Zentralorte in der Provinz Obergermanien

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In der Provinz Obergermanien existierten Zentralorte mit unterschiedlichem Rechtsstatus: drei Kolonien, ein Municipium und 14 oder 15 Vororte von selbstverwalteten Gebietskörperschaften ohne Stadtrecht, den Civitates. Die Provinzhauptstadt Mainz verfügte bis ins späte 3. Jh. n. Chr. wohl nicht über einen vergleichbaren Rechtsstatus. Unsicher ist der vorhandene oder geplante Status der mit städtischen Merkmalen ausgestatteten Siedlung von Lahnau-Waldgirmes, die im ersten Jahrzehnt n. Chr. gegründet und wieder aufgegeben wurde.

Einheimische Vorläufer

Anhand ihrer Beinamen lässt sich eine Bildung aus älteren Stammestrukturen insbesondere links des Rheins nachweisen, während rechts des Stromes die Gemeinwesen meist nicht auf ältere Bevölkerungsverbände zurückgeführt wurden. Eine kontinuierliche Entwicklung von einheimischen Oppida hin zu römischen Städten ist allerdings nur für Andamentunnum-Langres als Civitas-Vorort der Lingonen und Vesontio-Besançon als Civitas-Vorort der Sequaner belegt. Einen Sonderfall bildet Aventicum-Avenches, wo spätlatènezeitliche Heiligtümer und Gräber nachgewiesen sind, die zu einer Kultstätte der Helvetier wohl für die Wassergöttin Aventia gehörten. Für Vrocomagus-Brumath gibt zumindest das Fundmaterial einen Hinweis auf eine möglicherweise kontinuierliche Besiedlung seit der Latènezeit.

Im nördlichen Obergermanien bildeten westlich des Rheins die germanischen Stämme der Nemeter und Vangionen Civitates sowie östlich des Stroms die Mattiaker und Neckarsueben. Deren Zentralorte gehen allerdings nicht auf einheimische Siedlungen, sondern auf frühere Militärstandorte zurück. Die Namen der übrigen rechtsrheinischen Civitates ergeben keinerlei Hinweise auf die Vorbevölkerung, gleiches gilt für die archäologische Überlieferung.

Gründung der Zentralorte

Die ältesten römischen Stadtgründungen stellen die Veteranenkolonien Iulia Equestris-Nyon und Augusta Raurica-Augst dar, die von Caesar bzw. Munatius Plancus bereits in den Jahren 45/44 v. Chr. deduziert worden waren. Eine Siedlungsaktivität lässt sich allerdings bei beiden erst ab dem vorletzten Jahrzehnt v. Chr. nachweisen. Die Einrichtung der Civitates der Helvetier mit Hauptort Aventicum-Avenches sowie der Sequaner mit Hauptort Vesontio-Besançon und Lingonen mit Hauptort Andemantunnum-Langres kann aufgrund des Ausbaus der Hauptorte ebenfalls in die Regierungszeit des Kaisers Augustus datiert werden. Für Vrocomagus-Brumath, das zumindest aufgrund einiger Funde kontinuierlich seit der Latènezeit besiedelt gewesen sein könnte, kann eine frühe Gründung zumindest nicht ausgeschlossen werden

Einen Sonderfall stellt die bereits im 1. Jahrzehnt n. Chr. errichtete und wieder aufgegebene stadtartige Anlage in Lahnau-Waldgirmes dar, die im Zusammenhang mit der unter Kaiser Augustus gescheiterten Okkupation der germanischen Gebiete stand. Welchen Status die Siedlung besaß bzw. später erhalten sollte, ist unbekannt.


Um 70 n. Chr. wurde Aventicum-Avenches, das bis dahin Vorort der civitas Helvetiorum war, von Kaiser Vespasian zur Kolonie erhoben. Ein Weiterbestehen der Civitas mit Aventicum als Versammlungsort ist wahrscheinlich. Für die Vangionen und Nemeter könnte die Konstituierung der Civitates mit dem Abzug der in den späteren Hauptorten Borbetomagus-Worms und Noviomagus-Speyer stationierten Hilfstruppeneinheiten in frühflavischer Zeit (um 70/75 n. Chr.) erfolgt sein.

 

Die in claudischer (um Mitte 1. Jh. n. Chr.) bzw. frühflavischer Zeit (70er Jahre 1. Jh. n. Chr.) eroberten rechtsrheinischen Gebiete wurden erst längere Zeit nach der Eroberung in zivile Gebietskörperschaften umgewandelt.


Im rechtsrheinischen Obergermanien befanden sich zehn bzw. elf Gebietskörperschaften. Unsicher ist die Bestimmung von Portus-Pforzheim als Hauptort einer namentlich nicht bekannten Civitas. Bis auf das municipium Arae Flaviae-Rottweil handelt es sich um Civitates. Ungewöhnlicherweise kommen nur zweimal ethnische Bezeichnungen einheimischer Gruppen im Namen der Gebietsköprschaften vor: die Neckarsueben (Suebi Nicrenses) und die Mattiaker (Mattiaci). In beiden Fällen lässt zwar eine Vorbevölkerung archäologisch nachweisen, die kontinuierliche Entwicklung von einer einheimischen Siedlung zum römischen Vorort ist jedoch nicht feststellbar. Anfang des 2. Jh. n. Chr., in traianischer Zeit, wurden die civitas Taunensium mit Hauptort Nida-Frankfurt-Heddernheim, die civitas Ulpia Nicrensium mit Hauptort Lopodunum-Ladenburg und wahrscheinlich auch die civitas Mattiacorum mit Hauport Aquae Mattiacorum-Wiesbaden, der Vorort einer namentlich nicht bekannten Civitas mit Hauptort Riegel sowie das municipium Arae Flaviae-Rottweil gegründet. In all diesen Orten sind Kastelle nachgewiesen, die - abgesehen von Riegel - bis ins frühe 2. Jh. n. Chr. belegt waren. Erst der Abzug des Militärs führte hier zu umfangreichen Veränderungen.

