Municipum Aelium Carnuntum = Colonia Septimia Aurelia Antoniniana Carnuntum – Petronell (Niederösterreich)

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Gründung und Aufbau

Carnuntum wird im Jahr 6 n.Chr. als Ort des Winterlagers des Tiberius während seines Feldzugs gegen den Markomannenkönig Marbod erwähnt. Damals gehörte das Gebiet noch zu Noricum. Eine dauernde römische Besiedlung dürfte erst Jahrzehnte später eingesetzt haben, etwa ab der Mitte des 1. Jh.s. Spätestens damals wurde eine Legion dauerhaft in Carnuntum stationiert und der Ort damit zum Statthaltersitz für Pannonien.

Bedeutende und befestigte Siedlungen der keltischen Boier lagen bis zu deren Untergang kurz nach der Mitte des 1. Jh. im Raum Devin – Bratislava in der heutigen Slowakei und auf dem Braunsberg bei Hainburg, in Sichtweite von Carnuntum Donau abwärts gelegen. Aus dem späteren römischen Siedlungsgebiet selbst ist bis jetzt noch nicht viel spätlatènezeitliches Material gefunden worden. Die strategische Bedeutung Carnuntums lag in der Bewachung des Übergangs der Bernsteinstraße über die Donau, die sich entlang des dicht besiedelten Flussverlaufs der March nach Norden fortsetzte.

Unter Hadrian wurde ein municipium gegründet, das auf einen bereits seit flavischer Zeit bestehenden vicus zurückging. Rund um das Legionslager entwickelten sich bereits im späteren 1. Jh. auch ausgedehnte canabae, die möglicherweise unter Septimius Severus, der hier 192 n.Chr. zum Kaiser ausgerufen wurde, ebenfalls Munizipalstatus erhielten. Die hadrianische Stadt wurde damals in den Rang einer colonia erhoben.

 

Militärlager und canabae legionis

Das um 40/50 n.Chr. erbaute Lager der legio XV Apollinaris ist archäologisch noch wenig bekannt. Erst die Ausbauphase der flavischen Zeit und ein weitgehender Neubau unter den Severern, als hier bereits die legio XIV Gemina Martia Victrix lag, sind gut dokumentiert.

Ca. 1,2 km westlich des Legionslagers wurde ein unter Domitian (81–96 n.Chr.) errichtetes Reiterkastell weitgehend ausgegraben. Seine Erbauung erfolgte anscheinend durch die ala I Tungrorum Frontoniana, später garnisonierten hier die ala I Pannoniorum Tampiana, eine ala III Augusta Thracum Sagittaria und eine ala I Thracum Victrix.

Die canabae legionis erstreckten sich im Westen, Süden und Osten des Legionslagers. Die ältesten Baubefunde gehören in die 2. Hälfte des 1. Jh., im frühen bis mittleren 3. Jh. erreichte die Lagersiedlung ihre größte Ausdehnung mit über 2 km in Ost-West-Richtung. Das Straßennetz verlief unregelmäßig, die einzelnen Quartiere richteten sich nach der Limesstraße und den von den Legionslagertoren ausgehenden Hauptstraßen. Vor der Ostseite des Lagers lag ein Amphitheater, im Westen – ähnlich wie in Lauriacum – ein kaum erforschtes Forum und nördlich von diesem das praetorium des Statthalters.

 

Stadtanlage

Der Stadtplan des hadrianischen municipium und der severischen colonia Carnuntum zeigt – zumindest für den von den Stadtmauern umgebenen Bereich – eine ovoide Mischform aus Rechteck und Ellipse (1.150 zu 525 m; Seitenverhältnis ca. 2 : 1) mit teilweise genau Ost-West-gerichteten geraden und teilweise kurvig verlaufenden decumani und leicht schräg und teilweise gebogen verlaufenden cardines. Eine Straße führte überhaupt diagonal von der Südostecke des Forums nach Südwesten. Das nur durch Bodenmessungen bekannte Forum selbst lag ungefähr mittig in der Stadt, an seiner Nordseite mit der Basilika führte der decumanus maximus vorbei. An der dem Forum gegenüber liegenden Straßenseite befand sich ein derzeit als macellum (Fleischmarkt) gedeuteter Platz, dahinter lagen die großen Thermen (sog. Palastruine).

