Municipum Claudium Iuvavum – Salzburg (Salzburg)

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Gründung und Aufbau

Iuvavum, der Name hängt mit dem Fluss Iuaro bzw. Ivarus (Salzach) zusammen, liegt an einem alt genützten Flussübergang über die Salzach unter dem Stadtkern von Salzburg mit dem Stadtzentrum und gehobenen Wohnvierteln am linken Ufer und einem kleineren, etwas jüngeren Siedlungsbereich am rechten Ufer. Auf den umliegenden Bergzügen liegen vier latènezeitliche Höhensiedlungen (Hellbrunner-, Kapuziner-, Rain- und Festungsberg), im näheren Umland, in Vororten der heutigen Stadt Salzburg, sind sechs Flachlandsiedlungen festgestellt worden. Diese sind wohl alle dem zum regnum Noricum gehörigen Stamm der Ambisontii zuzurechen.

Erste römische Baubefunde an diesem Treffpunkt zweier Handelsrouten, der Salzach-Inn-Route und der vom Chiemsee über Ovilavis-Wels zur Donau führenden Wegverbindung, stammen bereits aus der Zeit direkt nach der Okkupation von Noricum um 15 v.Chr. Das claudische Stadtrecht ist gesichert, bis in flavische Zeit erreichte der Ort bereits seine größte bauliche Ausdehnung. Einer flächigen Zerstörung in der Zeit der Markomannenkriege folgte in severischer Zeit die materielle Blütezeit, aus der reich mit Mosaiken, Stuck und Wandmalereien ausgestattete Häuser stammen.

Auf ein Militärlager im Stadtgebiet oder in der weiteren Umgebung gibt es keine Hinweise.


Stadtanlage und öffentliche Bauten

Die maximale Ausdehnung des dicht verbauten Gebietes am linken Salzachufer umfasst eine Fläche von 800 x 400 Metern. Von der inneren Gliederung sind einzelne Straßenzüge auf kurze Strecken ausgegraben worden, die zeigen, dass ein regelhaftes orthogonales System nicht durchgängig existierte. Die Straßenverläufe richteten sich eher nach den Geländevorgaben von Fluss und Bergen, bildeten aber in einzelnen Quartieren regelmäßige Raster. Die bekannten Straßenkörper sind relativ schmal, meist nur ca. 4–5 m, selten 7 m breit, wohl ein Zeichen des Mangels an Bauplatz. An mehreren Stellen konnten begleitende Portiken festgestellt werden. Bei den Domgrabungen stieß man auf mächtige Fundamente eines bis heute nicht publizierten Quadrifrons, der nach im Dombereich gefundenen Inschriften für das severische Kaiserhaus um 205 n.Chr. errichtet worden sein dürfte.

Die Lage des Forums wurde aus unzureichenden Indizien an verschiedenen Stellen festzumachen versucht. Ein Zentrum öffentlicher Bauten befand sich im Ostteil der Stadt (bei der Kaigasse 33), wo verschiedentlich Säulen und andere Architekturglieder sowie vereinzelt mächtige Mauerfundamente angetroffen wurden.

Im Grundriss ergänzbar ist nur ein Tempelbau, der wahrscheinlich in seiner letztgültigen Form in severischer Zeit errichtet wurde. Es handelt sich um die 1945 in der Kaigasse aufgedeckten Fundamente eines Ringhallentempels mit Außenmaßen von 45,4 x 29,6 m. Dieser in seiner Art bisher in Noricum einzigartige Kultbau war Ost-West-gerichtet und besaß nach den vorhandenen Untersuchungsergebnissen nur einen ungeteilten Innenraum, der doppelt so tief wie breit war und ca. 32 x 16 m maß. In unmittelbarer Nähe wurden in einer Bergegrube bereits 1885 vier Statuetten des Heilgottes Asklepios, eine davon als Doppelbildnis mit seiner Partnerin Hygieia, der Kopf einer Kybele und ein Sarapiskopf, alle aus dem 2. oder früheren 3. Jh., gefunden. Ein ebenfalls in der Kaigasse entdeckter Weihaltar an Asclepius von Q. Sabinius Onesimus, einem Angehörigen einer der in Noricum führenden Familien, könnte dem Tempelbau deutlich vorausgehen. Die durch die genannten Funde naheliegende, allgemein akzeptierte Zuweisung des Tempels an Asklepios findet in den nordwestlichen Provinzen nur in Trier eine Parallele.