Frühestens um 125 n. Chr. , möglicherweise auch erst im späteren 2. Jh. n. Chr., folgte die Gründung der Civitas Auderiensium mit Hauptort Med…-Dieburg. Mit der letzten Vorverlegung des Limes um 155/160 ergab sich die Möglichkeit weiterer Civitas-Gründungen. Bad Wimpfen, der Hauptort der im späten 2. Jh. n. Chr. errichtete civitas Alisinensium war ein ehemaliger Militärstandort.

Zwei Civitates trugen den Beinamen Aurelia, der auf eine Gründung unter Marc Aurel (161-181 n. Chr.) schließen lässt. Die civitas Aurelia Aquensis mit Hauptort Aquae-Baden-Baden sowie die civitas Aurelia G… mit Hauptort in Neuenstadt a. Kocher. In Baden-Baden existierte in flavischer Zeit (ab ca. 75 n. Chr.) ein Kastell, das aber vor dem Ende des 1. Jh. n. Chr. wieder aufgegeben worden war. Ob es schon vor der Verleihung des Beinamens Civitas-Vorort wurde, ist unbekannt. Dagegen lag Neuenstadt a. Kocher in dem Mitte des 2. Jh. n. Chr. neu eroberten Limesgebiet.

Der Zeitpunkt der Gründung der civitas Sumelocennensis mit Hauptort Sumelocenna-Rottenburg lässt sich innerhalb des 2. Jh. n. Chr. nicht näher bestimmen. Für Portus-Pforzheim muss die Bestimmung als Civitas-Hauptort offen bleiben, ebenso dessen mögliches Gründungsdatum. Die vermutete Existenz einer weiteren Gebietskörperschaft im südlichen rechtsrheinischen Obergermanien mit Iuliomagus-Schleitheim als Vorort kann nicht belegt werden.

 

Einen Sonderfall stellt die Provinzhauptstadt Mogontiacum-Mainz dar. Sie war Legionsstandort und erhielt bis ins späte 3. Jh. n. Chr. keinen zivilen Rechtsstatus als Kolonie, Municipium oder Civitas-Vorort. Die Siedlung ist als canabae legionis, also Zivilsiedlung der hier stationierten Legionen einzustufen. Es sind aber auch hier einige Bauten nachgewiesen bzw. anzunehmen, wie sie sich auch in den Zentralorten befanden.

Das Theater von Mainz.

Art der Gründung

Bei den beiden Kolonie Iulia Equestris-Nyon und Augusta Raurica-Augst handelt es sich um Neugründungen ohne unmittelbare einheimische oder römische Vorgängersiedlung. Einen Sonderfall bildet der wohl im Bereich eines älteren Heiligtums gegründete Civitas-Vorort und die späteren Kolonie Aventicum-Avenches. Ebenfalls eine Neugründung stellt die nur kurzzeitig im 1. Jahrzehnt n. Chr. bestehende Siedlung von Lahnau-Waldgirmes dar, deren Status unbekannt ist.

Gesamtplan der colonia Augusta Raurica-Augst.
Gesamtplan von Aventicum-Avenches.
Gesamtplan der colonia Iulia Equestris-Nyon.
Lahnau-Waldgirmes. Gesamtplan der römischen Befunde mit Ergänzungen.

Als Nachfolger keltischer Oppida sind die Civitas-Vororte Vesontio-Besançonund Andamentunnum-Langres anzusehen, möglicherweise ging auch Vrocomagus-Brumath aus einer einheimischen Siedlung hervor.

Gesamtplan von Andamentunnum-Langres.
Gesamtplan von Vesontio- Besançon.
Vrocomagus-Brumath. Plan mit Rekonstruktion des Straßennetzes.

Am häufigsten wurden in Obergermanien die Zentralorte an ehemaligen Kastellplätzen errichtet, so in Borbetomagus-Worms, Noviomagus-Speyer, municipium Arae Flaviae-Rottweil, Nida-Frankfurt-Heddernheim, Lopodunum-Ladenburg, Aquae Mattiacorum-Wiesbaden, Bad Wimpfen, Riegel und Aquae-Baden-Baden. Diese liegen im nördlichen linksrheinischen und rechtsrheinischen Teil der Provinz.

Borbetomagus-Worms. Gesamtplan der römischen Siedlung mit Rekonstruktion des Straßennetzes.
Noviomagus- Speyer. Straßennetz und Siedlungsstellen im 2.-3. Jh. n. Chr.
Aquae Mattiacorum-Wiesbaden. Gesamtplan der römischen Befunde.
Nida-Frankfurt a. M.-Heddernheim. Gesamtplan der römischen Befunde.
Lopodunum-Ladenburg. Plan der römischen Siedlung.
Dieburg. Plan der römischen Siedlung.
Aquae-Baden-Baden. Ausdehnung der römischen Siedlung.
Gesamtplan des römischen Bad Wimpfen.
Neuenstadt. Gesamtplan der römischen Siedlung nach Luftbildern und geophysikalischen Messungen.
Arae Flaviae-Rottweil. Gesamtplan der römischen Siedlung östlich des Neckars.

 

Plan der Steinbauten und Fundstellen Gesamtplan der römischen Siedlung
Riegel. Stadtplan des römischen Riegel mit Ergänzung und Straßennetz.

 

Bauphasen

Die Frage von Bauphasen, insbesondere beim Übergang von der Holz- zur Steinbauphase kann im allgemeinen zwar tendenziell beantwortet werden, jedoch lässt sich dies nicht auf alle Befunde anwenden, da es in vielen Siedlungen ein Nebeneinander von Holz- und Steinbauten gab. Zudem muss berücksichtigt werden, dass auch Häuser über einem steinernen Sockel, den wir archäologisch als Steinbau einordnen, einen Aufbau aus Fachwerk tragen konnten.