 

Die Straßen von 4,5 bis 12 m Breite waren häufig mit polygonalen Steinplatten gepflastert und mit Kanälen und teilweise mit erhöhten Gehsteigen oder begleitenden Portiken versehen. Die Baublöcke weisen sehr unterschiedliche Größen von 37,5 × 75 (vor allem im Zentrum) bis zu 100 × 100 m auf. Die im mittleren 1. Jh. als vicus entstandene Siedlung orientierte sich offensichtlich, ähnlich wie die benachbarten canabae legionis und die wesentlich jüngere Siedlung beim Legionslager Lauriacum, nach vorhandenen Fernstraßen, der Lagerumgehungsstraße und den aus den Lagertoren herausführenden Routen. Bei der formalen Stadtgründung war der Stadt- bzw. Bebauungsplan bereits weitgehend vorgegeben.

 

Öffentliche Platzanlagen und Funktionsbauten

Die Stadtmauer wurde bereits mehrfach archäologisch untersucht, ihre früher bevorzugte Datierung in die Severerzeit –anlässlich der Erhebung zur colonia 192 n.Chr. – wird heute bezweifelt; sie dürfte spätantiken Ursprungs sein, da sie große Wohnviertel, die nach Süden ursprünglich bis zum Amphitheater reichten, überbaute und außerhalb liegen ließ. Die Mauer war 2–2,30 m breit und bestand aus einer Außenschale von Quadern, die einen ca. 1 m breiten Kern aus opus caementicium ummantelten. Als Fundament diente eine 0,50 m tiefe Mörtelgussplatte. Es gab mindestens sechs Tore, die aber archäologisch nicht untersucht sind, zumindest an den Ecken der Stadt standen Türme. Die geringe Zahl von Türmen und die große Zahl von Toren steht im Gegensatz zu anderen spätantiken Stadtmauern pannonischer Städte, womit nähere Untersuchungen und eine feste Datierung umso wünschenswerter scheinen.

Von einer gemauerten, nicht näher datierten Fernwasserleitung in die Zivilstadt wurde bei einem Hausbau am Ostrand von Petronell ein kleines Stück gefunden und konserviert.

Das Forum (150 × 66 m) wurde mittels Georadar- und Magnetikuntersuchungen genau in der Mitte der Stadt lokalisiert, aber noch nicht ausgegraben. An den Langseiten verlief hinter einer einschiffigen porticus eine Raumreihe. Im Norden, am decumanus maximus, lag eine basilica. Die gegenüber liegende Schmalseite wurde von einer Gruppe dreier Saalbauten hinter einer gemeinsamen Vorhalle eingenommen. Die Front des mittleren Saales (11,7 × 12,9 m) war über die Vorhalle vorgezogen; er diente am ehesten als Kultraum. Der östliche Raum (9,9 × 13,2 m) besaß eine Fußbodenheizung, was eine Funktion als tabularium (Archivraum) oder curia (Sitzungssaal) wahrscheinlich macht. Hinter diesen Sälen lagen kleinere Räume und eine offene porticus mit Zugängen von der Straßenseite in dieses Amtsgebäude.

 

Das unter Hadrian oder Antoninus Pius errichtete Amphitheater lag am Südrand der Stadt an einer nach Süden führenden Fernstraße. Im Grundriss zeigt es eine sehr gedrungene Ellipse mit einer Arena von 68 × 52 m und ca. 25 m tiefen Zuschauerrängen. Daraus wurde ein Fassungsvermögen von 13.000 Zuschauern errechnet. Aufgangsstiegen für die höher gelegenen Ränge befanden sich bei den Toranlagen an den Scheitelpunkten im Süden und Norden.

Carnuntum besaß öffentliche Thermen mit einer verbauten Fläche von ca. 80 × 75 m. Die in severischer Zeit errichtete, früher als Palastruine bezeichnete Anlage weist ein großes Schwimmbecken im Kaltbadebereich am Ostrand auf. Ein großer Apsidenraum im Süden dürfte als Caldarium gedient haben. Vor ihm breitete sich ein 2000 m² großer, von Mauern umgebener Hof für die nach dem Bad üblichen Ballspiele, Spaziergänge und sonstigen erholsamen Vergnügungen aus. Von den 1939 bis 1977 durchgeführten Ausgrabungen liegt allerdings noch kein Endbericht vor, in vielen Räumen sind die Funktionen ungeklärt, ebenso die Nutzungsdauer.

