liegt mit ca. 40 Exemplaren im Umfeld von Dibio/Dijon, einige weitere wurden bei Andemantunum/Langres gefunden (Joubeaux 1989).

Der regionalen Schwerpunktverbreitung entsprechen die einheimisch-gallischen Namen der Inschriften (Le Bohec 2003, 90 ff.). Bis auf eine Stele aus Langres tragen sie keinen Reliefschmuck, sondern besitzen glatte Außenflächen, sind also vergleichsweise unaufwendig gearbeitet. Immerhin ist der Begriff monumentum für diese Art von Grabmalen belegt: m(onumentum) Lit/uge/ni, Bi/racati (filii) – „Grabmal des Litugenus, Sohn des Biracatus“ (Le Bohec 2003 Nr. 114).

Das Rätsel um den Ursprung dieser Grabmalsitte ist noch nicht vollständig gelöst. Einerseits gilt es als wahrscheinlich, dass sie auf vorrömisch-keltische Obelisken zurückgehen, andererseits klafft ein zeitlicher Hiatus zwischen diesen und den schwer datierbaren Pyramidalstelen, die bisher nur allgemein in die Zeitspanne 50-200 n. Chr. datiert werden. Es ist nicht auszuschließen, dass entsprechende Denkmäler der frühen Kaiserzeit vorwiegend aus Holz gefertigt waren und deshalb nicht erhalten sind.
Einzelne dieser Grabpyramiden kamen bis in die Westschweiz hinein zutage, so z. B. in Martigny und Nyon, wobei nicht auszuschließen ist, dass sie von Einwanderern aus dem Lingonengebiet zeugen. Das Pyramidion aus Nyon stand vermutlich ohne besonderen Unterbau auf einem Grab. Es deutet jedenfalls nichts darauf hin, dass es etwa die Bekrönung eines größeren Denkmals bildete. Rein formell ist es zwar ein Pyramidengrabmal, aber – ganz im Gegensatz zu assoziierten Dimensionen – mit 22,5 cm Höhe bis auf weiteres der kleinste „Grabbau“ Obergermaniens.


Sonderformen

Eine andere Besonderheit des Lingonengebietes stellen Grabstelen mit Bogennische dar, um die herum die Grabinschrift läuft.

 

Grabstelen in Hausform bzw. explizit in Gestalt von „Grabbauminiaturen“ gab es weiter nördlich im Gebiet der Leuker, das zur Nachbarprovinz Gallia Belgica gehörte. Die Vorbildwirkung dieser Kleindenkmäler strahlte bis in das angrenzende obergermanische Lingonengebiet hinein (Burnand 1990, 189).

Auch im Elsass trifft man auf eine spezifische Variante hüttenförmiger Grabsteine in Gestalt zeltartiger oder im Vorbild strohgedeckter Hütten oder Häuser. Dass sie vermutlich auf einer Basis obertägig aufgestellt waren, bestätigen die an den Stirnseiten eingemeißelten Grabinschriften. Aufwändigere Exemplare aus Tres Tabernae/Zabern verfügen über eine schildartig erweiterte Frontseite mit einer Öffnung zur Aufnahme von Opfergaben oder zur Aufstellung von Öllämpchen (Forrer 1918, 60 f.). Der Aschenbehälter wurde in der Regel unter dem Hauptkörper deponiert.

In diesem Zusammenhang erwähnenswert sind ferner das 86 cm hohe „Urnenhäuschen“ aus Sumelocenna/Rottenburg, dessen Höhlung eine kleine Urne oder wenigstens eine Öllampe aufnehmen konnte, sowie ein Grabstein mit Urnennische und Giebel aus Neuenhaus bei Nürtingen (Haug/Sixt 1914 Nr. 152 bzw. Nr. 223). Innerhalb des Limesgebietes stehen diese Grabsteine bislang vereinzelt da und weisen vielleicht auf Einwanderer aus Ostgallien hin.


Grabbau und Bestattungssitte

Soweit Bestattungen neben den oben besprochenen Mausoleen gefunden wurden, überwiegen Brandgräber (busta und Urnengräber). Nur die Nekropole von Avenches-„En Chaplix“, die bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts belegt wurde, umfasst etliche Körperbestattungen. Beinahe regelmäßig kommen Aschen- oder Opfergruben vor (fosses à offrandes/dépotoirs; Castella 2002). Eine von drei solchen Opfergruben neben dem Mausoleum von Chavéria barg allein Scherben von 82 Gefäßen. Mit diesen Bestattungen einher geht ein überdurchschnittlicher Beigabenreichtum gemäß keltischer Jenseitsvorstellungen. Die Bestattung im tumulus von Augst stellt diesbezüglich eher eine Ausnahme dar. Die in der Regel üppigen Tafel-, Trinkgeschirr- und Amphorenbeigaben korrespondieren mit dem Reliefschmuck, der wiederholt bacchische Themen – Wein und Liebe – aufgreift (Bossert 2002, 71). Griechisch-römische Topoi eines unbeschwerten Lebens im Elysium bilden die Folie für einen keltisch geprägten Jenseitsglauben, der die „Neuauflage“ des irdischen Lebens zum Kern hat. Unter den mythologischen Reliefthemen in Avenches, Nyon und allgemein in der Südhälfte der Germania superior fällt eine gewisse Vorliebe für Darstellungen des trauernden Attis auf. Dieses Motiv begegnet im Rheinland bereits seltener, in Rätien nicht. Möglicherweise handelt es sich auch hierbei um einen Einfluss aus Südgallien.
Die größten Grabdenkmäler im Süden Obergermaniens standen in Familienfriedhöfen von Einzelsiedlungen hohen Lebensstandards (Landvillen und Gutshöfen), kaum in städtischen Gräberstraßen. Letztere sind allerdings noch nicht überall gründlich genug erforscht worden.