Die großen öffentlichen Gebäude wurden überwiegend aber bereits von Anfang an in Stein ausgebaut. Bei den Wohnbauten vergeht eine Zeitspanne von der Gründung der Siedlung bis zu ihrem Ausbau in Stein. Bei den seit keltischer Zeit kontinuierlich besiedelten Zentralorten (Langres, Besançon) lässt sich eine Übernahme römischer Ausgestaltung mit Wandmalerei bzw. teilweiser Ausbau in Stein bereits zu Beginn des 1. Jh. n. Chr. beobachten. Ab der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. kann für den Südteil der Provinz mit den Zentralorten Iulia Equestris-Nyon, Augusta Raurica-Augst, Aventicum-Avenches, und Vesontio-Besançon eine zunehmende Verwendung der Steinbauweisebeobachtet werden. Anders verlief die Entwicklung bei den Wohnorten in den nördlichen und rechtsrheinischen Zentralorten. Hier kann ein Übergang von der Holz- zur Steinbauweise erst ab der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. beobachtet werden. Gut datierte Beispiele finden sich in Noviomagus-Speyer, Lopodunum-Ladenburg, und Bad Wimpfen.

Neben dem Übergang von der Holz- zur Steinbauweise im Bereich der Wohnbauten ist auch der Ausbau der Zentralorte mit öffentlichen Gebäuden und Stadtmauern keiner kontinuierlichen Entwicklung unterworfen, sondern geht in Phasen vor sich. Diese spiegeln die wirtschaftliche Kraft des jeweiligen Gemeinwesens bzw. auch gezielte Förderung durch die römische Adminstration wider. So konnte der Ausbau einer Stadt Jahrzehnte nach deren Gründung noch fortgesetzt werden. Details können den Beschreibungen zu den einzelnen Orten entnommen werden.

 

Typische Bauten

Bei allen Zentralorten der Provinz Obergermanien, unabhängig von ihrem Status, wird man eine Mindestausstattung mit öffentlichen Bauten voraussetzen dürfen. Diese umfasste das Forum mit Basilika, mindestens ein öffentliches Bad sowie Tempelanlagen und Herbergen. Darüber hinaus scheint es in Bezug auf einzelne Bauten, Stadtmauern oder Wasserleitungen keinen spezifischen Unterschied zwischen Kolonien, Municipien und Civitas-Vororten zu geben, allerdings ist die komplette Ausstattung wohl am ehesten in den Kolonien zu erwarten. Bei den Civitas-Vororten dürften vielmehr die Wirtschaftskraft oder politische Unterstützung über die Ausstattung entschieden haben. Auch die Größe etwa der Forumsbasilika ergibt keinen Hinweis auf den Status einer Siedlung.

 

Forum und Basilika

Ein hölzernes Forum ist als älteste Anlage für Augst nachgewiesen. Als regionale Besonderheit wurden im südlichen Obergermanien die Foren in Augst, Avenches, Nyon und vermutlich auch in Besançon durch eine Straße zweigeteilt, wie dies auch in den gallischen Provinzen üblich war. Während in einem Teil die für das öffentliche Leben wichtige Basilika als Ort von Gerichtsverhandlungen und Amtsräumen stand, lag im anderen Teil ein Tempel. Fora sind neben den genannten Orten vollständig oder in Ausschnitten noch linksrheinisch in Langres(?) und Worms, rechtsrheinisch in Lahnau-Waldgirmes, Ladenburg, Riegel und Rottweil nachgewiesen. In Augst und Ladenburg existierte ein zweites Forum, das rein wirtschaftlichen Interessen diente. Bei den Basiliken handelte es sich meist um dreischiffige Anlagen mit randlich angesetzten Räumen. Für die Sitzungen des Dekurionenrates konnte auch ein Raum (curia) an die Basilika angebaut sein wie in Augst. Die Länge der Basiliken lag zwischen 45 und 75 m. Der vorgelagerte Hof war seitlich von Tabernen begleitet.

Augusta Raurica-Augst. Grundrissplan des Hauptforums nach 140 n. Chr. mit Ergänzung der Mauerzüge.
Augusta Raurica-Augst. Grundrissplan des Südforums und der Marktgebäudes mit Ergänzung der Mauerzüge.
Aventicum-Avenches. Grundriss des Forums mit den angrenzenden inuslae.
Vesontio-Besançon. Nördlicher Abschluss des Forums (rue Moncey).
Lopodunum-Ladenburg. Grundriss des Forums.
         
Lahnau-Waldgirmes. Grundriss des Forums mit Ergänzungen.
Colonia Iulia Equestris- Nyon. Ergänzter Grundriss des Forums der jüngeren Phase (nach 70 n. Chr.).
Riegel. Schematischer Grundriss der Forumsbasilika mit Ergänzungen.
Borbetomagus-Worms. Ergänzter Grundriss des Forums

Bäder

Öffentliche Badeanlagen lassen sich von den privaten Bädern, die in Wohnbauten integriert waren, durch ihre Größe unterscheiden. Zur aufwändigen Ausstattung gehörten auch Mosaike und Wandmalereien. In vielen Zentralorten gab es auch zwei oder mehr Thermen. Die Räume umfassten jeweils mindestens einen Umkleideraum (apoditerium), ein Kalt-, Warm- und Heißbad (frigidarium, tepidarium, caldarium) sowie ein Schwitzbad (sudatorium). Für die Lage der Thermen innerhalb der Stadt gibt es keine festen Regeln. Sie kommen allerdings häufiger zentral, etwa in der Nähe des Forums, als in Randbezirken vor.

Relativ früh, jedoch mehrere Jahrzehnte nach dem Siedlungsbeginn können wir öffentliche Bäder in den Kolonien im Süden der Provinz Obergermanien finden. Eine größere Thermenanlage des frühen 1. Jh. n. Chr. (insula 19) kennen wir aus Avenches. Dort ist auch eine Verlegung der Forumsthermen um 70 n. Chr. belegt. In Augst entstanden die Frauenthermen als erstes öffentliches Bad um die Mitte des 1. Jh. n. Chr., die Zentralthermen im letzten Viertel des 1. Jh. n. Chr. In Nyon werden die Forumsthermen in die 60er oder 70er Jahre des 1. Jh. n. Chr. datiert. Umbauten fanden im 2. Jh. n. Chr. statt.

