Anatomische Holzartenbestimmung

Niels Bleicher, Amt für Städtebau Zürich, Kompetenzzentrum Unterwasserarchäologie und Labor für Dendrochronologie

Die Bestimmung der Holzart kann im Prinzip sowohl makroskopisch als auch anatomisch-mikroskopisch erfolgen. Die makroskopische Bestimmung erfolgt anhand der Farbe und der Oberflächenstruktur. Ein geübtes Auge kann so eine hohe "Trefferquote" erreichen. Aber zum einen gibt es bei der Farbe oft auch artuntypische Beispiele – ganz besonders dann, wenn das Holz behandelt wurde – und zum anderen ändert sich die Farbe bei der Lagerung im Boden. Die Oberflächenstruktur hingegen kann nur eine Eingrenzung der möglichen Arten leisten. Die makroskopische Bestimmung ist daher verhältnismässig fehleranfällig und kann nur wenige Holzarten wie Eiche und Buche mit hinreichender Sicherheit identifizieren. Demgegenüber ist die anatomische Bestimmung weit zuverlässiger, denn sie orientiert sich am artspezifischen Vorhandensein und an der Kombination von Zelltypen und ihren Eigenschaften. Diese können objektiv erfasst werden. Die anatomische Bestimmung ist daher immer vorzuziehen. Insgesamt gibt es im Holz etwa 145 verschiedene anatomische Merkmale – mehr als es in Mitteleuropa Holzarten gibt. Die anatomische Bestimmung in Mitteleuropa kommt daher mit weit weniger Merkmalen aus und ist verhältnismässig einfach verglichen mit der Bestimmung von Tropenholz, dessen ca. 5000 Holzarten weit höhere Ansprüche an die Analyse stellen.

Die Hauptaufgaben des Holzes (Stofftransport, Stabilität und Stoffwechsel bzw. Speicherung) werden im Laubholz von unterschiedlichen, spezialisierten Zelltypen übernommen. Im evolutionär älteren Nadelholz übernimmt eine einzige Art von Zellen, die Tracheiden, sowohl die Stabilitäts- und die Wassertransportfunktion. Das Holzgewebe besteht im Grundsatz aus axialen und radialen Elementen. Während die Axialen beispielsweise für den Wassertransport von der Wurzel in den Wipfel zuständig sind, ist die Aufgabe der radialen Zellen die Speicherung und der radiale Transport von Assimilaten wie Zucker zwischen Holz und Bast. Die Analyse geschieht im Grundsatz durch die Betrachtung der drei anatomischen Ebenen im Quer-, Radial- und Tangentialschnitt bei 32- bis 200-facher Vergrösserung sowie durch den Abgleich mit Bestimmungsschlüsseln. Von frischem Holz werden dafür meist mit Mikrotomen Dünnschnitte von ca. 20 Mikrometern Dicke angefertigt. Bei archäologischem Holz reichen zumeist von Hand mit einer Rasierklinge ausgeführte Dünnschnitte. Bei vielen Holzobjekten sind schon durch die Herstellung die drei Ebenen an irgendeinem Punkt oberflächlich aufgeschlossen und direkt zugänglich. Eine vorsichtige Entnahme von Dünnschnitten mittels Rasierklinge hinterlässt bei geübten Analysten keine oder kaum sichtbare Spuren.

Bei archäologischem Holz besteht generell das Problem, dass einzelne Holzbestandteile während der langen Bodenlagerung abgebaut sein können. Zu welchem Grad das passiert ist, hängt von der Art der Erhaltung ab. Bei der Verkohlung sind meistens alle anatomischen Elemente gut erhalten, doch kann Holzkohle durch den Erddruck verpresst oder von Tonmineralien durchdrungen und schwer zu analysieren sein. Feucht erhaltene Hölzer zeigen eine grosse Bandbreite von Erhaltungszuständen je nachdem, ob das Lagerungsmilieu vollständig vom Sauerstoff abgeschnitten oder gelegentlich – z.B. im Zuge von Grundwasserschwankungen – ein begrenzter Abbau möglich war. Entsprechend können die anatomischen Details vollständig erhalten oder weitestgehend abgebaut sein. In trockenen Böden ist Holz oft in Spuren erhalten, wenn es durch Metallsalze an Objekten wie korrodierten Beschlägen konserviert wurde. Diese Holzreste sind oft nur wenige Zelllagen dick und können nicht geschnitten werden. Daher stehen für die Bestimmung oft nicht alle drei anatomischen Ebenen zur Verfügung und die Bestimmung wir dadurch erschwert.

Die anatomische Analyse kann unter Umständen noch deutlich mehr Informationen liefern als nur die Holzart. Ereignisse im Baumleben wie z.B. Entlaubung, Überflutung oder Phasen unterdrückten Wachstums in tiefem Schatten hinterlassen anatomische Anomalien, deren systematische Auswertung bei grösseren Holzserien relevante weitere Erkenntnisse liefert.

Ein schöner Link: www.woodanatomy.ch