Bestimmung des Abbaugrades von Nasshölzern

Rezente Hölzer können bis zur Fasersättigung im Durchschnitt ca. 28% ihrer Holzmasse an Wasser in und an den Zellwänden binden („gebundenes Wasser“). Bei weiterer Wasseraufnahme werden nur noch die Zellhohlräume befüllt („freies Wasser“). Die Wassermenge ist hierbei abhängig von dem Porenanteil (oder der Dichte) des Holzes, d.h. besonders leichte Hölzer mit einem hohen Porenanteil können mehr Wasser aufnehmen als schwerere, dichtere Hölzer.

Sind Zellwände und Zellhohlräume komplett mit Wasser gesättigt, ist der maximale Wassergehalt erreicht. Das prozentuale Verhältnis von Holzmasse zur aufgenommen Wassermenge wird als maximales Wasseraufnahmevermögen (Umax) bezeichnet und wird nach folgender Formel berechnet:

$$ {U_{max} = {{Nassgewicht - Trockengewicht}\over{Trockengewicht}} \ x\ 100\%} $$

Da archäologische Nasshölzer durch bakterielle und hydrolytische Abbauprozesse meist der Cellulose, an Masse verlieren und somit noch mehr Wasser aufnehmen können als rezente Hölzer, kann das „gesteigerte“ maximale Wasseraufnahmevermögen zur näheren Bestimmung des Abbaugrades herangezogen werden. Je höher der Umax –Wert also ausfällt, umso stärker ist das Holz abgebaut.

Eine Methode zur genauen Bestimmung des Wassergehaltes archäologischer Nasshölzer besteht darin, dass Objekt zu wiegen, danach im Ofen bei ca. 105°C bis zur Gewichtskonstanz zu trocknen (absolut trocken/atro) und erneut zu wiegen. Aus der Differenz der Gewichte errechnet sich die Wassermenge, die dann zur reinen Holzmasse, dem Trockengewicht, ins Verhältnis gesetzt wird.

Der Nachteil ist, Nassholzobjekte sind nach der Behandlung zerstört. Die Methode ist also nur für Großobjekte / Konstruktionshölzer geeignet, wenn Probenmaterial zu Verfügung steht. Opfert man dennoch hierfür ein kleineres Holzfragment, stellt sich die Frage nach der Repräsentativität dieser Messung für den Erhaltungszustand des kompletten Holzes.

Unter der Voraussetzung, dass Nassholz komplett mit Wasser gesättigt ist bietet die vergleichende Massebestimmung mit einer Wägung an Luft und unter Wasser eine zerstörungsfreie Alternative. Nach dem Archimedischen Prinzip erfährt das Holz durch die Wasserverdrängung entsprechend seines Volumens einen Auftrieb und wird leichter. Da die reine Holzmasse (Zellwandsubstanz) unabhängig von seiner Holzart nahezu eine Dichte von 1,5 kg/dm³ besitzt und das umgebende Medium Wasser eine Dichte von 1 kg/dm³, entspricht das Unterwassergewicht nur noch einem Drittel des an der Luft vorhandenen Holzgewichtes, d.h. das dreifache Unterwassergewicht entspricht der Masse meines Holzes. Zur Errechnung des maximalen Wasseraufnahmevermögens wird in obiger Umax – Formel das Trockengewicht durch das dreifache Unterwassergewicht ersetzt:

$$ {U_{max} = {{Nassgewicht - (3\ x\ Unterwassergewicht)}\over{3\ x\ Unterwassergewicht}} \ x\ 100\%} $$

Anders aufgelöst - Durch die Differenz aus Gewicht (Wiegung an Luft)und Unterwassergewicht lässt sich die Menge des verdrängten Wassers und somit das Volumen eines Nassholzes bestimmen. Ist bei einem Körper bestehend aus zwei Materialien (Wasser und Holz) mit bekannten Dichten das Gesamtgewicht und das Volumen bekannt, lassen sich die Mengenanteile daraus ableiten.

Nach „de Jong“ unterscheidet man abhängig vom Wassergehalt drei verschiedene Erhaltungszustände:

  • Gruppe 1: Wassergehalt > 400% → Stark bis komplett abgebautes Holz
  • Gruppe 2: Wassergehalt 185% - 400% → Randbereich abgebaut, Kern noch erhalten
  • Gruppe 3: Wassergehalt < 185% → Schwach (schmaler Randbereich) abgebaut

Zur feineren Bestimmung oder auch zum Abgleich mit rezentem Holz kann die „restliche“ Dichte (RG) archäologischer Nasshölzer errechnet werden.

Analog zur normalen Dichtebestimmung \( {p={m\over V}} \) (Dichte = Masse/Volumen) können hier die Werte aus der vergleichenden Massebestimmung eingesetzt werden:

Die Holzmasse entspricht dem dreifachen Unterwassergewicht, das Volumen der Differenz aus Nassgewicht und Unterwassergewicht:

$$ {R_G = {{3\ x\ Unterwassergewicht}\over{Nassgewicht - Unterwassergewicht}}} $$

Diese „restliche“ Dichte setzt also die reine (darrtrockene) Holzmasse in Bezug zum maximal aufgequollenen Volumen und kann daher mit den Raumdichte-Werten rezenter Hölzer verglichen werden.