Aventicum-Avenches. Rekonstruktion der Thermen auf insula 19.
Aventicum-Avenches. Grundriss der älteren Forumsthermen auf insula 23.
Aventicum-Avenches. Grundriss der jüngeren Forumsthermen auf insula 29.
     
Augusta Raurica-Augst. Grundrissplan der Zentralthermen mit Ergänzung der Mauerzüge.
Augusta Raurica-Augst. Grundrissplan der Frauenthermen im 2. Jh mit Ergänzung der Mauerzüge.
Colonia Iulia Equestris- Nyon. Grundriss des nördlichen Teils des Forums mit angrenzenden Thermen

 

Von an anderen linksrheinischen Zentralorten der Provinz sind lediglich aus Besançon und Brumath Ausschnitte von öffentlichen Badegebäuden bekannt. Letzteres entstand erst in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr.

Vesontio-Besançon. Ausschnitt einer Thermenanlage.
Vrocomagus-Brumath. Grundriss des Badegebäudes.

Auch für die Civitas-Vororten rechts des Rheins sind öffentliche Bäder bekannt. Die größten Badeanlagen befanden sich in Frankfurt a. M.-Heddernheim mit den Ost- (64 x 36 m) und den Westthermen(45 x 68 m). Aus Rottenburg sind sogar drei öffentliche Badeanlagen überliefert, die allerdings wesentlich kleiner ausfielen. Weitere Thermen konnten in Rottweil und Neuenstadt a. Kocher nachgewiesen werden. Auch für die weiteren Civitasvororte rechts des Rheins sind öffentliche Thermen vorauszusetzen, so etwa in Ladenburg, wo bislang lediglich ein Ausschnitt untersucht werden konnte.

Nida-Frankfurt a. M.-Heddernheim. Ergänzter Grundriss Ostthermen und Prätorium.
Sumelocenna-Rottenburg. Grundriss Bad I.
Sumelocenna-Rottenburg. Grundriss Bad II.

 

Arae Flaviae-Rottweil. Grundriss der Thermen bei der Pelagiuskirche.
Neuenstadt a. Kocher. Grundriss der römischen Thermen.

 

Heilbäder

Eine Sonderstellung nehmen die aufgrund heißer Quellen als Heilthermen einzustufende Badeanlagen ein. Dies gilt für Wiesbaden und Baden-Baden. In den großen Thermen von Wiesbaden standen mehrere kleine, mit Thermalwasser gespeiste Wannen zur Verfügung, die sonst nicht zur üblichen Ausstattung gehörten. Der Kernbau entstand bereits vor der Einrichtung der Civitas im späten 1. Jh. n. Chr. und wurde im 2. Jh. n. Chr. ausgebaut. Die Nutzung der heißen Quellen begann bereits in der Zeit, als Wiesbaden noch ein Truppenstandort war. Besondere Bedeutung besaß Wiesbaden als Heilbad für die unweit stationierten Mainzer Legionen.

Gleiches gilt für die Funktion der Thermen in Baden-Baden für die in Straßburg stationierte Legion. Im Bereich der dortigen heißen Quellen befand sich mit den im frühen 2. Jh. n. Chr. erbauten sogenannten "Kaiserthermen" und den "Soldatenthermen" mindestens zwei große Badeanlagen.

Aufgrund von Weihinschriften ebenfalls als Heilbad werden die Thermen in der Grienmatt in Augst interpretiert, in deren Nachbarschaft sich ein aufwändig gestaltetes Heiligtum mit Nymphäum (s.u.) befand.

Aquae Mattiacorum-Wiesbaden. Grundriss der großen Thermen am Kranzplatz.
Aquae-Baden-Baden. Bäderbezirk.
Augusta Raurica-Augst. Rekonstruktion des Heilbades in der Grienmatt.

 

Öffentliche Latrine

Eine öffentliche Latrine, die in U-förmiger Anordnung für bis zu 35 Personen Platz bieten konnte, ist bisher nur in Rottenburg nachgewiesen.

Sumelocenna-Rottenburg. Grundriss der Latrine (Bildmitte) und der angrenzenden Gebäude mit Ergänzungen.

Herbergen

Mindestens eine Herberge (mansio) gehörte zur Grundausstattung römischer Städte. Ihre Identifikation ist oft schwierig, da Grundriss und Architektur sehr unterschiedlich ausfallen konnten. Einen relativ einheitlichen Bautyp bilden die als mögliche staatliche Unterkunftshäuser angesehenen rechteckigen Bauwerke mit großem Innenhof und seitlichen Kammerreihen (praetorium), die in Frankfurt-Heddernheim, Neuenstadt a. Kocher im Zentrum der Siedlungen nachgewiesen sind. Hier kann wohl auch die an der Peripherie in Rottweil gelegene Herberge angeschlossen werden. Unsicher ist hingegen, ob dies auch für den im Zentrum von Augst gelegene Baukomplex (insula 7) gilt. Diese Gebäude nahmen mit Längen von 40-70 m auch große Areale ein. Für Augst kommt auch noch eine weitere Herberge mit Hofbereich Remisen und einer Badeanlage (Region 5b) hinzu.

Nida-Frankfurt a. M.-Heddernheim. Modell des Prätoriums (links) und der Ostthermen. Arae Flaviae-Rottweil. Rekonstruktionszeichnung mit Herberge (links) und Badegebäude (rechts). Augusta Raurica-Augst. Grundrissplan Herberge (Region 5b).

Theater

Die szenischen Theater in den Kolonien von Augst und Avenches waren in einer Achse mit größeren Tempelanlagen entstanden, was insbesondere Gallien relativ häufig vorkam. Mit einem Fassungsvermögen von ca. 8.000 Zuschauern war ihre Größe beachtlich. Das um 65 entstandene Augster Theater war im 2. Jh. n. Chr. zu einem Arenatheater ausgebaut worden, das für Gladiatorenspiele genutzt werden konnte. Erst im 3. Jh. n. Chr. wurde es wieder zu einem szenischen Theater umgestaltet. In Besançon wurden an zwei Stellen in der Stadt Befunde, die nicht sicher zu deuten sind, mit Theatern in Verbindung gebracht.