MUFAS


Abgekürzt zitierte Literatur

Le Bohec 1991
Y. Le Bohec, Le testament du Lingon. Collection du Centre d´Etudes Romaines et Gallo-romaines N. S. 9 (Lyon 1991).

Le Bohec 2003
Y. Le Bohec, Inscriptions de la cite des Lingons. Inscriptions sur Pierre (Paris 2003).

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M. Bossert, Die figürlichen Reliefs von Aventicum. CSIR Schweiz I, 1 (Lausanne 1998).

Bossert 1999
M. Bossert, Die figürlichen Skulpturen des Legionslagers von Vindonissa. CSIR Schweiz I, 5 (Brugg 1999).

Bossert 2002
M. Bossert, Die figürlichen Skulpturen von Colonia Iulia Equestris. CSIR Schweiz I, 4 (Lausanne 2002).

Bossert-Radtke 1992
C. Bossert-Radtke, Die figürlichen Rundskulpturen und Reliefs aus Augst und Kaiseraugst. Forschungen in Augst 16 (Augst 1992).

Bridel 1976
P. Bridel, La mausolée de Wavre. Jb SGUF 59, 1976, 193-200.

Burnand 1990
Y. Burnand, Histoire de la Lorraine. Les temps anciens 2. De César à Clovis (Nancy 1990).

CAG
Carte Archeologique de la Gaule.

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D. Castella, Vor den Toren der Stadt Aventicum. Zehn Jahre Archäologie auf dem Autobahntrassee bei Avenches. Documents du Musée Romain d´Avenches (Avenches 1998).

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D. Castella, La nécropole gallo-romaine d´Avenches “En Chaplix”. Vol. 1 Etude des sépultures. Vol. 2 Etude du mobilier (Lausanne 1999).

Castella 2002
D. Castella et al., Trois depots funéraires aristocratique du début du Haut-Empire à Avenches En Chaplix. Bulletin de l´Association Pro Aventico 44, 2002, 7-102.

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J. N. Castorio, Les stèles funéraires gallo-romaines de Monthureux-sur-Saône (Voges). In: H. Walter, La sculpture d´époque Romaine dans le nord, dans l´est des Gaules et dans les regions avoisinantes: acquis et problématiques actuelles (Paris 2000) 109-121.

Erdmann 2004
U. Erdmann, Römische Spuren in Burgund. Ein archäologischer Reiseführer (Wiesbaden 2004).

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Ph. Filtzinger, Hic saxa loquuntur – Hier reden die Steine. Kl. Schr. zur Kenntnis der römischen Besetzungsgesch. Südwestdeutschlands 25 (Stuttgart 1980).

Forrer 1918
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Grabbauten im nördlichen und mittleren Obergermanien

Im Süden 


Beträchtliche Unterschiede zwischen dem Norden und Süden Obergermaniens begründen die Behandlung der Provinz in zwei Kapiteln. Hier sollen zunächst der Norden und die Mitte der Provinz betrachtet werden, d. h. die Militärzone am Rhein bis nach Straßburg mit den Stammesgebieten der Treveri, Vangiones, Nemetes, und Triboci sowie das Limesgebiet. Die Grabarchitektur des Nordens wurde stark von Legionären oberitalischer Herkunft geprägt, wohingegen sich im Süden verstärkt südgallische Einflüsse bemerkbar machen.
In und um Mogontiacum/Mainz konzentrieren sich die meisten Überreste steinerner Grabbauten. Mit einigem Abstand folgen die Umgebung von Bad Kreuznach (CSIR II, 9), das Grenzgebiet zur Gallia Belgica in der Pfalz sowie die Bestände von Borbetomagus/Worms (CSIR II, 10), Bingium/Bingen (CSIR II, 14), Confluentes/Koblenz (Willer 2005, 149-163) und Argentorate/Straßburg (Forrer 1927, 85). In den Städten am Rhein gab es spätestens seit tiberischer Zeit Gräberstraßen mit Grabbauten nach italischem Vorbild. Zahlreiche Architekturteile sind durch ihre Sekundärverwendung in spätantiken Festungsmauern (Spolien) auf uns gekommen. Im Limesgebiet stellt sich die Situation anders dar. An den Ausfallstraßen der Vici gab es teilweise ausgedehnte Gräberfelder, von denen einige mehr oder weniger umfangreich ausgegraben wurden, z. B. Stettfeld, Rottweil, Bad Cannstatt, Rottenburg und Welzheim. Wegen des weitgehenden Fehlens von Grabbauten möchte man aber zögern, sie als „Gräberstraßen“ zu bezeichnen – mit einigen Ausnahmen, z. B. Nida/Frankfurt-Heddernheim, Heidelberg und Bad Cannstatt. Selbst das südliche Gräberfeld des municipium Arae Flaviae/Rottweil mit rund 500 Gräbern entbehrt der Grabarchitektur weitgehend (z. B. Haug/Sixt 1914 Nr. 494; Sommer 2001). Hierbei spielt die kürzere Dauer der Provinzzugehörigkeit ebenso eine Rolle wie die zahlenmäßig geringere und wirtschaftlich insgesamt weniger potente lokale Elite. Diese bildete sich dort in der Regel erst während des 2. Jahrhunderts heraus.