Beispiel-Betrachtung von Versuchskörper V06-003 (Holzart: Erle)

Gewichte:

  • Nassgewicht: 394,5 g
  • Unterwassergewicht: 17,6 g

$$ {U_{max} = {{394,5 - (3\ x\ 17,6)}\over{3\ x\ 17,6}} \ x\ 100\ \%\ = {\color{red} 647\%} \ Wasswergehalt \to Abbaugrad \ "Gruppe 1"} $$

$$ {R_G = {{3\ x\ 17,6}\over{394,5\ -\ 17,6}} = {\color{red} 0,14\ g/cm³}\ (Restdichte) \iff0,44\ g/cm³\ (=\varnothing-\ Raumdichte\ rezenter\ Erle)} $$

Der Verlust an Holzsubstanz (LWS = Loss in wood substance) läßt sich prozentual ausdrücken:

$$ {LWS\ =\ {{Raumdichte\ (rezent)\ -\ Raumdichte\ (abgebaut)}\over{Raumdichte\ (rezent)}}\ x\ 100\ \%} $$

$$ {LWS\ =\ {{0,44\ -\ 0,14}\over{0,14}}\ x\ 100\ \%\ =\ 68\ \%} $$

→ d.h. das Erlenstück hat 68% seiner ursprünglichen Holzmasse durch Abbau verloren!




Probleme bereiten bei der vergleichenden Massenbestimmung Hölzer die nicht komplett wassergesättigt sind und daher auftreiben oder nur „leicht“ absinken und Gewichtsangaben erzeugen, die keinen glaubhaften Werten entsprechen können. So geschehen mit den Holzproben der Versuchsreihe V03 (Kiefer), deren Unterwasser-Gewichte daher auch nicht in der Datenbank erfasst wurden. Die U max-Bestimmung erfolgte hierbei über die Ofentrocknung zweier Holzproben aus dieser Versuchsreihe.

Anhand der Daten der unkonservierten Referenzproben aller Versuchsreihen, die sowohl (vergleichend) gewogen als auch ofengetrocknet wurden, lässt sich ersehen, dass die Berechnung von Volumen und Holzmasse aus der vergleichenden Wägung mit geringen Abweichungen eine gute Annäherung an die gemessenen Werte der Volumenbestimmung durch 3D- Scannen und Holzgewichtbestimmung durch Ofentrocknen liefert.

Versuchsreihe Nassgewicht Gewicht_unter_Wasser Holzgewicht_errechnet Atrogewicht Umax Schwankungsbreite Umax Volumen_ScanVor Volumen_Gewicht_Nass_Sub
V01 2242,7 359,7 1079,1 1030 118 108 - 226 % 1882,9 1883
V03 911,4

186 390 - (Auftrieb der Hölzer) 901,5 911,4
V03 759,9

203 274
782,3 759,9
V05 1637,4 253 759 703 133 86 - 141 % 1383,9 1384,4
V05 1972,1 333,7 1001,1 923 114
1633,0 1638,4
V06 576,2 25,2 75,6 77 648 465 - 1355 % 546,9 551
V06 616,1 21,1 63,3 69 793
595,0 595
V07 794,4 33,9 101,7 104 664 565 - 1186 % 772,7 760,5
V07 781,35 31,9 95,7 100 681
752,8 749,45
V08 220,26 12,7 38,1 71 210 197 - 733 %
(teilweise durch Auftrieb verfälscht)
211,5 207,56
V10 828,6 101,3 303,9 275 201 139 - 202 % 725,7 727,3
V10 1201,1 151,4 454,2 424 183
1048,4 1049,7
V14 1940,3 197,3 591,9 558 248 128 - 325 % 1737,7 1743
V14 1491 176 528 486 207
1308,3 1315
V16 559 46,9 140,7 121 362 167 - 422 % 512,2 512,1
V18 1642,1 105,8 317,4 271 506 238 - 454 % 1548,6 1536,3
V18 1188,2 109,5 328,5 280 324
1109,8 1078,7
V18 1123,5 74,2 222,6 187 501
1055,1 1049,3
V19 8170 942,5 2827,5 2705 202 109 - 280 % 7425,2 7227,5
V19 9980 1577,5 4732,5 4350 129
8536,9 8402,5
V20 6090 714,5 2143,5 1980 208 98 - 273 % 5415,3 5375,5
V20 3810 568,8 1706,4 1600 138
3247,8 3241,2
V22 532,5 49,3 147,9 136 292 196 - 494 % 486,1 483,2
V22 500 42,3 126,9 104 381
453,6 457,7
V23 1158,1 96 288 192 503 189 - 526 % 365,2 1062,1
V23 898 67,4 202,2 209 330
837,2 830,6
V24 151,8 5,8 17,4 18 743 599 - 1048 % 146,3 146
V24 138,6 4,3 12,9 13,5 927
132,4 134,3
V24 88,2 3,1 9,3 9,6 819
83,0 85,1
V25 873,8 49,3 147,9 166 426 354 - 651 % 827,9 824,5
V27 311,6 15,9 47,7 46 577 326 - 703 % 293,3 295,7
V27 267,5 15,5 46,5 44 508
252,0 252
V27 261,7 10,8 32,4 36,2 623
250,5 250,9
V27A 158,9 6 18 20 694 398 - 916 % 152,6 152,9
V28 1382,44 46,4 139,2 165 738 863 - 1632 % 1333,1 1336,04
V29 1067 37,57 112,71 129 727 802 - 1046 % 1022,0 1029,43
V30 93,2 4,78 14,34 16,5 465 464 - 714 % 88,0 88,42


Summen : 18 874,05 17 618,8

49856,4 50127,6



Ø Abweichung 6-7%


Ø Abweichung 0,5 %

Unsere einfache Versuchseinrichtung zur Bestimmung des Unterwassergewichtes: Metallkorb mit Aufhängung platziert auf einer Präzisionswaage (Mettler Toledo, Labstyle 3002)