Augusta Raurica-Augst. Grundrissplan des Schönbühl-Heiligtums in der älteren Phase. Augusta Raurica-Augst. Erstes Theater (ca. 65-110). Augusta Raurica-Augst. Zweites Theater, Ausbau als Amphitheater (ca. 110-200).

 

Augusta Raurica-Augst. Drittes Theater (ab ca. 200). Aventicum-Avenches. Grundriss des Theaters mit Rekonstruktion (rechte Bildhälfte).

Das größte szenische Theater nördlich der Alpen mit einem Fassungsvermögen von ca. 10.000 Besuchern befand sich in der Provinzhauptstadt Mainz. Es spielte eine wichtige Rolle bei den jährlich stattfindenden Feierlichkeiten zum Gedenken an den 9 v. Chr. verstorbenen kaiserlichen Prinzen Drusus, zu denen Gesandte aus allen gallischen und germanischen Gemeinwesen zusammenkamen. Wann es jedoch in Stein ausgebaut wurde, ist unsicher, möglicherweise existierte ein hölzerner Vorgängerbau.

Das Theater von Mainz.

 

Ein kleines hölzernes Theater mit ca. 1.000 Sitzplätzen ist im rechtsrheinischen Obergermanien in Frankfurt a. M.-Heddernheim nachgewiesen. Ein wesentlich größeres Theater befand sich in Ladenburg, soweit dies aus den nur unzureichend untersuchten Bauresten hervorgeht. Überliefert sind zudem mit Inschriften versehene Sitzsteine. Ein Sitzstein und wenige Befunde sprechen auch für ein Theater in Rottweil.

Arae Flaviae-Rottweil. Mauerbefunde im Bereich des vermuteten Theaters.

Amphitheater

In den Zentralorten Obergermaniens sind vier Amphitheater archäologisch nachgewiesen, die alle im Süden der Provinz lagen. Ihre charakteristische länglich-ovale Form unterscheidet sie eindeutig von den szenischen Theatern. Die Amphitheater in Nyon und Avenches entstanden um 100 n. Chr., der Augster Bau erst zu Beginn um 200 n. Chr. In Augst (s.o.) war im 2. Jh. n. Chr. das Theater so umgebaut worden, dass es auch als für Arena für Kämpfe dienen konnte. Ein weiteres großes Amphiteater ist in Besançon nachgewiesen. Für Speyer vermutet man ein Amphitheater aufgrund eines Baugliedes mit Inschrift.

Colonia Iulia Equestris- Nyon. Grundriss des Amphitheaters
Aventicum-Avenches. Grundriss des Amphithaters im 3. Jh. n. Chr.
Augusta Raurica-Augst. Grundrissplan Amphitheater.
Vesontio-Besançon. Grundriss des Amphitheaters

 

Tempel

Besonders reich ist die archäologische Überlieferung für Tempel in den Kolonien im Süden der Provinz Obergermanien. Ein Forumstempel ist in Augst und Avenches nachgewiesen und aufgrund der Zweiteilung der Foren auch für Nyon zu vermuten. Wegen ihrer zentralen Stellung dürften sie als Tempel für den Kaiserkult gedient haben. Die Funktion eines Großbaus auf der dem Forum benachbaren insula 23 in Avenches als Kapitolstempel, einem Heiligtum für die Staatsgötter Iupiter, Iuno und Minerva, ist in seiner Interpretation umstritten.

In Augst und Avenches konnten zudem große Sakralbezirke mit römischen und gallorömischen Tempeln nachgewiesen werden. Auch die Verbindung von römischem Tempel und Theater liegt in beiden Städten vor. Der Cigognier-Tempel von Avenches, dessen Architekur dem Templum Pacis in Rom vergleichbar ist, entstand am Ende des 1. Jh. n. Chr., er wird als Anlage für den Kaiserkult gedeutet. Der Schönbühltempel in Augst datiert um die Mitte des 2. Jh. n. Chr., er könnte Merkur geweiht gewesen sein. Als besondere Bauformen können zwei große gallorömische Umgangstempel mit Freitreppen aus Avenches (Derrière la Tour und Grange-du-Dîme) angesehen werden, daneben waren im Sakralbezirk aber auch einfache gallisch-römische Umgangstempel vorhanden. In Augst befanden sich zwei gallorömische Heiligtümer in ummauerten Bezirken (Sichelen 1 und 2). Sowohl in Augst als auch in Avenches bestanden größere ummauerte Komplexe, in deren Mitte sich ein aufwändig gestaltetes Heiligtum mit Brunnenanlage (Nymphäum) befand, wobei in Augst noch eine Heiltherme (s.o.) in unmittelbarer Nähe lag.

Augusta Raurica-Augst. Forumstempel mit Grundriss und Rekonstruktion.
Augusta Raurica-Augst. Grundrissplan des Heiligtums in der Grienmatt und des Heilbades mit Ergänzung der Mauerzüge.
Augusta Raurica-Augst. Grundrissplan des Schönbühl-Tempels mit Rekonstruktion in der jüngeren Phase.
Augusta Raurica-Augst. Südwestteil der Stadt mit den Tempelbezirken auf Sichelen.

 

Aventicum-Avenches. Das westliche Stadtquartier mit Tempelanlagen und Spielstätten.
Aventicum-Avenches. Rekonstruktion des Westquartiers. Ansicht von Süd.
Aventicum-Avenches. Grundriss des Grange-du-Dîme-Tempels mit Umgebung.
Aventicum-Avenches. Grundriss des Cigognier –Tempels.

 

Aventicum-Avenches. Rekonstruktion des Cigognier –Tempels.
Aventicum-Avenches. Übersichtsplan mit Cigognier-Tempel und Theater.

