Dokumentation der geometrischen Veränderungen während der Konservierung mittels 3D-Streifenlichtscanner


Text: Anja Cramer, i3mainz / Guido Heinz, RGZM, 2008 – 2014


Aufgabe / Anforderungen

In der Zusammenarbeit des RGZM mit dem Institut für Raumbezogene Informations- und Messtechnik der Hochschule Mainz (i3mainz) wurde ein modernes Verfahren zur Dokumentation der geometrischen Veränderung antiker Nassholzfunde während der Konservierung eingesetzt.

Die Aufgabe bestand darin, die geometrischen Veränderungen des Holzes, die durch die Konservierung stattfindet, sehr genau aufzunehmen. Es sollten Kenngrößen erfasst werden, die die Formveränderung der Proben nachweisen und einfach zu beurteilen sind. Die Kenngrößen sind dabei sowohl Veränderungen im Volumen als auch die Veränderungen in longitudinaler, tangentialer und radialer Richtung des Holzes. Die bis jetzt übliche Methode, diese Kenngrößen der Richtungen zu bestimmen, ist das Messen einzelner Längen anhand von im Holz angebrachter Nägel mittels Messschieber. Diese Methode hat einige Unsicherheiten wie beispielsweise die Extrapolationen oder die Instabilität der Referenzpunkte. Das Volumen hingegen wird über das Wiegen der Hölzer unter Wasser und an der Luft bestimmt. Im Projekt soll somit unabhängig vom klassischen Verfahren eine andere Methode getestet werden.

Der im Projekt gewählte Ansatz nimmt die Oberflächen der Holzproben berührungslos vor und nach der Konservierung dreidimensional auf. Die dadurch erhalten virtuellen 3D-Oberflächenmodelle dienen sowohl zur Dokumentation nicht mehr vorhandener Vorzustände als auch zur Ableitung der oben genannten Kenngrößen. Der Vorteil gegenüber der "klassischen" Methode ist, dass man bei einem digitalen 3D-Modell jede beliebige Strecke messen kann. Somit hat man eine große Anzahl von Messungen, die zur Ableitung der Kenngrößen in den holzspezifischen Richtungen einbezogen werden können, ohne zu extrapolieren bzw. ohne Instabilität der Referenzpunkte.

Durchführung der Messungen

Die Holzproben wurden mit einem Streifenlichtprojektor (ATOS III Rev.01 - GOM) in Kombination mit einem Drehtisch aufgenommen [Abbildung 1a, 1b]. Der Sensor projiziert weiße Streifen und nimmt über zwei Kameras Fotos auf. Die beiden Kameras sind auf einer festen Basis montiert und durch eine Kalibrierung sind alle notwendigen Informationen wie Kamerawinkel und Messvolumen bekannt. Das System berechnet über die Streifenmuster 3D-Oberflächenpunkte. Das für die Aufnahmen verwendete Messvolumen von 500mmx500mmx500mm erfasst Oberflächenpunkte mit Punktabstand von 0,25mm.

Die auf dem Drehtisch liegenden Holzproben wurden über zwei Messprojekte mit jeweils 8 Messungen, einmal von oben und nach dem Umdrehen von unten, aufgenommen [Abbildung 2]. Zuerst wurden die einzelnen Messungen der Projekte über die auf dem Drehtisch angebrachten Referenzpunkte miteinander verbunden und anschließend die beiden Messprojekte aufeinander transformiert [Abbildung 3]. Für die Transformation der zwei Messprojekte dienten die im Holz angebrachten Nägel. Potentielle Schwierigkeiten bei der Aufnahme gab es vor allem durch Reflektion bzw. Brechung des weißen projizierten Lichtes durch das auf den noch nicht konservierten Holzproben liegende Wasser. Weiterhin waren extrem dunkle Holzproben sehr zeitaufwendig, da hierbei eine lange Belichtungszeit für die Messbilder nötig wurde. Pro Holzprobe dauerte die Aufnahme abhängig von Oberflächenfarbe, Feuchtigkeit und Größe der Hölzer zwischen 10 und 30 Minuten.

Die Aufnahmen wurden für alle Holzproben im Projekt vor und nach der Konservierung durchgeführt.