Rundgräber (tumuli)

Der älteste Grabbau Obergermaniens ist zugleich der einzige noch aufrecht stehende. Gemeint ist ein runder Gussmauer-Torso im Bereich der Mainzer Zitadelle, der unter dem Namen „Eichelstein“ bekannt ist. Einhellig wird in der Ruine der Kenotaph für Nero Claudius Drusus Germanicus, den Feldherrn und Stiefsohn des Augustus, gesehen. Unter Kenotaph versteht man eine grabmalförmige Gedenkstätte ohne eigentliche Bestattung (die sterblichen Überreste des Drusus wurden in Rom beigesetzt). Die Existenz eines Ehrengrabmals für Drusus bei Mainz wird von verschiedenen antiken Historikern überliefert (tumulus honorarius; monumentum Drusi). Für die Identifizierung mit dem „Eichelstein“ sprechen mehrere Indizien: die Wahl der altehrwürdigen Form des Rundgrabs, die schiere Größe, die Kombination mit einem Kulttheater für die periodischen Gedenkfeiern sowie die landschaftlich herausgehobene Lage gegenüber der Mainmündung. Mit dem Bau dürfte man schon bald nach seinem Unfalltod im Jahre 9 v. Chr. begonnen haben. Damit handelt es sich um einen der ältesten Steinbauten am Rhein.

Nach der allgemein akzeptierten Rekonstruktion (Frenz 1985, 415 f.) war das Monument mindestens 25 m, wahrscheinlich sogar 100 römische Fuß (rund 33 m) hoch. Heute misst der „Eichelstein“ noch 22 m Höhe. Formell vergleichbar ist das fast gleichzeitig entstandene Siegesdenkmal von La Turbie in Südfrankreich (nach 15 v. Chr.). In Köln ist ein ähnlicher, allerdings kleinerer frühkaiserzeitlicher Grabbau bezeugt (s. Grabbauten in Niedergermanien).
Südöstlich des Drusus-Denkmals – mit respektvollem Abstand zu diesem – erstreckt sich die bedeutendste Gräberstraße von Mogontiacum und des nördlichen Obergermanien überhaupt (Witteyer/Fasold 1995). Die sog. „Weisenauer“ Gräberstraße verläuft entlang der nach Süden führenden Militärstraße am Rheinufer.

Große steinerne Rundgräber wurden in der 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts ferner in Koblenz und Straßburg errichtet. Von beiden sind heute nur einzelne, wegen ihrer Rundung jedoch charakteristische Blöcke erhalten. Der Koblenzer tumulus wies 9,7 m Außendurchmesser auf. Seine Fassade untergliederten Pilasterarkaden, oben von einem Fries mit Waffen- oder Kampfdarstellungen abgeschlossen (Andrikopoulou-Strack 1986, 37; Eck/v. Hesberg 2003, 180 f.). Diese Thematik begegnet bei rheinischen Grabbauten öfter. Der Straßburger tumulus gehört mit 16 m Dm. zu den größten dieser Gattung in Obergermanien (Forrer 1927, 88).

Die zugehörigen Grabinschriften sind nicht überliefert, so dass sich keine Aussage über die Auftraggeber treffen lässt. Steinerne tumuli italischen Typs wurden nämlich schon in der frühen Kaiserzeit von Einheimischen rezipiert. Ein Paradebeispiel hierfür ist das Rundgrab von Nickenich ganz im Norden der Provinz (Dm. 7 m; Andrikopoulou-Strack 1986, 36 f.; Eck/v. Hesberg 2003, 178). Hier blieb nämlich die Grabinschrift mit den gallischen Namen der Verstorbenen erhalten: Contuinda Esucconis f(ilia) / Silvano Ategnissa(e) f(ilio) / h(eres) ex test(amento) f(ecit) – „Contvinda, Tochter des Esucco, hat (das Grabmal) für Silvanus, Sohn des Ategnissa, als Erbin gemäß Testament errichten lassen“ (AE 1938, 121).

Aufgrund der Namenform dürfte es sich (noch) um einheimische Peregrine gehandelt haben. Ca. 40 m vom Nickenicher tumulus entfernt stieß man auf die Überreste eines Nischengrabmals (s. u.), das wahrscheinlich in derselben Familiennekropole stand. Seine Inschrift ist zwar nicht überliefert, doch ließen sich die männlichen Verstorbenen mit der römischen toga bekleidet abbilden, d. h. sie waren bereits römische Bürger. Auch die Adaption eines weiteren italischen Grabmaltyps, der Reliefnischenstele, ist Ausdruck einer innerhalb von zwei bis drei Generationen voranschreitenden „Romanisierung“ – falls es sich wirklich um die Grabdenkmäler einer einzigen Familie handeln sollte.
Dem Nickenicher tumulus sind beispielsweise die steinernen Rundgräber von Ochtendung (Dm. ca. 15 m; Ldkr. Mayen-Koblenz) und Stromberg (Ldkr. Bad Kreuznach) an die Seite zu stellen. Letzterer war mit einem Gang (dromos) zur zentralen Grabkammer ausgestattet, der allerdings nach der Beisetzung sorgfältig zugemauert worden war (RiRP 568). Mit dem Gang wird zwar ein italisches Element nachgeahmt, das z. B. den tumulus des Augustus in Rom auszeichnet, doch war das Stromberger Monument nicht wie dieses als begehbare Familiengrablege gedacht. Immerhin wird deutlich, dass das Rundgrab bereits zu Lebzeiten seines Auftraggebers, wahrscheinlich eines Gutsherrn, erbaut worden war. Auch das Rundgrab von Ochtendung barg nur eine Urnenbestattung (Mutter mit Kind) in einer zentralen Tuffsteinkiste (RiRP 516 f.). Es gehört zur zweiten, häufigeren Gattung von Rundgräbern ohne dromos. Ein neben dem Steinkranz entdeckter Sarkophag zeigt, dass der zugehörige Familienfriedhof bis in das 4. Jahrhundert hinein belegt wurde. In der Nähe gefundene Steinskulpturen bezeugen weitere Grabbauten.