Als große Tempelanlage kann auch ein Rundbau mit über 90 m Durchmesser und einem monumentalen Eingang aus Besançon gedeutet werden. Rundtempel sind bislang in Obergermanien selten nachgewiesen. Lediglich aus Avenches ist noch ein weiterer, allerdings kleinerer Rundtempel bekannt.

Vesontio-Besançon. Runder Monumentalbau.
Aventicum-Avenches. Rekonstruktion des Rundtempels beim Grange-du-Dîme-Heiligtum.

Kultbezirke mit gallo-römischen Umgangstempeln konnten auch in den Zentralorten rechts des Rheins in Rottweil, Rottenburg, Dieburg und Neuenstadt am Kocher archäologisch untersucht werden. In Dieburg und Rottenburg ist zudem eine Ummauerung des Kultbezirks nachgewiesen, zu dem auch Kapellen und Nebengebäude gehören konnten. Bei dem durch Luftbilder bekannten Bau aus Neuenstadt a. Kocher handelt es sich um eine Mischung aus gallorömischem Umgangstempel und römischem Podiumstempel. Die für Rottenburg und Dieburg vorliegenden Anfangsdatierungen weisen ins 2. Jh. n. Chr. Ein weiterer, allerdings nur in Ausschnitten untersuchter Umgangstempel befand sich am Florentiner Berg in Baden-Baden. Er wird als Teil eines Quellheiligtums gedeutet.

Dieburg. Plan des Tempelbezirks.
Aquae-Baden-Baden. Römische Baureste am Florentinerberg.
Sumelocenna-Rottenburg. Tempelbezirk.

 

Arae Flaviae-Rottweil. Grundriss eines Umgangstempels (Villa B).
Arae Flaviae-Rottweil. Grundriss zweier gallorömischer Umgangstempel.

Mithrasheiligtümer sind bislang nur in den rechtsrheinischen Civitas-Vororten nachgewiesen. Aus Heddernheim kennen wir durch Baubefunde vier, aus Ladenburg zwei Mithräen sowie aus Dieburg und Wiesbaden jeweils ein Mithräum. Sie bestanden üblicherweise aus einem Vorraum, einem langrecheckigen, abgesenkten Kultraum mit seitlichen Podien als Sitzbänken und einem Kultbild an der Stirnseite. Der Kultraum des Wiesbadener Heiligtums war in einen Fels eingetieft worden.

Aquae Mattiacorum-Wiesbaden. Grundriss des Mithrasheiligtums und Querschnitt.
Dieburg. Grundriss des Mithräums.

Stadtmauern

Eine Holz-Erde-Mauer umgab die kurzfristig im 1. Jahrzehnt n. Chr. bestehende Siedlung von Lahnau-Waldgirmes, deren Status wir nicht kennen. Die frühesten steinernen Stadtmauern in Zentralorten der Provinz Obergermanien entstanden um die Mitte bzw. den 70er Jahren des 1. Jh. n. Chr. in den Kolonien von Augst und Avenches. In Avenches lässt sich ein direkter Zusammenhang mit der Gründung der Kolonie herstellen. Dort wurde die Stadtumwehrung komplett mit fünf Toren, 73 Türmen und vorgelagertem Spitzgraben fertig gestellt. In Augst hingegen blieb die Mauer unvollendet, es kam nur zum Bau einzelner Abschnitte. Ein Durchlass zwischen zwei Türmen ersetzte ein Tor im Südwesten. Dies zeigt, dass die Stadtmauern eher einen repräsentativen Zweck erfüllten und den Status der Stadt hervorheben sollten.

Augusta Raurica-Augst. Rekonstruktion des unvollendet gebliebenen östlichen Stadttores während der Bauarbeiten.
Aventicum-Avenches. Schematischer Plan des Osttores.
Aventicum-Avenches. Rekonstruktion des Osttores.

 

Im rechtsrheinischen Teil der Provinz Obergermanien entstanden wurden die Civitas-Vororte Frankfurt a. M.-Heddernheim, Ladenburg, Rottenburg und Bad Wimpfen erst um 200 bzw. im frühen 3. Jh. n. Chr.mit einer Stadtmauer versehen. Es handelte sich jeweils um eine mit Toren und Türmen versehene Umwehrung mit rückwärtigem Wall und einem bzw. mehreren vorgelagerten Spitzgräben. In Ladenburg war allerdings der nördliche Abschnitt der Befestigung als Erdwall ausgeführt. Ob die Umwehrungen wie bei den Kolonien im südlichen Obergermanien eine repräsentative Funktion erfüllten, oder ob sie bereits im Hinblick auf drohenden germanische Überfälle errichtet wurden, ist noch ungeklärt. Eine Schutzfunktion wird man dagegen sicher den im späten 3. bzw. 4. Jh. n. Chr. errichteten Stadtmauern in Mainz, Speyer, Langres, Besançon zuweisen.
Nida-Frankfurt a. M.-Heddernheim. Querschnitt der römischen Stadtmauer mit Annäherungshindernissen.
Sumelocenna-Rottenburg. Rekonstruktion der Stadtmauer.

Wasserleitungen

Fernwasserleitungen zur Versorgung von Zentralorten mit Frischwasser konnten in Augst, Avenches, Nyon und Besançon im Süden der Provinz Obergermanien sowie in Rottenburg im rechtsrheinischen Teil nachgewiesen werden. Die zu überbrückenden Entfernungen betrugen dabei zwischen 6,5 km (Augst) und 17 km (Avenches). Es handelte sich dabei um gemauerte Kanäle, die unterirdisch verliefen und nur ausnahmsweise, etwa zur Überwindung von Tälern oder im unmittelbaren Vorfeld der Städte, als oberirdische Aquädukte ausgeführt waren. Für die Besançon versorgende Leitung durchstach man auch einen Berg (Porte Taillée). Innerhalb der Städte wurde das Wasser in der Regel, wie in Augst nachgewiesen, in einem zentralen Sammelbecken aufgefangen und anschließend über Ton- und Bleileitungen weiterverteilt. So sprechen auch Fragmente Bleirohren in der Siedlung von Lahnau-Waldgirmes im 1. Jahrzehnt n. Chr. für die Existenz einer Fernwasserleitung. Die Wasserversorgung innerhalb der Siedlungen war in erster Linie für öffentliche Bäder und Laufbrunnen bestimmt. Kanäle in bzw. unterhalb der Straßen führten Ab- und Regenwasser aus den Städten.