Ein weiterer Tempel für Mercurius auf dem Nonnberg ist nur durch seine Bauinschrift erschließbar.

Von einer Wasserleitung rechts der Salzach vom Kapuzinerberg in die Stadt wurden bei Wiederaufbauarbeiten nach dem 2. Weltkrieg in der Linzer Gasse zwei parallele Holzrohrstränge auf etwa 10 m Länge ausgegraben und in das 1. Jh. n.Chr. datiert. Die Rohre (Bohrung ca. 3–3,5 cm Durchmesser, Rohrlänge 4 m) waren aus Schwarzerle gefertigt, die Verbindungsklötze aus Stieleiche.


Wohnbauten

Aus dem Vicus augusteischer Zeit sind einfache Blockhäuser einheimischer Bautradition bekannt, im frühstädtischen Gefüge dominierten Fachwerkbauten, ab dem ausgehenden 1. Jh. dominieren bei Privathäusern vermörtelte Bruchsteinmauern. Komplette Grundrisse dieser komplexen Häuser verschiedener Typen oder gar ganze Insulae sind aufgrund der Innenstadtsituation noch nirgends erfasst. Im Folgenden werden nur einige Beispiele vorgestellt.

Unter dem Westteil des Domes und am anschließenden Domplatz wurde ein Peristylhaus – der einzige Bau dieses Typs in Iuvavum bisher – festgestellt, dessen Gesamtgröße mit ca. 1.000 m² zu berechnen ist. Ein mit Steinen gepflasterter Hof war an mindestens drei Seiten mit Säulenhallen umgeben (Gesamtbreite Hof + Hallen ca. 18 m), vom Rest des Hauses sind acht Räume und drei Korridore partiell ausgegraben worden. Es handelt sich um den Wohntrakt der Anlage, sieben Räume erhielten im Lauf der Zeit Mosaiken, drei waren flächig beheizt. Unter den Böden verlief ein Abwassersystem. An der Straße im Süden lagen Tabernen. Vom Wirtschaftstrakt mit Küche und Werkräumen (im Norden?) ist nichts bekannt.

Der Peristylhof sitzt auf Mauern eines gleichartigen Vorgängers aus dem frühen 2. Jh. auf; die hier besprochene Anlage wurde im ausgehenden 2. Jh. errichtet und bis in das 4. Jh. hinein umgebaut und ausgestaltet.

Im sog. Kapitelhaus erbrachten Ausgrabungen Reste von zwei Hofhäusern beidseits einer Gasse. Hier werden nur die Grundrisse des frühen und späten 2. Jh. betrachtet, die jeweils älteren Fachwerkbauten sind nicht näher fassbar. Die Böden der Innenräume bestanden aus Estrichen bzw. Terrazzo, für die offenen Einheiten wurde Lehmschlag verwendet; die Wände waren meist weiß getüncht. Haus A besaß im frühen 2. Jh. eine Gruppe von drei parallelen Räumen im Norden, davor zur Straße anscheinend eine Porticus. Im Süden der Raumgruppe lag ein Hof mit offener Laube an seiner Nordseite und einer Herdstelle; von der östlich anschließenden Straße konnte der Hof nicht betreten werden. Im Westen des Hofes öffneten sich zumindest drei weitere kleine Räume zu nächsten Gasse. Der Südteil des Hauses ist unbekannt.

Der Wiederaufbau nach der Markomannenkatastrophe zeigt ein stark verändertes Bild. Im Hof saß statt der Laube ein Becken in der Nordwest-Ecke, die Herdstelle wurde weiter verwendet. Der größte Wohnraum im Nordosten erhielt eine Heizung, in den vergrößerten nordwestlichen Eckraum wurde ein geschlossener Backofen eingebaut. Die drei Räume im Westen wurden zugunsten einer zur Gasse offenen Halle aufgelöst. Insgesamt erhält man den Eindruck einer verstärkten wirtschaftlichen Nutzung des bekannten Gebäudeteils.

Das benachbarte Haus B machte eine ähnliche Entwicklung durch. Drei von Nord nach Süd gestaffelte, parallele Räume (einer mit Zisterne) lagen an der Straße bzw. Straßenkreuzung, im Süden liegt eine Reihe weiterer Räume mit Wirtschaftsfunktion (Küche mit Herd) vor. Auch hier wurde beim Neubau im späten 2. Jh. der nördliche Eckraum mit flächiger Bodenheizung versehen, im anschließenden Raum wurde die Zisterne aufgegeben.