Diese tumuli liegen am Rande des Verbreitungsgebietes der belgisch-treverischen Grabhügel (Wigg 1993). Da das östliche Treverergebiet erst unter Kaiser Domitian auf drei römische Provinzen aufgeteilt wurde, schlägt sich die nördliche obergermanische Provinzgrenze im Verbreitungsgebiet erwartungsgemäß nicht nieder.

Das Verbreitungsgebiet kann durch die Neufunde der tumuli von Weisel (Rhein-Lahn-Kreis) und Wölfersheim (Wetteraukreis) um das nordmainische Limesgebiet erweitert werden (Lindenthal/Rupp 2000).


Nur wenige dieser großen, zwischen ca. 50 und 200 n. Chr. angelegten Grabhügel sind wie die angeführten Beispiele in Stein ausgebaut worden. Die mit Abstand größten Vertreter finden sich im Trierer Land, in der Provinz Gallia Belgica. Auf obergermanischem Boden sticht mit 19 m Dm. der Grabhügel von Büchel hervor (RiRP 350-352). Er barg die Doppelbestattung eines Mann und einer Frau in einer Tuffsteinkiste und erhob sich an der Stelle des Scheiterhaufens. Herausragendes Merkmal ist die quadratische Form des Hügels, die anhand des ihn umgebenden Grabens noch erkennbar war. Er teilt sie mit einer Reihe weiterer treverischer Grabhügel. Hierin kommt sehr wahrscheinlich eine traditionelle, in die Spätlatènezeit zurückreichende Komponente zum Ausdruck. Das gilt ferner für den anschließenden, umwallten Grabgarten, in dem Spuren eines Holzgebäudes (Grabtempel?) entdeckt wurden.

Die Grabhügelsitte scheint im 1. Jahrhundert n. Chr. neu aufzuleben, vielleicht angeregt durch die klassischen frührömischen tumuli am Rhein. Es besteht nämlich ein Hiatus von ca. 300 Jahren zu den jüngsten eisenzeitlichen Hügeln im Verbreitungsgebiet. Allerdings hielten sich in Nordostgallien Grabhügel als Kennzeichnung von „Fürstengräbern“ noch bis in die Spätlatènezeit. Offensichtlich war es unter den veränderten politischen Rahmenbedingungen der frühen Kaiserzeit einem größeren Personenkreis möglich geworden, dieses Merkmal gallischer „Adelskultur“ für sich zu beanspruchen. Die römerzeitlichen Grabhügel sind so gut wie nie in den Gräberstraßen der rheinischen Metropolen, sondern fast ausschließlich bei ländlichen Einzelsiedlungen anzutreffen. Auf diese Weise könnte die Verteilung der Grabhügel vielleicht eine gewisse Kontinuität der lokalen „Einflusszonen“ alteingesessener, landbesitzender Familienclans anzeigen. Andererseits darf nicht verschwiegen werden, dass die Grabhügelsitte auch in anderen Provinzen (neu) aufblühte, so in Britannien, Noricum, Pannonien, Dakien und Thrakien (Becker 1993). Ihnen sind üppige Grabbeigaben bis hin zu Wagengräbern gemeinsam, auch wenn den obergermanischen Vertretern solche Spitzenausstattungen fehlen.

Südlich von Mainz gibt es nur noch wenige tumuli. Neben dem Straßburger (s. o.) ist der eigentümliche Grabrundbau von Mackwiller (Elsass) erwähnenswert: Der 7,5 m durchmessende Mauerkranz ist außen von acht Stützpfeilern umgeben, auf denen nach Architekturresten zu urteilen Säulen oder Halbsäulen standen. Das Monument ist demnach als eine Art Rundtempel (tholos) zu rekonstruieren und gehörte zu einem Villenfriedhof (Hatt 1967; Landes 2002, 45). Hier besteht kein Zusammenhang mit den mittelrheinischen Grabhügeln.


Mausoleen

Auf zweistöckige Mausoleen oberitalischer Prägung weisen einzelne Architekturelemente hin. Zu nennen ist die rund 4 m lange Grabbauinschrift der Gebrüder Cassius von der Weisenauer Gräberstraße. Das Schriftfeld wird von einer tabula ansata gerahmt und von Greifen gehalten (CSIR II, 5 Nr. 55):
M(arcus) Cassius M(arci) f(ilius) Quf(entina / tribu) Med(iolano) v[eteran(us)] / leg(ionis) XIIII Gem(inae) an(norum) [---] / C(aius) Cassius M(arci) f(ilius) Quf(entina / tribu) Med(iolano) frate[r mil(es)] / leg(ionis) XIIII Gem(inae) an(norum) XLV / stip(endiorum) [---] / h(ic) s(iti) sunt. – „M. Cassius, Sohn des Marcus, aus der bürgerlichen Abstimmungsgemeinschaft Oufentina, (gebürtig) aus Mailand, Veteran der 14. Legion Gemina, [---] Jahre alt und C. Cassius, (jüngerer) Sohn des Marcus, (ebenfalls) aus der bürgerlichen Abstimmungsgemeinschaft Oufentina, (gebürtig) aus Mailand, sein Bruder, Soldat der 14. Legion Gemina, 45 Jahre als, davon [---] Dienstjahre, liegen hier begraben“.