Verlauf der nach Aventicum-Avenches führenden Fernwasserleitungen.
Aventicum-Avenches. Fernwasserleitung im Querschnitt.
Sumelocenna-Rottenburg. Verlauf der römischen Wasserleitung
Sumelocenna-Rottenburg. Querschnitt der römischen Wasserleitung.

 

Rechtsstatus der Städte

Aus Obergermanien kennen wir drei Kolonien. Augst wurde mit vollem Titel als colonia Paterna Munatia Felix Apollinaris Augusta emerita Raurica bezeichnete, Avenches als colonia Helvetiorum und Nyon als colonia Iulia Equestris. Es handelt sich bei diesen dreien um Veteranenkolonien bei deren Gründung entlassene Legionäre angesiedelt wurden. Im Unterschied zu Augst und Nyon, die Ende des 1. Jh. v. Chr. entstanden, bestand Avenches bereits als Civitas-Vorort der Helvetier. Eine Kolonie war der Stadt Rom rechtlich gleichgestellt. Bürger dieser drei Kolonien, die das Recht hatten am öffentlichen Leben teilzunehmen, waren die in ihr registrierten römischen Bürger, nämlich die Veteranen und ihre Angehörigen sowie mit dem römischen Bürgerrecht ausgestattete Einheimische. Ob das Bürgerrecht zu einem späteren Zeitpunkt allen freien Bewohnern dieser Städte verliehen wurde, ist unbekannt.
Wie die Kolonien besaßen auch die Municipien ein eigenes Stadtrecht. Aus Obergermanien kennen wir allerdings nur das municipium Arae Flavia-Rottweil als Stadt mit diesem Status. Unklar ist, ob seiner Gründung eine Phase als Civitas vorausging.

Die übrigen Gemeinwesen in Obergermanien besaßen lediglich den Status einer Civitas. Die einheimischen Bewohner waren nicht Inhaber des römischen Bürgerrechts. Dennoch verfügten die Civitates über eine den Städten vergleichbare Selbstverwaltung mit gewählten Beamten und übernahmen die Verwaltung und Steuereintreibung innerhalb ihres Territoriums. Administrativer Mittelpunkt waren die hier behandelten Civitas-Vororte.

Ein Sonderfall liegt bei den Helvetiern vor. In deren Gebiet existierte zumindest eine Zeit lang neben der colonia Helvetiorum auch eine civitas Helvetiorum. Für ein vergleichbares Nebeneinander gibt es auch Hinweise bei der Raurakern.

Bis ins 3. Jh. n. Chr. ohne eine zivilen Rechtsstatus blieb die Provinzhauptstadt Mainz. Rechtlich handelte es sich um die Zivilsiedlung eines Legionslagers (canabe legionis). Es existierte aber eine von den hier ansässigen römischen Bürgern ausgeübte, im Vergleich mit den zivilen Gemeinwesen wohl eingeschränkte römische Selbstverwaltung.

 

Hinweise auf die Bewohner

Wir kennen aus der Provinz Obergermanien eine Reihe von Einwohnern. Eine Zuweisung zu einem bestimmten Gemeinwesen ist immer dann möglich, wenn sich der Betreffende als Bürger (civis) oder gar Inhaber eines Amtes im jeweiligen Gemeinwesen zu erkennen gibt. Vom Namen auf den Bürgerrechtsstatus des Betreffenden zu schließen, ist oft schwierig. Aus der Provinz Obergermanien lassen sich insbesondere auch Angehörige von Hilfstruppeneinheiten und den Elitetruppen in der Stadt Rom nachweisen.

 

Kulte

Neben den bereits beschriebenen Tempeln lassen sich in den Zentralorten auch Kulte insbesondere durch Inschriften, Reliefs und Statuen bzw. Statuetten nachweisen. Sie waren auch Mittelpunkte des lokalen Kaiserkults, für den sich einige Funktionäre bei den lokalen Beamten der Kolonien und Civitasvororte finden. Der Vollzug der Opfer beim Kaiserkult bildete einen wichtigen Bestandteil der offiziellen kommunalen Amtshandlungen. Klassisch-römische Gottheiten fanden sich überwiegend im offiziellen Rahmen, so etwa bei der Verehrung der als Staatsgötter geltenden kapitolinischen Trias (Iupiter, Iuno, Minerva). Vielfach werden dabei römische Götter mit einheimischen Gottheiten gleichgesetzt, was sich in speziellen Attributen und Beinamen zeigt. Die Masse der einheimischen Elemente lässt sich dem keltischen Kulturkreis zuordnen. Daneben wurden auch östliche Gottheiten verehrt, wobei die meisten Belege auf Mithras entfallen, dessen Heiligtümer sich insbesondere in den ehemaligen Kastellstandorten fanden.

 