Auswertungen

Die halbautomatische Datenprozessierung erfolgte größtenteils über Pythonskripte, die sich wiederholende Abläufe in der Auswertungssoftware von ATOS automatisieren. Dadurch wurden unter anderem die Verknüpfung der beiden Messprojekte sowie das Polygonisieren der Punkte zu Dreiecken für die jeweiligen Holzzustände berechnet. Die Polygonisierung (Dreiecksvermaschung) verknüpft benachbarte Punkte zu Dreiecken um somit eine Oberfläche abzubilden, die dem Original nahekommt. Je kleiner die Dreiecke sind desto genauer ist das Abbild vom Original. Die Dreiecksgröße ist abhängig von dem Punktabstand. Im Anschluss mussten lediglich die großen Löcher in den 3D-Modellen von Hand gefüllt sowie die Daten visuell kontrolliert werden. Als Ergebnis erhält man ein geschlossenes 3D-Modell für die Ableitungen der Kenngrößen [Abbildung 4], wie beispielsweise des Volumens im Vor- und Endzustand. Diese Merkmale lassen bereits erste Schlüsse über die Formveränderung zu.

Folgende Kenngrößen können hier bereits entnommen werden (am Beispiel V14_022):

  • Netz_Vor_Volumen: 1430275,76 mm³ (Volumen im Vorzustand)
  • Netz_End_Volumen: 1305434,90 mm³ (Volumen im Endzustand)

Ergebnis ist die Berechnung des Volumenschwindmaß in Prozent (am Beispiel V14_022):

  • Volumenschwindmaß = (Volumendifferenz) * 100 / Volumenvorzustand
  • Volumenschwindmaß = (1430275,76 mm³- 1305434,90 mm³) * 100% / 1430275,76 mm³= 8,73%
  • Die gesamte Holzprobe ist durch die Konservierung geschrumpft.

Ergebnisse und Präsentation der Daten

Im letzten Bearbeitungsschritt analysiert ein Skript die beiden 3D-Modelle jeder Holzprobe miteinander. Zuerst erfolgt eine Best-Fit-Registrierung, bei der die Oberflächen der beiden Modelle bestmöglich übereinander gelegt werden [Abbildung 4 rechts]. Die daraus abzuleitenden Ergebnisse werden anschließend sowohl in visuellen Grafiken dargestellt als auch die berechneten Parameter in einer Tabelle abgelegt und im Internet präsentiert.

Die Ergebnisse können unter anderem auf dieser Webseite unter bei den Detailansichten der einzelnen Probekörper unter „Vermessungsdaten (3D-Scan)“ nachgeschaut werden.

Radiale und tangentiale Abweichungen

Zur Ableitung der radialen und tangentialen Abweichung wurden Schnittflächen definiert, die über die erfassten Nägel (Meßschiebermethode) in entsprechender holzanatomischer Richtung konstruiert wurden. Da die im 3D-Modell festgelegten Schnittebenen das komplette Modell schneiden, muß zur Berechnung der tangentialen und radialen Veränderung die longitudinale Änderung vernachlässigt, bzw. herausgerechnet werden. Wie in der Abbildung 5 dargestellt, kennzeichnen die roten Bereiche die Veränderungen in longitudinaler Wuchsrichtung und sind somit nicht von Interesse für die Berechnung des Schwundes in der tangentialen bzw. radialen Richtung. Der Schwund soll aus dem Verhältnis des geänderten Flächeninhaltes berechnet werden. Aus diesem Grund wurden die roten Bereiche (ca. 20 % von beiden Seiten) für die Berechnung der radialen bzw. tangentialen Veränderung abgeschnitten und nicht mit verwendet.

Die somit ermittelten Schnittflächen im Vor- und Endzustand [Abbildung 6] dienen für die Berechnung der Änderungen.

Folgende Kenngrößen können entnommen werden (am Beispiel V14_022):

  • Schnitt_Tangential_Vor_Flaeche_gekappt: 8128,20 mm² (Flächeninhalt der gekappten tangentialen Schnittfläche im Vorzustand)
  • Schnitt_Tangential_End_Flaeche_gekappt: 7558,19 mm² (Flächeninhalt der gekappten tangentialen Schnittfläche Endzustand)
  • Schnitt_Radial_Vor_Flaeche_gekappt: 8136,11 mm² (Flächeninhalt der gekappten radialen Schnittfläche im Vorzustand)
  • Schnitt_Radial_End_Flaeche_gekappt: 7865,13 mm² (Flächeninhalt der gekappten radialen Schnittfläche im Endzustand)

Ergebnis (am Beispiel V14_022):

  • Schwund = (Differenz des Flächeninhaltes) * 100% / Flächeninhalt vom Vorzustand
  • tangentialer Schwund = (8128,20 mm² - 7558,19 mm²) * 100% / 8128,20mm² = 7,01%
  • radialer Schwund = (8136,11 mm² - 7865,13 mm²) * 100% / 8136,11 mm² = 3,33%
  • Sowohl in tangentialer als auch in radialer Richtung hat sich die Holzprobe durch die Konservierung verkleinert.