Die Inschrift wurde in Vergesellschaftung eines 4 x 4 m großen Fundaments in Gestalt einer massiven Steinpackung gefunden, wie sie für Mausoleen erforderlich ist. Ungewöhnlicherweise ist die obere Profilleiste nur an den Seiten ausgebildet. Ob dieses Detail Konsequenzen für die Rekonstruktion hat, bleibt mangels Vorbilder unentschieden. Nach dem „Eichelstein“ ist dieser der zweitälteste obergermanische Grabbau. Seine Datierung (vor 43 n. Chr., wahrscheinlich tiberisch) stützt sich auf den noch fehlenden Ehrennamen Gemina Martia Victrix der 14. Legion sowie auf die Grabbeigaben. Nach römischer Sitte waren es nur die üblichen, für die „Reise in die Unterwelt“ nötigen. Das Denkmal besetzt eine recht vornehme Lage neben dem Aufmarschplatz der Legion (campus), an dessen Ostrand sich der „Eichelstein“ erhebt.
Das einst ca. 8-10 m hohe, kostspielige Mausoleum wurde für zwei einfache Legionssoldaten errichtet. Unter den 180 militärischen Grabdenkmälern aus Mainz (inklusive der Stelen), die überwiegend in das 1. Jahrhundert zu datieren sind, finden sich nur wenige Grabbauten. An die im Dienst verstorbenen Soldaten erinnerten in der Regel nur Stelen. Die Ränge der Verstorbenen übersteigen den eines centurio nicht (Boppert 2003, 268). Die einfachen Dienstgrade dürften meist andere Sparziele als für ein aufwändiges Grabmal in der Fremde entwickelt haben. Daran änderte sich auch im 2. und 3. Jahrhundert nichts: die große Mehrheit der Grabbauten gaben Zivilisten, Angehörige der lokalen oder regionalen (Wirtschafts-) Elite in Auftrag. Höhere Militärs durften in der Regel erwarten, dass ihre sterblichen Überreste in die Heimat überführt und dort angemessen beigesetzt wurden.
Der umgekehrte Fall ist konkret für einen anderen kaiserlichen Bediensteten überliefert. Sein Name war Zosimus, sein Amt die Leitung der Vorkoster des Kaisers Domitian. Von seinem Mainzer Grabmal blieb nur die Inschriftenplatte übrig. Wie es aussah (Mausoleum?), wissen wir nicht.

Dis Manibus Ti(berio) Claudio / Aug(usti) l(iberto) Zosimo proc(uratori) / praegustatorum imp(eratoris) / Domitiani C[a]esaris / Aug(usti) Germanici h(oc) m(onumentum) / h(eres) n(on) s(equetur). – „Den Totengeistern. Für Tiberius Claudius Zosimus, den kaiserlichen Freigelassenen, Vorsteher der Vorkoster des Kaisers Domitian. Dieses Monument geht nicht in den Besitz der Erben über“.

Die Schlussformel spricht dafür, dass Zosimus tatsächlich in Mainz begraben war. Durch die Anwesenheit des Kaisers während des Chattenfeldzugs kann dieser Grab-titulus in die 2. Jahreshälfte 83 n. Chr. oder danach datiert werden. Eine bis auf die Schlussformel gleichlautende Grabinschrift fand man in Rom, wo ihm Gattin und Tochter ein Ehrenmal (Kenotaph) setzen ließen (uxor et filia monumentum posuerunt).

Im Tempelgeschoss eines Mausoleums standen möglicherweise die Grabstatuen eines Mannes in toga und einer Frau in einheimisch-gallischer Tracht, die bei Ingelheim gefunden wurden (CSIR II, 14 Nr. 67-68). Sie datieren in das 1. Jahrhundert.

Wie das Ingelheimer Grabmal bildete wahrscheinlich auch das Mausoleum von Heidelberg-Rohrbach den Mittelpunkt einer Guthof-Nekropole. Der Rohrbacher Grabbau war jedoch später, wohl erst um 200 n. Chr. entstanden (Ludwig 2006). Ein so spät errichtetes Mausoleum ist im Norden der Provinz ein Ausnahmefall, da hier wie im Treverergebiet noch im späten 1. Jahrhundert die Pfeilergrabmäler zur vorherrschenden Grabbauform avencierten. Von dem 1896 entdeckten und zerstörten Rohrbacher Grabbau waren das tiefreichende Fundament und zahlreiche Skulpturenbruchstücke erhalten, unter anderem von einer Ganymed-Adler-Gruppe (Noelke 1976) und die Hand einer toga-Statue mit Testamentsrolle. Die recht detailliert wiedergegebene Form des Siegelrings trägt zur Datierung bei. Der bärtige Sandsteinkopf eines Germanen mit Suebenknoten ist nicht eindeutig beurteilbar. Spielt er auf die germanischen Wurzeln der civitas Sueborum Nicrensium an, innerhalb derer die Auftraggeber lebten, oder muss er unter die üblichen Darstellungen besiegter Barbaren eingereiht werden (Klatt 1996)?


Nischengrabmäler

Eine andere, in der frühen Kaiserzeit entwickelte Grabmalgattung bilden monumentalisierte Stelen mit annähernd lebensgroßen, vollfigurigen Darstellungen der Verstorbenen innerhalb einer Nische, manchmal mit Muschelgewölbe. Sie sind im Rheinland aus vollfigurigen Soldatengrabstelen entwickelt worden. In Italien pflegte man die Monumentgattungen Stele und Grabbau nämlich voneinander zu trennen, und nicht zu vermischen. Zu den Vorläufern gehören auch architektonisch gerahmte Groß- oder Doppelstelen ohne Bilddarstellungen. Hierfür sei ein Beispiel aus Straßburg vorgestellt (Forrer 1927, 275).