Zusammenfassung

Die Entwicklung der Zentralorte in der Provinz verlief unterschiedlich. Es lässt sich ein südlicher Provinzteil mit den drei Kolonien in Augst, Nyon und Avenches sowie den Civitas-Vororten in Langres und Besançon aussondern. Diese lagen in den ehemals keltisch besiedelten Gebieten der Helvetier, Rauraker, Lingonen und Sequaner, die eine bereits in vorrömischer Zeit politische Strukturen mit den Oppida als Zentralorten besaßen. Ihre Entwicklung verlief ähnlich wie bei den gallischen Zentralorten, was auch in ihrer möglichen Zugehörigkeit zur Provinz Gallia Belgica vor der Einrichtung der Provinz Obergermanien begründet sein könnte. Die Kolonien und Civitasvororte wurden bereits in der Regierungszeit des Kaisers Augustus im späten 1. Jh. v. Chr. bzw. zu Beginn des 1. Jh. n. Chr. eingerichtet. Alle Zentralorte im südlichen Obergermanien waren mit einem rechtwinkeligen Straßennetz versehen, soweit nicht topographische Gründe zu abweichenden Lösungen zwangen. Die dadurch entstandenen Gebäudeblocks (insulae) waren entweder einer öffentlichen Nutzung durch Großbauten oder der Wohnbebauung zugewiesen. Im letztgenannten Fall erfolgte eine weitere Einteilung in einzelne Hausparzellen. Vermessung und Anlage der Städte erfolgte nach mediterranem Vorbild. Ihre Größe lässt sich, soweit möglich, auf 70 bis über 100 ha errechnen. Stadtmauern sind nur für Augst und für Avenches nachgewiesen. Die Ausstattung mit großen öffentlichen Gebäuden und Heiligtümern verlief kontinuierlich und bezeugt, insbesondere für die Kolonien, einen hohen zivilisatorischen Rang. Bei der Wohnbebauung dominierte in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. noch die Holz-, später die Steinbebauung. Neben langrechteckigen Parzellen innerhalb einer insula lassen sich auch luxuriöse Wohnquartiere mit Innenhöfen nachweisen. Bei den seit keltischer Zeit kontinuierlich besiedelten Zentralorten Langres und Besançon wurden in den ersten beiden Jahrzehnten n. Chr. einheimische Hausformen beibehalten.

Die nördlich gelegenen, linksrheinischen Civitates der Vangionen, Nemeter und Triboker befanden sich in Gebieten, die von germanischen Stämmen frühestens im Laufe des 1. Jh. v. Chr. besiedelt waren. Der Zeitpunkt der Einrichtung der Gebietskörperschaften ist unklar, er dürfte in Worms und Speyer erst nach dem Abzug der Truppen aus den Kastellen in den 70er Jahren des 1. Jh. n. Chr. erfolgt sein. Die Siedlungen verfügen über eine Größe von ca. 25 bis 40 ha. Unsere Kenntnis der hier gelegenen Zentralorte ist insbesondere bei öffentlichen Gebäuden relativ gering. Ein rechteckiges Straßennetz wurde lediglich für Brumath rekonstruiert. In Speyer nahm der Civitasvorort den Platz des ehemaligen Kastells und seines Vicus ein, während für Worms die Lokalisierung des Kastells noch unklar ist. Stadtmauern fehlen für alle drei Zentralorte in der frühen und mittleren Kaiserzeit. Die in Speyer nachgewiesene Wohnbauung lässt auf Streifenhäuser schließen, die zunächst in Holzbautechnik entstanden. Erst ab dem späten 2. Jh. n. Chr. wurden sie in Stein ausgebaut. Die im Vergleich zum südlichen Obergermanien relativ späte Einrichtung der Civitates könnte mit der Zugehörigkeit dieser Gebiete zum obergermanischen Heeresbezirk zusammenhängen. Darüber hinaus fehlten hier möglicherweise im Gegensatz zu den keltisch besiedelten Gebieten im südlichen Obergermanien die organisatorischen Voraussetzungen zur Gründung von Gebietskörperschaften. Bis ins 3. Jh. n. Chr. ohne einen zivilen Rechtsstatus blieb die Provinzhauptstadt Mainz. Obwohl sie hiermit eine der führenden Siedlungen der Provinz darstellte und ihr Ausbau dem eines Zentralortes wohl nicht nachstand, blieb ihr Status der einer Zivilsiedlung der hier stationierten Legion.

Ähnlich lagen die Verhältnisse im rechtsrheinischen Obergermanien. Einheimische Stämme fanden nur in zwei Fällen Eingang in die Bezeichnung der Civitates: bei den Neckarsueben (civiats Ulpia Sueborum Nicrensium) mit Hauptort Ladenburg und den Mattiakern (civitas Mattiacorum) mit Hauptort Wiesbaden. Die rechtsrheinischen Zentralorte mit einem Municipium in Rottweil und 10 oder 11 Civitasvororten wurden zwischen dem frühen und der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. eingerichtet. Sie waren zwischen 20 und 45 ha groß. Die Stadtanlage folgte den Gegebenheiten der Verkehrsführung, wie sie meist durch ältere Kastelle und ihre Zivilsiedlungen vorgegeben war. Deshalb waren rechteckige Straßenraster nur in einigen Siedlungen nachweisbar. Lediglich Rottenburg und dem als Zentralort unsicheren Pforzheim, bestanden zuvor als zivile Vici. Die Innenflächen der ehemaligen Kastelle wurden, wie die Forumsanlagen in Ladenburg und Riegel zeigen, auch für öffentliche Bauwerke benutzt. Deren Größe ist vergleichbar mit denjenigen in den Kolonien im Südteil der Provinz, was sich jedoch nicht auf alle öffentlichen Gebäude und insbesondere auf die Theater übertragen lässt. Die Stadtmauern, die nicht in allen Zentralorten vorhanden waren, entstanden im späten 2. oder frühen 3. Jh. n. Chr. Amphitheater konnten rechtsrheinisch bislang gar nicht nachgewiesen werden, eine Fernwasserleitung lediglich für Rottenburg. Der Aus- oder Umbau von Wohnbauten in Stein erfolgt meist erst ab der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. Eine Entwicklung von einfachen Streifenhäusern zu größeren, gut ausgestatteten Bauten lässt sich in Ladenburg nachweisen. Aus Rottweil kennen wir auch Peristylhäuser.

Merkmale einer städtischen Siedlung finden sich auch in dem bereits im 1. Jahrzehnt des 1. Jh. n. Chr. errichtete und wieder aufgegebene stadtartigen Anlage von Lahnau-Waldgirmes. Allerdings unterlag dieser Ort, der wohl als Keimzelle einer Stadt zu werten ist, besonderen Bedingungen. Die relativ geringe, von einem Erdwall umfasste Fläche von 7,7 ha ist weder mit den etwa zeitgleichen Gründungen im südlichen Obergermanien, noch mit den späteren Gemeinwesen rechts des Rheins vergleichbar.

Thomas Schmidts

 

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