Flächenabweichung

Mit dem in der Software integrierten Werkzeug zur Berechnung eines Flächenabweichungsnetzes werden sowohl grafisch als auch analytisch die Abweichung der Oberflächen vom Vor- und Endzustand berechnet. Die grafische Darstellung zeigt farblich die Flächenabweichungen zwischen den beiden Datensätzen, dabei werden auf das 3D-Modell des Endzustandes farblich die Abstände zum 3D-Modell des Vorzustandes projiziert [Abbildung 7]. Die Abbildung ermöglicht eine schnelle Beurteilung der geometrischen Veränderungen der Holzprobe.

Folgende Kenngrößen können entnommen werden (am Beispiel V14_022):

  • Netz_Vergleich_min: -5,28 mm (gibt die minimale Veränderung von Vorzustand zu Endzustand an, in der Abbildung im grünen oberen Bereich bzw. rot)
  • Netz_Vergleich_max: 24,81mm (gibt die maximale Veränderung von Vorzustand zu Endzustand an, in der Abbildung im blauen unteren Bereich)
  • Netz_Vergleich_mean: -1,80 mm (gibt die durchschnittliche Veränderung von Vorzustand auf Endzustand bezogen auf die gesamte Oberfläche an, in Beispiel ist der Endzustand also kleiner als der Vorzustand)
  • Netz_Vergleich_sigma: 1,01mm (Sigma ist eine Statistische Größe und gibt Auskunft über die Verteilung)

Longitudinale Abweichung

Für die Berechnung der longitudinalen Abweichung wurde das Netz der Flächenabweichung verwendet. Um die radialen und tangentialen Einflüsse zu eliminieren, wurde nur der hierfür interessierende Bereich herausgeschnitten. Dieses Teilstück [Abbildung 8] zeigt die Abweichungen in der longitudinalen Richtung an. Zur Ermittlung einer Prozentangabe wird weiterhin der Streckenabstand benötigt, der automatisch mittels Skript abgegriffen wird.

Folgende Kenngrößen können entnommen werden (am Beispiel V14_022):

  • Schnitt_Vergleich_Tangential_gekappt_mean: -1,92 mm (Durchschnittliche Abweichung von Vor- und Endzustand in den ausgeschnittenem Bereich)
  • Laenge_Longitudinal: 126,55 mm (Entfernung der beiden Teilstücke)

Ergebnis (am Beispiel V14_022):

  • Schwund = Differenz * 100% / Strecke
  • longitudinaler Schwund = (1,92 mm) * 100% / 126,55 mm = 1,52 %
  • Auch in der longitudinalen Richtung fand eine Schrumpfung statt.

Fazit und Dank

Das eingesetzte Verfahren zur berührungslosen Aufnahme der 3D-Oberfläche im Vor- und Endzustand ist eine gute Möglichkeit der Dokumentation und geometrischen Analyse der Veränderungen. Durch das Einmessen des Vorzustandes, also der unkonservierten Hölzer, erhält man eine virtuelle Kopie eines nach der Konservierung nicht mehr vorliegenden Zustandes. Auch wenn die Kosten für Hard- und Software hoch sind sollte man bei einmaligen Einzelfunden über diese Dokumentationsmethode nachdenken.

Großer Dank gilt den vielen Studenten der Lehreinheit Geoinformatik und Vermessung der Fachhochschule Mainz, die über Monate die über 700 Hölzer im Vorzustand und 2 Jahre später erneut im Endzustand (konserviert) eingescannt haben. Durch die jahrelange Kooperation des RGZM mit dem i3mainz standen dem Projekt Hard- und Software zur Verfügung, womit diese geometrischen Untersuchungen überhaupt erst möglich waren.