  

 

Anschließend an die Thermen und mit deren Hof durch Stiegen verbunden lag ein langrechteckiger Platz (Gesamtmaße: ca. 35 × 13 m; offene Hoffläche: 23,5 × 6,5) am decumanus maximus, der an drei Seiten von Räumen umgeben war und deshalb als macellum (Fleischmarkt) interpretiert wird. Einer von diesen Räumen diente nach einer Inschrift als schola (Vereinslokal) des collegium centonariorum (Feuerwehrverein). Drei zentrale Monumente im Hof werden als Basen von Kultdenkmälern interpretiert. Die Platzanlage könnte schon im 2. Jh. entstanden sein.

Weitere kleine Thermen vom Blocktypus befanden sich im 1938 ausgegrabenen Wohnviertel (Freilichtmuseum) und im Heiligtum der Heliopolitanischen Götter (Thermenbau: 19,5 × 20,5 m) in den stadtartig ausgebauten Canabae legionis.

Östlich anschließend an die Thermen im Wohnviertel befand sich ein in der Literatur mit Fragezeichen als horreum (Getreidelager) oder valetudinarium (Spital) bezeichneter Bau, der von beiden Schmalseiten über Höfe und Gässchen von den vorbeiführenden Straßen aus erreicht werden konnte. Der Kernbau mit 38 × 12 m besaß beidseits eines offenen Durchganges sieben bzw. acht Einzelräume. Wie bei den ähnlichen Grundrissen in Flavia Solva darf man wohl an ein Werkstätten- bzw. Marktgebäude denken.

Tempel und heilige Bezirke

Im innerstädtischen Bereich von Carnutnum liegen keine gesicherten Befunde zu öffentlichen Tempelanlagen vor. Ein nach Osten orientierter Podiumstempel lag an der Südseite des Forums, allerdings gibt es dazu keine näheren Befunde oder erklärende Funde. Außerdem kennen wir kleine, in die Wohnviertel integrierte Heiligtümer für Silvanus und verschiedene orientalische Gottheiten, die wahrscheinlich auf Vereinsbasis betrieben wurden und hauptsächlich den Anwohnern des jeweiligen Stadtviertels als private Kultstätten dienten. Meist waren diese in Vereinshäuser integriert. Ihre Form reicht von einfachen Einraumbauten bis zu Ensembles mit Antentempel, Versammlungssaal mit Liegepodien und mehreren Nebengebäuden in einem Hof- oder Gartenareal wie im Fall eines Dolichenusheiligtums.

  

 

Allerdings dürfte für die Zivilstadt in Carnuntum das auch für den Kaiserkult bedeutende Heiligtum des Iuppiter Optimus Maximus auf dem nahegelegenen Pfaffenberg eine wichtige Rolle gespielt haben. Dieses wurde ursprünglich von Legionären und den Bewohnern der Canabae legionis angelegt und von ihrer Kultorganisation, der vier magistri montis vorstanden, geführt. Im späteren 2. und 3. Jh. scheinen aber auch Decurionen des Munizipiums bzw. der Colonia Carnuntum unter diesen "Meistern des Berges" auf.

Auf dem nahezu ebenen Plateau des Berges, das seit Beginn der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts völlig der Steinbruchtätigkeit zum Opfer gefallen ist, standen zumindest zwei Tempelgebäude, ein Kulttheater, zahlreiche Altäre und Säulendenkmäler sowie insgesamt ein Dutzend Sitzstatuen von Iuppiter oder einem Kaiser im "Iuppiterkostüm". Ein lange Zeit als Haupttempel angesehenes Gebäude mit breiter Vorhalle, durch seitliche Podien gegliedertem Hauptraum und zwei Nebenräumen, von denen einer als Küche genützt worden sein dürfte, wurde vor kurzem als Speisehaus einer Kultgemeinde orientalischer Götter erkannt. Wahrscheinlich diente der Bau als Versammlungsgebäude der, wie eine Bauinschrift hadrianischer Zeit für eine "hundert Fuß lange Mauer" zeigt, unter dem Schutz des Iuppiter Optimus Maximus Dolichenus stehenden iuventus von Carnuntum, einer paramilitärischen staatlichen Jugendorganisation. Dieser Bund könnte auch in dem mit Zuschauertribünen versehenen und mit einer ca. 2 m hohen Mauer eingefassten Theater Spiele und Aufführungen zu Ehren der Kaiser und zum Ruhme Roms veranstaltet haben.