Drei ähnlich mehrteilige, aber komplexere Hofhäuser mit Lage an einer Straßenkreuzung wurden im Hof der Neuen Residenz festgestellt. Auch hier werden die Bauphasen des frühen und späten 2. Jh. der Häuser A und B einander gegenüber gestellt. Von Haus A liegt hinter einer Porticus im Osten ein schmaler Korridor als Eingangsraum, dahinter ein quer gelegter Korridor und ein Arbeitshof mit Schmelzöfen. Westlich an diesen schließen ein schmaler und ein breiter Raum an. In der nachmarkomannenzeitlichen Bauphase wurde statt dieses großen Raumes ein Keller abgetieft, im Hof anstelle der Schmelzöfen eine Zisterne angelegt, eine weitere im Straßenraum anstelle der Porticus.

Die ergrabene Fläche von Haus B ist wesentlich größer und zeigt vier Raumreihen auf. Die bekannte umbaute Mindestfläche liegt bei mehr als 30 zu 25 m. Straßenseitig ist wiederum ein großer Arbeitshof vorhanden, der zuerst einen Schmiedewerkplatz, dann einen Keramikofen beherbergte. In Phase 2 wurde die Raumzahl durch Verkleinerung der Zimmer vermehrt und in den rückwärtigen Raumreihen wurden mindestens drei Zimmer und zwei Korridore mit Hypokausten ausgestattet.


Sichtbare Reste und Museen

Die Funde aus Iuvavum befinden sich großteils im Salzburger Museum Carolino-Augusteum, Steindenkmäler und Mosaiken sind außerdem an verschiedenen Stellen der Innenstadt (z.B. im Wallistrakt und im Stift St. Peter) zu besichtigen. Das Dommuseum zeigt konservierte römische Baureste und Funde eines reich ausgestatteten Privathauses.


Literaturauswahl

Hl. Rupert von Salzburg, Ergänzungsband: Archäologische Entdeckungen in der Erzabtei St. Peter in Salzburg (1996).

M. Hell, Reste römischer Wasserleitungen in Salzburg, Mitt. Ges. Salzburger Landeskunde 98, 1958, 261–266.

M. Hell, Ein römischer Tempelbau in Juvavum-Salzburg, Mitt. Ges. Salzburger Landeskunde 100, 1960, 29–44.

N. Heger, Salzburg in römischer Zeit, Jahresschrift Salzburger Museum Carolino-Augusteum 19 (1973).

N. Heger, Die Skulpturen des Stadtgebietes von Iuvavum, CSIR Österreich III 1 (1975).

N. Heger, Frührömische Amphoren aus der Stadt Salzburg (Mozartplatz 4), Bayerische Vorgeschichtsblätter 51, 1986, 131–161.

W. Jobst, Römische Mosaiken in Salzburg (1982).

P. Karnitsch, Sigillata von Iuvavum (Salzburg). Die reliefverzierte Sigillata im Salzburger Museum Carolino-Augusteum, mit einem Beitrag von N. Heger, Jahresschrift Salzburger Museum Carolino-Augusteum 16 (1970–1971).

W.K. Kovacsovics, Iuvavum – Zum Beginn und zur Entwicklung der römischen Stadt im 1. Jahrhundert, in: Genese, Struktur und Entwicklung römischer Städte im 1. Jahrhundert n. Chr. in Nieder- und Obergermanien, hrsg. v. G. Precht, Xantener Berichte 9 (2001) 227–244.

W.K. Kovacsovics, Iuvavum, in: M. Šašel Kos – P. Scherrer (Hrsg.), The Autonomous Towns in Noricum and Pannonia – Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien: Noricum, Situla 40 (2002) 165–201.

W.K. Kovacsovics, Iuvavum – Neue Beobachtungen zur Struktur der römischen Stadt, in: L. Borhy, P. Zsidi (Hrsg.), Die norisch-pannonischen Städte und das römische Heer im Lichte der neuesten archäologischen Forschungen. Aquincum Nostrum II 3 (2005) 145–158.

W.K. Kovacsovics – R. Kastler, Domgrabungsmuseum Salzburg (2004).

H. Lange, Römische Terrakotten aus Salzburg, Schriftenreihe Salzburger Museum Carolino-Augusteum 9 (1990).

E. Thüry, Der Quadrifrons von Juvavum, Mitt. Ges. Salzburger Landeskunde 107, 1967, 67–70.

Grabungsberichte regelmäßig in: Salzburg Archiv; Fundberichte aus Österreich.