Zu den frühesten und am besten erhaltenen Vertretern gehört das Familiengrabmal von Nickenich (Kreis-Mayen-Koblenz). Es stand vermutlich im selben Villenfriedhof wie der o. g. tumulus. Die drei Einzelstelen werden architektonisch durch eine gemeinsame Basis, Konsole und Grabwächterfiguren vereinigt. Bemerkenswert ist ein Seitenrelief, das die Abführung zweier Gefangener zeigt. Möglicherweise spielt diese Szene auf eine herausragende Tat eines der Verstorbenen an. Der Topos des besiegten Barbaren begegnet jedoch häufig in den rheinischen Grabreliefs des 1. Jahrhunderts n. Chr. (Klatt 1996).

Weitere Beispiele dieser Gattung fand man in Koblenz und als kleinere Variante in Mainz-Weisenau (Andrikopoulou-Strack 1986, Taf. 2; Gabelmann 1987, 293) sowie in der Nachbarprovinz Niedergermanien in Köln. Bei letzterem handelt es sich zugleich um einen typologischen „Zwitter“, dessen pyramidales, von einer Sphinx bekröntes Schuppendach bereits in claudischer Zeit die späteren Pfeilergrabbauten vorwegnimmt.

Dieses Denkmal stellt uns zugleich eine im Raum Mainz um die Mitte des 1. Jahrhunderts „in Mode“ gewesene Darstellungsweise von Ehepaarreliefs vor: beide Partner sind entweder sitzend oder einer stehend, der andere sitzend abgebildet. Das tendenziell älteste Beispiel dafür bietet die berühmte Großstele des einheimsch-gallischen Ehepaares Menimane und Blussus (zuletzt: Böhme-Schönberger 2003). Die einheimische Tracht verrät einen gewissen Stolz und kulturelle Eigenständigkeit. In Italien ließen sich vor allem munizipale Beamte und Priester (z. B. seviri Augustales) frontal auf ihrem Amtssessel (sella curulis) abbilden. Die Rezeption und Modifikation dieser Vorbilder bekräftigt den Anspruch einheimischer Familien. Erstmalig kündet dieses Denkmal der Nachwelt auch von einem wirtschaftlich erfolgreichen Leben, im Falle des Blussus offenbar als Rheinschiffer. Die retrospektiven, manchmal ostentativen Szenen aus dem Alltag der Verstorbenen beherrschten später die Grabdenkmäler im Rheinland, insbesondere bei den Treverern (Freigang 1997; Langner 2001).

Von anderen Stelen unterscheidet sich die von Menimane und Blussus auch durch ihre Doppelseitigkeit. Diese setzt einen spezifischen Aufstellungsort, z. B. zwischen zwei Straßen, oder eine von normalen Stelen abweichende Ausrichtung auf, die die Betrachtung aus entgegengesetzten Fahrtrichtungen ermöglichte. Eine gewisse Parallele dazu stellt das zweiseitig reliefierte Bruchstück einer Großstele (?) aus Ingelheim dar (CSIR II, 14 Nr. 72).

Das Phänomen beidseitigen Reliefschmucks zeichnet schließlich noch das Architekturteil eines Mainzer Grabdenkmals (?) der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts aus. Das Denkmal hat auf beiden Seiten Kassetten und eine Vorderfront mit dreiseitigem Pilaster (CSIR II, 7, 130 f.; Selzer 1988 Nr. 203). Wie soll man das Bauwerk rekonstruieren? Als Trennwand eines aus mehreren Nischen bestehenden Grabmals ähnlich dem von Nickenich böte sich an.

Absolut singulär ist das Grabdenkmal von Schweinschied (Ldkr. Bad Kreuznach), das als zweistöckiges Nischengrabmal ergänzt werden kann. Die Besonderheit: es ist aus dem anstehenden Sandsteinfelsen herausgehauen. Das Obergeschoss ist heute nur noch ansatzweise vorhanden. Die oberen Nischen zeigten lebensgroße Reliefs der Toten, die unteren einen kämpfenden Reiter in der Mitte, links und rechts davon Bäume und Fabelwesen. Vermutlich handelt es sich um das Grab eines Reiterveterans und seiner Familie. Auch die Landschaftssituation des Grabmals weicht vom Üblichen ab, indem es weder an einer Straße noch an einer weithin einsehbaren Stelle steht. Es befindet sich am Hangfuß einer kleinen Talmulde gegenüber dem mutmaßlichen Haupthaus der zugehörigen Villa. Das bedeutet, dass das Monument nur vom Hofgrundstück aus sichtbar war (CSIR II, 9, 133-138).


Aediculae (Gedächtniskapellen)

Grabtempel und –kapellen sind im Rheinland selten, im Gegensatz etwa zu Rätien.
Auch die sog. „Grabkapelle“ von Kruft (südliche Eifel) aus claudisch-neronischer Zeit lässt sich dieser Grabbauform nur bedingt zuweisen (Andrikopoulou-Strack 1986, 24; Eck/v. Hesberg 2003, 171). Im Grunde genommen handelt es sich bei diesem Denkmal um eine große Ehepaarstele mit dem architektonischen Rahmen eines Mausoleum-Geschosses. Man kann dieses Denkmal auch als Variante eines Nischengrabmals ansprechen. Die vielfältige Kombination von Mausoleumsarchitektur und Stelenskulptur ist das eigentlich Typische der Grabarchitektur am Rhein.