 

Unklar ist der Hintergrund eines zumindest ab dem späteren 2. Jh. begangenen Festtages am 11. Juni (älteste erhaltene Inschrift aus dem Jahr 178), an dem Iuppiter auf dem Pfaffenberg ebenso regelmäßig Weihinschriften erhielt wie ein Iuppiter mit dem Beinamen Teutanus im Umland von Aquincum (Budapest) in der Provinz Pannonia inferior. Man hat diesen 11. Juni zuerst als Tag des so genannten Blitzwunders des Jahres 172 in Anspruch zu nehmen versucht, das sich während des Markomannen- und Quadenkrieges des Kaisers Marcus Aurelius zugetragen und die römische Armee gerettet haben soll. Da diese These aber auf unhaltbaren Ergänzungen einiger Inschriften beruhte, wurden in der Folge andere Lösungen angeboten: der Gründungstag der beiden Städte Carnuntum und Aquincum; der Geburtstag der ungeteilten Provinz Pannonien oder eben der Tag ihrer Teilung im Jahr 106; der Tag der Weihung des Kapitols oder des Kaiseraltars in der ursprünglichen Hauptstadt Pannoniens vor seiner Teilung, Savaria (Szombathely); sogar an ein keltisch beeinflusstes Sonnwendfest hat man gedacht. E. Toth hat jüngst vorgeschlagen, im 11. Juni den offiziellen Gründungstag der beiden Heiligtümer zu sehen und vorsichtig argumentiert, dass diese Initiative auf die Statthalterschaft des Aelius Caesar im Jahr 137 zurückgehen könnte. Aelius Caesar, Adoptivsohn und designierter Thronfolger Hadrians, war seit der Teilung Pannoniens in zwei Provinzen deren einziger gemeinsamer Statthalter.

Gegen diese These spricht allerdings, dass der älteste bekannte, wenn auch stark fragmentarisch erhaltene Weihaltar vom Pfaffenberg von einem Angehörigen der legio XV Apollinaris der Victoria errichtet worden ist und somit wohl bereits spätestens im Jahr des Abzugs der Legion, 62 n.Chr., aufgestellt worden sein muss; der Tempelbezirk scheint also nur wenig jünger als die Stationierung der ersten Legion in Carnuntum um die Mitte des 1. Jh. zu sein, der 11. Juni als Festtag und die Verehrung eines Iuppiter K(arnuntinus?) aber traten erst später zum Kultgeschehen dazu. Dafür könnte einer der beiden Tempel, nach den geringen Resten seiner Bauinschrift zu urteilen, von Aelius Caesar für den im Nil ertrunkenen jugendlichen Liebhaber Hadrians, Antinoos, errichtet worden sein.

In den Canabae legionis von Carnuntum liegen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander drei heilige Bezirke, einer für Liber und Libera mit einem kleinen, nach Osten offenen Podiumtempel (9,60 × 6,60 m) in einem mit zwei Hallen ausgestatteten Hof (21 × 24 m), ein bisher nur durch ein Fragment einer Tempelbauinschrift gesichertes Heiligtum für Isis und Serapis und eine ausgedehnte Anlage für die Göttertrias der Stadt Heliopolis-Baalbek.

  

 

Mit einer eingefassten Fläche von 90 × 110 m war das Heiligtum des I(uppiter) O(ptimus) M(aximus) H(eliopolitanus) der größte bekannte Baukomplex in den Canabae. Im Osten eines zentralen Hofes befand sich der Tempel, der mindestens einmal mit verschobenem Standort neu errichtet werden musste. Der ältere Tempel A (9,50 × 4,80 m) könnte den Resten der Fassadenverkleidung nach als einfacher Rechteckbau mit Pilasterfront bereits in hadrianischer Zeit errichtet worden sein, der jüngere, um 200 n.Chr. errichtete Tempel B stand auf einem Podium und wies Cella und Vorhalle auf. In der Südostecke lag ein Thermenkomplex von ungefähr 400 m², der nach einer bereits 1872 bei Grabungen gefundenen Altarinschrift von einem Legionstribunen Cornelius Vitalis im 3. Jh. zu Ehren des Iuppiter Heliopolitanus errichtet wurde. Im Westen schlossen weitläufige Hallen an das Badegebäude an, hinter denen über einen gemeinsamen Vorraum zwei Kultsäle mit Liegepodien betreten werden konnten. Der kleinere Saal (10 × 15 m) besaß eine Hypokaustheizung. Die Podien verliefen nur entlang der Längswände. An der dem Eingang gegenüberliegenden Seite befand sich ein Fundament für ein Kultbild. Bei dem größeren Saal (13 × 25 m) liefen die Podien an drei Seiten der Wand entlang, an der vierten wurde ein Fundamentblock für einen Altar oder ein Kultbild gefunden. Zwei in die vorgelagerten Hallen eingebaute kleine Räume dienten wohl als Küche oder Depoträume für das bei den gemeinsamen Kultmahlzeiten benötigte Gerät und Geschirr. Ein für Wohnzwecke geeigneter, vielleicht Priestern oder Pilgern dienender Trakt konnte bisher nicht fertig ausgegraben werden. Alle vier im Kultbezirk geborgenen Inschriften, zwei Altäre und zwei metallene Votivplättchen, beziehen sich nur auf Iuppiter Heliopolitanus. Venus Victrix und Mercurius sind hier nicht nachweisbar. Umso schwieriger ist es, die Funktion der beiden Kultsäle näher einzugrenzen und deren Publikum zu bestimmen.

 

Wohnbauten

Ausgrabungen in den canabae legionis sowie im Freiluftgelände im municipium lassen erkennen, dass alle bekannten römischen Haustypen, vom lang gestreckten Streifenhaus über Hofhäuser mit mehreren Trakten bis zu Peristylhäusern in Carnuntum vorhanden waren; in den meisten Fällen sind aber die Grundrisse und Bauperioden nicht ausreichend bekannt oder nicht verlässlich nachvollziehbar.

Ein Wohnviertel der Zivilstadt wurde bereits ab 1938 im Rahmen der Führer-Grabungen archäologisch untersucht, die damals konservierten Grundrisse (Freiluftgelände) und ihre Periodisierung lassen sich jedoch heute nicht mehr aufrecht erhalten. Neuerlich untersucht wurde 2001–2002 Haus I (jetzt als "Haus des Lucius" öffentlich zugänglich). Nach Spuren einer Holzperiode I aus dem späten 1. oder frühen 2. Jh. folgte um die Mitte des 2. Jh. ein Stein(sockel)bau mit max. 0,60 m breiten Schotterfundamenten im Typus des Mittelkorridorhauses. Beidseits des zentralen Ganges mit vorgelegtem Windfang im Norden lagen anscheinend je zwei Räume. Die umbaute Fläche (ohne Windfang) betrug ca. 18 × 15 m.

  

 

In Periode II aus der Severerzeit wurde das Haus nach Süden verlegt und von der Straße abgerückt. Sein umbauter Raum mit 16,5 × 15 m wies wiederum einen zentralen Korridor auf, im Westen davon lagen zwei und im Osten vier Räume, von denen alle bis auf einen mit 60 m² Innenfläche nur 10 bis 16 m² groß waren. Im Süden, zur Straße hin, wurde nun ein von Mauern eingefasster, quadratischer Garten von 16,5 m Seitenlänge bzw. gut 270 m² Nutzfläche angelegt.

 

Sichtbare Reste und Museen

Der Archäologische Park Carnuntum (APC) ist Österreichs größtes archäologisches Tourismusgebiet. Neben dem Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg sind das Freiluftgelände in Petronell (Wohnviertel der Zivilstadt), das spätantike Heidentor und die beiden Amphitheater (Legionslager und Zivilstadt) zu besichtigen. Weitere Bauten wie die großen Thermen (sog. Palastruine ) in Petronell werden zur Konservierung und Öffnung für Besucher vorbereitet. Das großteils ausgegrabene Legionslager wurde wieder zugeschüttet, seine Mauerns sind aber als Geländemerkmal deutlich erkennbar.

In Petronell befindet sich außerdem das private Museum des Vereins Auxiliarkastell Carnuntum, in dessen Keller eine Kreuzung der Fernwasserleitung mit einem Abwasserkanal konserviert wurde; auch Wechselausstellungen finden hier statt.

 

Literaturauswahl

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Ch. Ertel – V. Gassner et al., Untersuchungen zu den Gräberfeldern in Carnuntum, Der Römische Limes in Österreich 40 (1999).

V. Gassner, Kulträume mit seitlichen Podien in Carnuntum. Überlegungen zum Tempel II im Iuppiterheiligtum auf dem Pfaffenberg, in: Vis Imaginum. Festschrift für Elisabeth Walde zum 65. Geburtstag (2005) 79–90.

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W. Jobst, Provinzhauptstadt Carnuntum. Österreichs größte archäologische Landschaft (1983).

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Grabungs- und Fundberichte sowie Einzelstudien laufend in: Carnuntum Jahrbuch; Fundberichte aus Österreich; Römisches Österreich