Grabpfeiler

Grabpfeiler stellen eine Weiterentwicklung mehrgeschossiger Mausoleen dar, die statt eines Tempels mit Säulen und Grabstatuen geschlossene, in der Regel mehrseitig reliefierte Geschosse aufweisen. Im Zentrum stand fast immer ein Ehepaar- oder Familienrelief.

Die weit überwiegende Mehrzahl von Einzel- und Bruchstücken steinerner Grabarchitektur des 2. und 3. Jahrhunderts stammt von Grabpfeilern. Das gilt für die Weisenauer Gräberstraße ebenso wie für die ganze Nordhälfte des Provinzterritoriums. Das Fehlen der Grabpfeiler im südlichen Limesgebiet ist nicht spezifisch, sondern entspricht dem Ausfall auch anderer Gattungen von Steindenkmälern in dieser Region. Die Gründe hierfür sind wohl eher in den dortigen Grundbesitzverhältnissen als in grundsätzlich anderen kulturellen Gepflogenheiten zu suchen.

Die Seiten- und Begleitreliefs verteilen sich auf zwei Gruppen: neben mythologischen Darstellungen sind solche des Lebensalltags charakteristisch (Langner 2001). Bei beiden Kategorien bildete sich im Laufe der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts ein gewisser Kanon heraus. Dazu gehören u. a. das Toten- oder Familienmahl, Jagd- und Kontorszenen sowie Darstellungen von Lupa Romana, Herkules und dionysischen Tänzerinnen (Kempchen 1995).

Die oft dichte Reliefbedeckung der Grabpfeiler verrät einen gewissen „horror vacui“, der „humorvolle“ Genreszenen nicht ausschließt: der sog. „negotiator-Pfeiler“ aus Mainz zeigt die Beladung eines Frachtschiffes mit Fässern und Säcken, wobei ein gestürzter Träger den Giebelzwickel geschickt ausfüllt.


Zu den größeren Grabpfeilern zählt der von Kirchentellinsfurt bei Tübingen, von dem neben mehreren Blöcken und dem Fundament die Sandsteinköpfe verschiedener Akroter(?)-Figuren übrig blieben (Willer 2005, 146-148). Allein das Ehepaar- oder Familien-Hauptrelief muss nach den Resten zu urteilen rund 3,5 m hoch gewesen sein. Auch dieser Pfeiler stand sehr wahrscheinlich bei einem Gutshof.

Die hier wie in anderen Provinzen auch verhältnismäßig häufig einzeln gefundenen Grabwächter- (v. a. Sphingen und Löwen) und anderen Figurengruppen (Ganymed- und Aeneasgruppen) können keinem bestimmten Grabbautyp sicher zugewiesen werden. Sie zierten Mausoleen und Grabpfeiler ebenso wie Grabgartenmauern, so z. B. im Gräberfeld von Stuttgart-Bad Cannstatt.

Mit einiger Sicherheit lassen sich hingegen Schuppendächer und Pinienzapfen als Bekrönungen von Pfeilergrabbauten ansprechen. Ein eigenwilliger Pinienzapfen mit aufsitzendem Ganymed stammt aus Nida/Frankfurt-Heddernheim (Fasold 2004, 30).



Grabaltäre

Der bislang älteste rheinische Grabaltar – inschriftlich ausdrücklich als ara bezeichnet – wurde in Mainz gefunden (CSIR II, 6 Nr. 87; Boppert 2003, 279 f.). Das Sklavenkind Hipponicus, für den er gesetzt worden war, gehörte zur familia der Gattin des Legionslegaten Iunius Pastor. Die Ämterlaufbahn des Generals gibt die Datierung des Steins in die Jahre 157-159 n. Chr. vor. Da ältere Grabaltäre am Rhein fehlen, kann die Denkmalform kaum aus dem Repertoire einheimischer Bildhauerwerkstätten gewählt worden sein. Vielmehr dürfte diese Senatorenfamilie italische Vorbilder vor Augen gehabt haben. In Abhängigkeit von diesem Denkmal werden die beiden Grabaltäre für die Tochter des Telephoris, wiederum Kennzeichnungen eines Kindergrabmals (CSIR II, 6 Nr. 88-89), ebenfalls in die Mitte des 2. Jahrhunderts datiert. Die übrigen obergermanischen Grabaltäre stammen wie die niedergermanischen aus severischer Zeit. Sie waren über das gesamte Provinzterritorium verbreitet.

Altarförmige Grabbauten setzen südlich von Mainz weitgehend aus. So repräsentiert das Exemplar für Iulius Aprilis, Iulia Accepta und Iulius Acceptus aus Niefern bei Pforzheim (Enzkreis) vorerst den einzigen seiner Art in Südwestdeutschland (Wiegels 1979). Von ihm wurden sechs zersägte Spolien als Abdeckungen frühneuzeitlicher Kirchengräber gefunden. Die ursprüngliche Breite des Denkmals beläuft sich auf 1,78 m, seine Höhe auf ca. 1,1-1,3 m. Die Rekonstruktion orientiert sich an ostgallischen Beispielen (Neumagen), wohin auch die statistische Häufigkeit der inschriftlich genannten Personen weist. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass dieses Grabmal von einer aus Ostgallien eingewanderten Familie in Auftrag gegeben worden war (Kortüm 1995, 153 f.; Willer 2005, 197 f.).

Aus dem Rhein bei Rheinmünster-Greffern (Ldkr. Rastatt) wurde 1969 der Aufsatz eines großen Grabaltares zusammen mit vier Abdeckplatten für eine Grabumfriedung geborgen. Ob sie wirklich Bestandteile desselben Grabbaus bildeten, bleibt unklar. Es besteht nämlich der Verdacht, dass hier eine Schiffsladung nach der Auslieferung aus einem elsässischen Sandsteinbruch havariert sein könnte (v. Hesberg 2005, 380; Willer 2005, 203 Nr. 211).


Einfriedungen

Grabgärten mit Einfriedungen in Form von Gräbchen, Hecken oder Zäunen um einzelne Gräber kommen im Norden Obergermaniens häufiger vor als im Süden, insbesondere nördlich von Mainz während der frühen Kaiserzeit. Offensichtlich konnte man hier wie auch in Ostgallien an eine spätlatènezeitliche Tradition anknüpfen. Grabgärten waren bei der einheimischen Bevölkerung im 2.-1. Jahrhundert v. Chr. beiderseits des Rheins üblich und wurden bis in flavische Zeit neu angelegt. Grabgärten, die von rechteckigen Doppelgräbchen oder Kreisgräben umgeben waren, hat man z. B. beim oppidum Dünsberg untersucht (Schulze-Forster 1996/97).
Das Gräberfeld von Badenheim bei Bad Kreuznach ist ähnlich wie Belginum/Wederath im Hunsrück (Provinz Gallia Belgica) ein Beispiel für ein von der Spätlatènezeit bis in das 4. Jahrhundert fast kontinuierlich belegtes Gräberfeld (Böhme-Schönberger 1998; dies. 2001). Acht Einfriedungen von max. 12 x 12 m Größe umgaben jeweils nur ein oder zwei Gräber der frühen Kaiserzeit. Bei ihnen handelt es sich um die am reichsten ausgestatteten des Friedhofs: die Beigabensitte lässt wie die der Einfriedungen selbst einheimisch-gallische Wurzeln durchscheinen, umgesetzt mit Objekten römischer Provenienz. In gewissem Gegensatz dazu steht das Grab eines spätlatènezeitlichen Kriegers innerhalb eines großen Grabgartens, der Zeitgenosse Caesars gewesen sein dürfte. Anders als in etwa gleichzeitigen „Fürstengräbern“ im Trevererland war ihm kein römischer Gegenstand ins Grab gefolgt. Daher wird erwogen, ob dieser „Adlige“ vielleicht noch in politischer wie kultureller Opposition zu Rom stand. Spätestens in frührömischer Zeit einsetzende Gräberfelder mit unterschiedlich großen, rechteckigen Grabgärten wurden ferner bei Thür (RiRP 574), Mittelstrimmig und Urmitz im Ldkr. Mayen-Koblenz entdeckt.

Die Abgrenzung von Grabplätzen pflegte man auch in Italien. Dort war sie altrömischen Gesetzen geschuldet. Am Mittelrhein trafen also zwei gleichartige, wenn auch unterschiedlich motivierte „Grabbautraditionen“ aufeinander und entwickelten sich fort. Ein Beispiel dafür sind die Einfriedungsmauern der Weisenauer Gräberstraße (Witteyer 2002, 250). Sie umgrenzten in der Regel Familiengrablegen, an deren Frontseiten Inschriftentafeln angebracht oder Grabstelen vorgeblendet waren.
Abweichend davon ist die ca. 9 x 9 m messende Umfriedung XXX von Weisenau zu beurteilen, die rund 100 Brandgräber von ziemlich gleichförmiger Ausstattung umfasste. Hinter der Ummauerung mit betonten runden Eckpfeilern, auf denen vielleicht Wächterfiguren standen, befand sich der vermutlich zugehörige Verbrennungsplatz (ustrina). Die Zahl der Gräber übersteigt die eines gewöhnlichen Familienfriedhofs bei weitem. Daher darf dieser archäologische Befund vielleicht mit einem Bestattungsverein (collegium funeraticum), einer Art Versicherungsgemeinschaft zur Deckung der Begräbniskosten, in Verbindung gebracht werden, deren Existenz gelegentlich durch Inschriften bezeugt ist.

Ähnlich lässt sich eventuell ein deutlich größerer, ebenfalls ummauerter Separatfriedhof an der Tiberiusstraße nordöstlich von Nida/Frankfurt-Heddernheim erklären. Diese 68 x 32 x 60 x 40 m große Anlage war mit 71 Gräbern weniger dicht belegt als ihr Mainzer Pendant, setzt sich aber räumlich von den Gräberstraßen im Norden und Westen der Stadt ab (Fasold 2006, 268 f.).

Wieder anders stellt sich die Situation in Grinario/Köngen dar. Das einzige (bekannte) Gräberfeld des Vicus mit 250 Bestattungen liegt nördlich der Siedlung und war von einer ca. 51 x 72 x 58 x 90 m langen Mauer eingefasst. Zur Straße hin, aber innerhalb der Anlage fanden sich Streifenfundamente von zwei rechteckigen Grabbaufundamenten. Von dort stammen auch drei Architekturglieder und Relieffragmente. Die Gewannbezeichnung „Bei dem Löwenbild“ des 16. Jahrhunderts könnte sich auf ein damals noch stehendes Monument mit Wächterfigur beziehen (Luik 1994, 358; Luik 1996, 116-118). Ummauerte Gräberfelder wie sie vor allem bei Gutshöfen vorkommen, scheinen im Limesgebiet auch bei Vici eine gewisse Alternative zu Gräberstraßen italischer Prägung darzustellen. Ein mit Köngen vergleichbarer Befund zeichnet sich beispielsweise in Burladingen ab (Reim 1994). Diese „unrömische“ Art der Friedhofsanlage dürfte eher auf gallische Vorbilder zurückgehen, die die eingewanderte Bevölkerung mitbrachte.

MUFAS


Abgekürzt zitierte Literatur

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